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# taz.de -- Streit um die Vertiefung des Rheins: Kleine Schiffe statt großer B…
> Nach Versorgungsengpässen durch das Rekord-Niedrigwasser 2018 soll der
> Rhein ausbaggert werden. UmweltschützerInnen protestieren.
Bild: In trockenen Sommern wie hier 2018, müssen Frachtschiffe ihre Ladung red…
BOCHUM taz | Die Umweltverbände Nabu und BUND warnen vor dem geplanten
Ausbau des Rheins als Reaktion auf das [1][Rekord-Niedrigwasser im Sommer
2018]. Gefährdet seien „naturnahe Ufer- und Auenbereiche“ und die dort
lebenden Tiere, sagt Klaus Markgraf-Maué, Flussbeobachter an der
Nabu-Schutzstation Niederrhein.
„Keine Wasserautobahn“, sondern ein wichtiges Ökosystem sei der Fluss,
mahnt auch Dirk Jansen, Geschäftsleiter des Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND) in Nordrhein-Westfalen. Durch die geplante Vertiefung
der Fahrrinne und das dadurch schneller abfließende Rheinwasser drohe sogar
ein weiteres Absinken des Grundwasserspiegels.
Im [2][extrem trockenen Sommer 2018] war der Klimawandel voll auf die
Rheinschifffahrt durchgeschlagen. An manchen Pegeln wurden die niedrigsten
Wasserstände seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen. Im in weiten Teilen
ausgetrockneten Flussbett tauchten nicht nur Autowracks, rostige Fahrräder
und Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg auf – wegen der
Rekord-Tiefststände konnten auch die Frachtschiffe teilweise nur ein
Drittel ihrer vorgesehenen Ladung aufnehmen, um überhaupt noch Wasser unter
dem Kiel zu haben.
Die Folge waren spürbare Engpässe: An manchen Tankstellen wurden einzelne
Kraftstoffsorten knapp, im Duisburger Stahlwerk von ThyssenKrupp die
Kokskohle. Und in den Chemiewerken in Marl im nördlichen Ruhrgebiet wurden
Teile des Transport-Nachschubs hektisch vom Schiff auf Lkws umgestellt.
## 20 Prozent weniger Güter transportiert
Wirtschafts- und Verkehrs-politiker*innen sorgen sich daher um das
Funktionieren der westdeutschen Industrie bis hin zum weltweit
umsatzstärksten Chemiekonzern BASF im baden-württembergischen Ludwigshafen.
Schließlich sank der Gütertransport auf dem Rhein 2018 um mehr als 20
Prozent. Auf dem Wesel-Datteln-Kanal, der das nördliche Ruhrgebiet mit dem
Rhein verbindet, wurden statt 17,7 nur noch 13,3 Millionen Tonnen
umgeschlagen. Trotzdem entspricht allein das mindestens 475.000
Lkw-Fahrten.
In NRW machen sich vor allem die Regierungsfraktionen von CDU und FDP für
die Binnenschifffahrt stark, und im Bundestag denken die dort
oppositionellen Liberalen über einen Ausbau von Staustufen am Oberrhein
nach: Schließlich laufen 70 Prozent aller Gütertransporte auf Deutschlands
Binnenwasserstraßen über den Niederrhein von und in Richtung Nordsee.
In Berlin reagiert deshalb auch der aus Bayern stammende
CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Im Sommer stellte der
45-Jährige auf einem Schiff bei Köln einen „Aktionsplan Niedrigwasser
Rhein“ vor. Der sieht nicht nur bessere Wetter- und Wasserstandsmeldungen
vor.
Im „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans bis 2030 finden sich
auch „Abladeoptimierungen“ und „Abladeverbesserungen“, also das Ausbagg…
und Vertiefen der Fahrrinne. Denn „wie tief hast du abgeladen“ bedeutet in
der Fachsprache der Binnenschiffer nichts anderes als: „Wie tief liegt dein
Schiff im Wasser?“
## Fische gefährdet
Wie die höchst umstrittene Elbvertiefung in Richtung Hamburger Hafen sei
das Ausbaggern der Rhein-Fahrrinne aber ökologisch höchst schädlich, warnen
die Umweltschützer. Jansen warnt vor „gravierenden Eingriffen in die
natürliche Flussdynamik“. Gefährdet seien nicht nur Wanderfische wie der
Lachs, der nach schwerwiegenden Chemieunfällen langsam wieder in den Rhein
zurückkehrt.
Bedenken haben auch die Grünen. Zwar gelten Binnenschiffe als relativ
umweltfreundlich – im Vergleich zum Lkw verbrauchen sie pro Tonne
transportierter Güter weniger als halb so viel Energie. Dennoch warnt auch
Nordrhein-Westfalens Ex-Umweltminister Johannes Remmel vor einer weiteren
Absenkung des Grundwasserspiegels in den Auenbereichen durch das
Ausbaggern: „Darüber hinaus wird die Fließgeschwindigkeit und damit auch
die Grunderosion erhöht. Wird dann die Flusssohle dauerhaft beschädigt,
könnte der Rheinpegel sogar sinken“, sagt der Grüne.
Außerdem erinnert Remmel an die Europäische Wasserrahmenrichtlinie: Die
sieht ein „Verschlechterungsverbot“ von Gewässern vor. Wie an der Weser
könnte die Vertiefung des Rheins damit in „langen Gerichtsverfahren“
versanden, so Remmel. „Besser wäre es, bereits jetzt nach einvernehmlichen
Lösungen mit allen Beteiligten zu suchen.“
Ökonomisch komplett unsinnig sei die Rheinvertiefung außerdem,
argumentieren Umweltschützer. Auf Mitteleuropas größtem Fluss seien Schiffe
mit immer größerem Tiefgang unterwegs, sagt Nabu-Mitarbeiter Klaus
Markgraf-Maué. Kleinere Schiffe würden im Wettbewerb verdrängt – dabei
hätten gerade die auch bei den Tiefstwasserständen des Sommers 2018 noch
fahren können und damit die schlimmsten Engpässe verhindert. „Noch speisen
die schmelzenden Gletscher den Fluss auch im Sommer“, warnt er – in
absehbarer Zeit werde das nicht mehr so sein. „Es ist nicht länger
hinnehmbar“, findet auch Dirk Jansen vom BUND, „dass der Rhein an die
Schiffe angepasst wird – umgekehrt muss es sein.“
7 Oct 2019
## LINKS
[1] /Niedrigwasser-in-deutschen-Gewaessern/!5550128
[2] /Erntebilanz-nach-Super-Sommer/!5537923
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Trockenheit
Schifffahrt
Rhein
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Trockenheit
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