| # taz.de -- Kommentar Hambacher Forst und Klima: Die Zeit zum Handeln ist jetzt | |
| > Der Hambacher Forst ist mehr als ein Symbol und es geht nicht nur um ein | |
| > paar Bäume. An ihm entscheidet sich die deutsche Klimapolitik. | |
| Bild: Hände kann man fixieren, die Energiewende lässt sich aber nicht aufhalt… | |
| Auf Klimakonferenzen hört man immer wieder: „Die Zeit zum Handeln ist | |
| jetzt!“ Leider passiert dann wenig. Auch die Bundesregierung hat sich für | |
| „Jetzt nicht“ entschieden und ihr [1][Klimaziel für 2020] mit einem | |
| Schulterzucken entsorgt. Dabei geht es beim Abschied von Kohle, Öl und Gas | |
| nicht mehr um das Ob oder das Wie, sondern nur noch um das Wann. Ein guter | |
| Ort für das Wo ist der [2][Hambacher Forst]. Hier kann sich entscheiden, ob | |
| der Klimaschutz in Deutschland endlich Fahrt aufnimmt. | |
| Sicherlich ist das umstrittene Gehölz nicht das ökologisch wertvollste | |
| Stück Deutschlands. Es könnte aber dazu werden. Die tatsächliche und | |
| symbolische Bedeutung des Kampfs um den Wald am Hambacher Loch ist hoch. | |
| Auch in Wackersdorf ging es nicht um den Taxöldener Forst, sondern um die | |
| Atomindustrie. | |
| Mit dem „Hambi“ hat die Umweltbewegung endlich konkrete Symbole für eine | |
| unsichtbare und unfassbare Bedrohung gefunden. Kohlendioxid ist unsichtbar, | |
| die Täter sind wir alle und deshalb niemand. Aber die Buchen und Eichen | |
| kann man anfassen und schützen. Nicht umsonst hat das Waldsterben die | |
| deutsche Umweltbewegung groß gemacht. | |
| Gleichzeitig ist der Wald mehr als ein Symbol. Bleibt er stehen, erleiden | |
| einige der größten Klimakiller in Europa, die Braunkohlekraftwerke im | |
| Rheinland, einen echten Rückschlag. Der Ausstieg, der schon aus | |
| wirtschaftlichen Gründen eher früher als später kommen wird, müsste dann | |
| plötzlich ernst genommen werden. | |
| ## Den Unterschied zwischen legal und legitim kennen | |
| Fällt allerdings der Wald, während in Berlin die [3][„Kohlekommission“] | |
| tagt, könnte deren Suche nach einem Kompromiss scheitern. Gut möglich, dass | |
| RWE und die Regierung in NRW genau darauf spekulieren. Der Konzern hat das | |
| Recht auf seiner Seite, sollte aber den Unterschied zwischen legal und | |
| legitim kennen. Und wissen, dass sein Handeln einen Prozess bedroht, der | |
| wie beim Atom einen Großkonflikt in Deutschland entschärfen soll: mit viel | |
| Geld für die Konzerne und milliardenschweren Investitionen in den | |
| betroffenen Regionen. | |
| Was könnte der Streit im Hambacher Forst verändern? Fortschritt geschieht, | |
| wenn sich neue Regeln durchsetzen. Solche neuen Regeln „von oben“ sind da: | |
| das Pariser Klimaabkommen, der „Klimaschutzplan 2050“, vielleicht bald ein | |
| Klimagesetz im Bund. Was bislang fehlt, ist der Wille, diese Vorschriften | |
| mit Leben zu füllen. Die Große Koalition meint bisher, es reiche aus, | |
| Klimaziele für die Zukunft zu beschließen und ansonsten weiterzumachen wie | |
| bisher. | |
| Mit dieser Logik bricht der Widerstand im Baumhaus. Zieht sich RWE aus dem | |
| Forst zurück, kann das ein Ende sein für das „Weiter so“: Dann würde die | |
| Regierung dazu gedrängt, nicht nur Öko-Energie aufzubauen, sondern | |
| Anti-Öko-Energie stillzulegen. Mit massenhaftem friedlichem Protest im | |
| Wald, in der Region, in der Landespolitik und in Berlin können jetzt alle | |
| handeln, die wegen ihres letzten Mallorcaflugs ein schlechtes Gewissen | |
| haben. | |
| Dieser Widerstand muss gewaltfrei sein. Das gebietet der Respekt vor | |
| RWE-Mitarbeitern, ÖkoaktivistInnen, Anwohnern und Polizeibeamten, aber auch | |
| strategische Klugheit. Wer gewinnen will, muss die Menschen begeistern, | |
| nicht einschüchtern. Eine militante Eskalation würde Leib und Leben der | |
| Beteiligten ebenso gefährden wie das politische Anliegen. Die G20-Krawalle | |
| von Hamburg haben die unfaire Weltordnung eher bestätigt als infrage | |
| gestellt. | |
| Wenn die Politik versagt, wie sie es in der Klimapolitik seit Langem tut, | |
| muss die Bevölkerung ran. Selten war die Gelegenheit für jede und jeden so | |
| günstig, konkret etwas für unser aller Zukunft zu tun. Ob im Wald, in der | |
| Region, im Bund, ob durch friedliche Blockaden vor Ort oder durch Auflösen | |
| von Denkblockaden in Düsseldorf, Essen und Berlin, ob durch Spenden oder | |
| Solidarität und lautstarken Protest vor und in Ministerien und | |
| Kommissionen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt. | |
| 15 Sep 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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