# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Versprochen ist versprochen | |
> Vor genau einem Jahr versicherte die Bundeskanzlerin, sie werde Wege zum | |
> Klimaziel finden. Dann war ihr und uns diese Zusage einfach egal. | |
Bild: Schnell gesagt, schnell vergessen: Leitende Angestellte an ihrem Arbeitsp… | |
Vieles konnte meine Tochter als kleines Kind aushalten. Aber eines nicht: | |
Wenn ich ein Versprechen nicht einhielt. „Tut mir leid, das mit dem Eis | |
klappt nicht.“ – „Aber du hast es versprochen!“ – „Ja, ich weiß, t… | |
leid. Aber wir haben echt keine Zeit mehr“ – „ABER DU HAST ES VERSPROCHEN | |
!!“ Dann eskalierte häufig die Lage. | |
Inzwischen ist meine Tochter eine gechillte junge Lady. Jetzt bin ich es, | |
der mit dem Fuß aufstampft, wegen einer ebenfalls gechillten, nicht mehr | |
ganz so jungen Lady. Vor einem Jahr, am 14.September 2017, sagte | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel im ZDF: „Wir werden Wege finden, wie wir bis | |
2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen.“ | |
Und das war es dann. Merkel wurde wieder Kanzlerin. Sie hat keinen Weg | |
gefunden, das 40-Prozent-Ziel einzuhalten. Sie hat nicht mal ernsthaft | |
danach gesucht. | |
Im Gegenteil. Nach der Wahl stellte die Klimakanzlerin überrascht fest, was | |
alle schon seit Jahren sagten: Huch! Das ist ja gar nicht so einfach mit | |
diesem Klimaziel! Da müsste man ja richtig Geld und Streit riskieren! Dann | |
mussten erstmal die Grünen in den Jamaika-Sondierungen politisches Kapital | |
verbrennen, um dieses Versprechen der CDU-Chefin umzusetzen. | |
Auf diesen Irrsinn folgte ein Koalitionsvertrag mit der SPD, der das Ziel | |
kurzerhand kassierte und einfach bis 2030 fortschrieb. Und der seitdem alle | |
Anstrengungen, den angepeilten Klimaschutz HIER UND JETZT zu beginnen, in | |
den Mühlen der Parlamentsausschüsse kleinschrotet. | |
## Ihr Wortbruch ärgert Merkel, heißt es – mich noch mehr | |
Es ärgere Merkel, dass sie da nicht liefern könne, hört man aus der Union. | |
Tja. Mir dagegen treibt es vor Ärger den Blutdruck hoch, wenn ich an etwas | |
anderes denke: Wir haben es alle einfach so hingenommen. Die Kanzlerin | |
verspricht was – dann ist es nichts mehr wert und wir akzeptieren es als | |
normalen Teil des politischen Geschäfts. Ein Jahr lang hat Merkel | |
Interviews gegeben und Bürgerdialoge abgehalten, sie war auf dem | |
Klimagipfel in Bonn und beim „Petersberger Klimadialog“. Nicht einmal | |
musste sie auf die Frage antworten: „Frau Bundeskanzlerin, was ist | |
eigentlich mit Ihrem Versprechen?“ Sie hätte nichts geantwortet. Aber es | |
hat auch keiner gefragt. Es war uns offenbar genau so schnurz wie ihr. | |
Man kann viel mit Sachzwängen entschuldigen, mit der aufreibenden Arbeit | |
der deutschen Regierungschefin zwischen deutschen und internationalen Halb- | |
und Vollidioten. Man kann Merkel für das kleinste Übel halten. Es ändert | |
nichts daran, dass die Leitende Angestellte des deutschen Volkes ihrem | |
Arbeitgeber etwas öffentlich verspricht und sich dann an nichts erinnern | |
will. Dass sie nicht einmal so tut, als wolle sie ihre Zusage einlösen oder | |
zumindest ernsthaft versuchen, den Schaden zu begrenzen. Und dass wir als | |
Arbeitgeber uns mit dieser Art der Arbeitsverweigerung auch noch abfinden. | |
Beim Zeitplan allerdings ist die Bundesregierung nicht zu übertreffen. | |
Exakt ein Jahr nach dem Zusicherung der Kanzlerin, Wege zum ehrgeizigen | |
Klimaziel 2020 zu finden, bekommt die verkokste deutsche Klimapolitik ein | |
neues dreckiges Gesicht: Im Hambacher Forst beginnen die Räumungen, um der | |
Braunkohle und ihrer vorgestrigen Energieindustrie eine Zukunft zu sichern, | |
die sie nicht mehr haben dürfte. | |
Schließlich gebe es diese Planungen schon seit Jahrzehnten, heißt es mit | |
einem Achselzucken. Alle Seiten müssten sich auf Zusagen verlassen können, | |
die einmal gemacht wurden. Versprochen ist versprochen. | |
14 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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