Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Klimapolitik: Wir müssen nur wollen
> Merkel will das Klimaziel nicht anheben. Dabei gibt es genug Wissen,
> Experten und Technik, um es zu erreichen – es bräuchte nur eine Allianz.
Bild: Mülltrennung ist ja schön und gut – reicht aber nicht, um den Klimawa…
Alle Deutschen sind Mülltrenner, gefühlt jedenfalls. Fast zwei Drittel
wollen keinen Strom aus Kohlekraftwerken. Und sie finden, dass die
Bundesregierung zu wenig tut, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Die
Hitze und das eigene Zutun zum Klimawandel lieferten zuletzt
Diskussionsstoff am Strand oder im Freibad. Auch bei der Bürgersprechstunde
der Bundesregierung war das Klima gerade ein dominierendes Thema. Und sogar
Anne Will talkt über Bauern in Zeiten der Dürre.
Am Ende eines Sommers, der allen außer den Realitätsverweigerern der AfD
die Erderwärmung als drängendstes Menschheitsproblem in Erinnerung gerufen
hat, öffnete sich ein Fenster für eine andere Politik. Die Voraussetzungen
für eine klimapolitische Offensive von und in Deutschland sind ideal. Die
Bundesregierung, die diese Woche wieder ihre Arbeit aufgenommen hat, könnte
jetzt einen umfassenden Klima-Aktionsplan auf den Weg bringen.
Aber Angela Merkel hat dieses Fenster mit aller Entschiedenheit [1][gleich
wieder zugeschlagen]. Im ARD-„Sommerinterview“ lehnte sie es ab, mehr
Ehrgeiz in der Klimapolitik zu entwickeln. „Im Moment“, sagte die
Bundeskanzlerin, sei sie „nicht so glücklich“ über Vorschläge aus Brüss…
das Klimaziel von 40 auf 45 Prozent zu heben. Viele EU-Staaten erreichten
doch schon die bis 2020 gesetzten Ziele nicht, merkelte die Kanzlerin. Als
ob das die eigene Untätigkeit erklären würde. Als ob es diesen Sommer nicht
gegeben hätte.
Die Union zumindest beschäftigt sich lieber mit der Frage, ob es falscher
ist, mit der Linkspartei zu liebäugeln oder die AfD zu imitieren. Und die
Spitze der Sozialdemokratie ist aus den Sommerferien mit der Erkenntnis
zurückgekommen, dass ihr Parteinamen mit einem S beginnt.
## Keine Lobby
Das Klima hat in keiner der Regierungsparteien eine Lobby. Man kann der SPD
nun nicht guten Gewissens raten, sich den Klimaschutz als Markenkern zu
verordnen. Aber die rasante Erderhitzung wartet nicht, bis die deutschen
Parteien mit ihrer Selbstfindung fertig sind.
Im Hakeln von CDU und CSU, von Union und SPD, von Regierung und Opposition,
von Industrie und Politik wird eher Tuvalu versinken als eine entschlossene
Klimapolitik am Horizont aufsteigen. Dabei ist nicht weniger gefordert als
sofortiges, mutiges und insbesondere gemeinsames Handeln. Wir brauchen den
Umbau der Industriegesellschaft weg von Kohle, Öl und Gas, eine neue
Gründerzeit [2][voller Ideen für saubere Techniken, Energien und Produkte],
genauso wie Hilfe für die bereits vom Klimawandel Betroffenen lokal wie
global.
Aber dieser Aufbruch funktioniert nur in einer breiten Allianz von
Regierung, Parteien, Institutionen und der Wirtschaft jenseits partei- und
interessenpolitischer Schattenspiele. Denn das Klima kennt weder Parteibuch
noch Grenzen.
Der Techniksoziologe Ortwin Renn postuliert, dass systemische Risiken wie
die Erdüberhitzung permanent unterschätzt würden. Der Mensch nimmt nun
einmal plötzlich auftretende Katastrophen viel intensiver wahr. Es ist
deshalb die Aufgabe der gesamten Gesellschaft, das Bewusstsein zu fördern.
## Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür
Unternehmen brauchen klare Ansagen, was sie unter welchen Umständen auch in
der Zukunft produzieren können; Menschen können überzeugt werden, dass
anders leben nicht nur Verzicht, sondern auch Gewinn bedeuten kann. Und die
Teile der Gesellschaft, die nicht überzeugt werden wollen, müssen reguliert
werden.
[3][Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür]. Jeder und jede kann im eigenen
Alltag handeln. In der Hand eines und einer jeden liegt es auch, den
notwendigen politischen Druck auf Regierung und Institutionen zu erzeugen.
Die Bundesregierung könnte einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle
beschließen, den die „Kohlekommission“ sozial abfedern muss; sie könnte in
Brüssel bei neuen CO2-Grenzwerten für Autos nicht bremsen.
Sie könnte in der Reform der EU-Agrarpolitik auf mehr statt weniger Umwelt-
und Klimaschutz drängen; sie könnte sich endlich ernsthaft um
energieeffiziente Gebäude sorgen; sie könnte ihren eigenen Haushalt von
umweltschädlichen Subventionen in Milliardenhöhe befreien. So würde
Deutschland seiner Verantwortung als treibende Kraft gegen die Erderwärmung
gerecht.
Es ist möglich, der Entwicklung eine andere Richtung zu geben. Wir haben
das Wissen, die Experten, die Techniken und auch das Geld dafür. Wir müssen
es nur wollen. Die Klimakanzlerin könnte mit einer Klima-Allianz Führung
und Größe zeigen, wie sie es bei anderen Großkonflikten, der Ukraine-Krise
oder auch den Iran-Verhandlungen getan hat – wenn sie nur wollte. Das hieße
dann regieren statt reagieren.
31 Aug 2018
## LINKS
[1] /Klimapolitik-der-Bundesregierung/!5529250
[2] /Kommentar-Klimaschutz/!5525529
[3] /In-der-Hitzewelle-steckt-eine-Chance/!5526856
## AUTOREN
Barbara Junge
## TAGS
Klima
Schwerpunkt Klimawandel
Erderwärmung
Bundesregierung
Schwerpunkt Angela Merkel
EU-Kommission
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Konsum
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimapolitik in der EU: Angst vor der eigenen Courage
Die EU ist beim Klimaschutz erfolgreicher als geplant. Das wollte die
Kommission auch offiziell verkünden. Damit ist sie jetzt gescheitert.
Kolumne Wir retten die Welt: Versprochen ist versprochen
Vor genau einem Jahr versicherte die Bundeskanzlerin, sie werde Wege zum
Klimaziel finden. Dann war ihr und uns diese Zusage einfach egal.
700 französische Wissenschaftler: Appell für aktive Klimapolitik
„Reden reichen nicht aus“: In einem gemeinsamen Appell fordern 700
französische Wissenschaftler schnelle Maßnahmen zur Bekämpfung der
Erderwärmung.
Tipps, um den Klimawandel zu stoppen: Das können Sie tun
Nicht nur die Politik muss tätig werden, um die Erderwärmung aufzuhalten.
Fünf Klimaschutz-Tipps für den Heimgebrauch.
Klimaforscherin über den Hitzesommer: „Klimawandel passiert im Vorgarten“
Nicht jedes Wetterphänomen hat mit der Erderwärmung zu tun, sagt
Klimaforscherin Friederike Otto. Aber Hitzewellen werden wahrscheinlicher.
In der Hitzewelle steckt eine Chance: Lasst uns jetzt die Welt retten
Die Erderwärmung ist spürbar. Spätestens jetzt müssen wir anfangen, all die
Strategien gegen den Klimawandel umzusetzen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.