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# taz.de -- Angebliche Fallen im Hambacher Forst: Wühlen nach dem Grund der Ei…
> Die Räumung im Hambacher Forst geht am Montag weiter. Die Polizei erhebt
> schwere Vorwürfe auf Twitter, rudert inzwischen aber zurück.
Bild: Trotz der angeblichen „Lebensgefahr für alle“ wird weiter geräumt
Hambacher Forst taz | Er klingt müde und heiser. Doch als er mitbekommt,
dass am Boden eine Kamera läuft, wird Jus wieder kämpferisch. In mehr als
15 Meter Höhe hängt er in einem Baum – als [1][einziger verbliebener
Bewohner] der ehemaligen Baumhaussiedlung „Oaktown“ im Hambacher Forst.
„Ihr zerstört unsere Häuser“, [2][ruft er auf Englisch den Arbeitern zu],
die gerade im Nachbarbaum sein ehemaliges Baumhaus zerstören. „Und ihr
zerstört die Zukunft unseres Planeten.“
Er habe die ganze Nacht allein, ohne Verpflegung und Schlafsack in einer
Hängematte ausgeharrt, berichtet Jus, der nach eigenen Angaben seit sechs
Jahren im Hambacher Forst lebt. Dass er als einziger Bewohner von Oaktown
am Sonntag nicht geräumt wurde, erklärt er so: „Immer wenn sie gekommen
sind, bin ich aufs äußerste Ende eines Astes gegangen und habe alle
Sicherungen gelöst. Dann war ihnen das Risiko zu groß und sie haben mich in
Ruhe gelassen.“
Dass er nun im Baum ausgehungert werden soll, wie er befürchtet, bestreitet
die Polizei. Tatsächlich kommen, kurz nachdem seine Situation über Twitter
bekannt wird, einige Unterstützer und bringen ein Paket mit Essen und
Trinken, das er an einem heruntergelassenen Seil auf seinen Baum zieht.
Nachdem es am Sonntag bis zu 1000 Menschen gelungen war, von einer
angemeldeten Demonstration aus an Polizeiketten vorbei in den eigentlich
gesperrten Wald zu gelangen, ist der Zugang am Montag kaum mehr möglich.
Nur JournalistInnen und Abgeordnete werden durchgelassen um sich selbst ein
Bild von der Räumung zu machen. Doch auch sie werden teilweise auf Abstand
gehalten – aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Erst später ermöglicht d…
Pressestelle der Polizei eine größere Nähe. Situationen wie am Vortag, als
private Sicherheitskräfte versucht haben sollen, JournalistInnen Bilder von
Festnahmen zu verkaufen, gibt es heute nicht.
Stattdessen lässt sich unmittelbar verfolgen, wie das Dorf „Gallien“
geräumt wird. Mit sieben Baumhäusern und mehreren Plattformen, die teils
mit Seilen oder ganzen Seilbrücken verbunden sind, gehört es zu den größten
Strukturen im umkämpften Wald. Nachdem am Morgen mehrere kleinere
Sitzblockaden am Boden geräumt wurden, sind die Baumhäuser am Mittag von
fünf großen Hubsteigern umgeben, von denen aus sich Polizei- und SEK-Kräfte
mit Kletterausrüstung und Motorsägen auf die Häuser zu bewegen.
„Hambi bleibt, Hambi bleibt“, rufen die Menschen, als schließlich die
ersten von den Häusern auf die Plattformen geschafft werden. Sie müssen
nach Auskunft der Polizei mit Platzverweisen für den Hambacher Forst
rechnen. Strafanzeigen gibt es nur, wenn bei der Räumung Widerstand
geleistet wird. Insgesamt ist die Stimmung hier trotz der gefährlichen
Einsätze in 15 bis 25 Metern Höhe einigermaßen entspannt. Eine Cellistin,
die zusammen mit die Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig in den
Wald gekommen ist, spielt gegen das Brummen der Dieselmotoren und das
Kreischen der Kreissägen an. Stücke aus der ersten Cello-Suite von Bach.
Für große Aufregung sorgt hingegen ein Tweet, den [3][die
Polizei-Pressestelle] am Vortag abgesetzt hat. Darin warnte sie vor
„Lebensgefahr für alle“ durch angebliche „Fallen“ im Wald. „Mittels …
Drahtseilkonstruktion wurde ein, mit Beton & Schutt gefüllter Eimer in die
Höhe gezogen“, hieß es. „ Beim Auslösen der Falle, fällt der Eimer in d…
Tiefe.“ AktivistInnen hatten das sofort zurückgewiesen.
„Solche Eimer mit Seilen werden im Boden verankert, zum Beispiel um
Kletterseile zu stabilisieren“, sagte Momo der taz. Der junge Aktivist, der
als eine Art Sprecher der Baumhausbewohner agiert und seinen kompletten
Namen nicht nennen will, vermutet, dass mit dem Tweet der Protest gezielt
diskreditieren werden sollte.
Dass es sich um Befestigungen im Boden handelte, würde zu den Bildern
passen, die die Polizei zusammen mit ihrem Tweet verbreitet hatte. Darauf
befindet sich der Eimer am Boden; auch am oberen Rand und an den Seiten ist
Erde zu erkennen. Nachdem die Polizei am Montagmorgen auf taz-Anfrage noch
erklärt hatte, sie halte an ihrer Interpretation der Bilder fest, ruderte
sie am Mittag zurück. „Der genaue Verwendungszweck des Eimers ist noch
nicht klar“, sagte Pressesprecher Andreas Müller. Genauere Untersuchungen
dauerten noch an.
Die Pressestelle der Polizei bestätigte der taz am Nachmittag, dass der
Eimer sich – anders als im Tweet dargestellt – nicht in der Luft, sondern
am Boden befunden habe, als er aufgefunden wurde. Komplett zurücknehmen
wollte man den Alarm vom Vortag aber auch nicht. „Aus Sicht der Polizei
hätte der Eimer in die Höhe gezogen und beim Passieren von Polizeibeamten
zu Boden fallen gelassen oder als Pendel eingesetzt werden können“, hieß
es. Zudem seien in der Nähe Tarnkleidung und Schraubenmuttern und
Pyrotechnik gefunden worden. Die Frage, ob der Eimer ursprünglich im Boden
vergraben worden war, blieb unbeantwortet.
Von den Räumungen berichtet am Montag taz-Redakteur Malte Kreutzfeldt auch
im Livestream. Diese sind [4][hier] oder über [5][sein Twitterprofil] zu
sehen.
17 Sep 2018
## LINKS
[1] /Raeumung-im-Hambacher-Forst/!5531988
[2] https://twitter.com/martinkaul/status/1041594656415510528
[3] https://twitter.com/Polizei_NRW_AC
[4] https://www.pscp.tv/MKreutzfeldt/1BdGYoQNDglxX
[5] https://twitter.com/MKreutzfeldt
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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