# taz.de -- Bleiberecht für gut integrierte Flüchtlinge: Merkel gegen Spurwec… | |
> Die Kanzlerin findet es falsch, gut integrierten, aber abgelehnten | |
> Asylbewerbern ein Bleiberecht zu ermöglichen. | |
Bild: Durch Merkels Absage wird sich der Streit in der GroKo über ein Fachkrä… | |
BERLIN taz | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich gegen einen | |
[1][sogenannten Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte | |
AsylbewerberInnen] ausgesprochen. „Nach außen das Signal zu geben, du | |
kannst kommen, und es wird im Grunde dann nicht mehr unterschieden, das | |
finde ich nicht richtig“, sagte Merkel [2][am Sonntagabend im | |
ARD-Sommerinterview.] Es erzeuge ein falsches Bild, wenn der Eindruck | |
erweckt werde, dass man als Asylbewerber oder Flüchtling komme und dann | |
einfach die Spur in Richtung des Fachkräftemangels wechsele. | |
Der Spurwechsel bedeutet, dass es AsylbewerberInnen, die abgelehnt und nur | |
geduldet, aber gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben, über ein | |
Einwanderungsrecht ermöglicht wird, in Deutschland zu bleiben. Sie könnten | |
also aus der Spur des Asylrechts in die Spur eines Einwanderungsrechts | |
wechseln. Durch Merkels Absage wird sich ein Streit in der Großen Koalition | |
über ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz fortsetzen, das im Koalitionsvertrag | |
verabredet ist. | |
Die SPD würde in dieses Gesetz gern den Spurwechsel aufnehmen. SPD-Chefin | |
Andrea Nahles [3][hatte vor gut einer Woche angekündigt, auf einer Reform | |
zu bestehen.] „Ich bin ausdrücklich der Meinung, dass zurzeit die falschen | |
Leute abgeschoben werden, nämlich gut integrierte Menschen, die in Arbeit, | |
die in Ausbildung sind“, sagte sie. Denen solle man eine Chance geben. „Das | |
werden wir durchsetzen“, kündigte Nahles an. | |
Mit die Forderung steht die SPD nicht allein da. FDP, Grüne und Linkspartei | |
sind für den Spurwechsel, auch aus der Wirtschaft kommen immer wieder | |
entsprechende Forderungen. Vor eineinhalb Wochen wurden die Eckpunkte von | |
Innenminister Horst Seehofer (CSU) für ein Einwanderungsgesetz öffentlich. | |
Dem Papier zufolge soll die Fachkräftezuwanderung am Bedarf der Wirtschaft | |
ausgerichtet werden. Dabei sollen Qualifikation, das Alter, | |
Sprachkenntnisse, der Nachweis eines Arbeitsplatzangebots und die Sicherung | |
des Lebensunterhalts „in angemessener Weise berücksichtigt“ werden. | |
## Auch Seehofer gegen Spurwechsel | |
[4][Von Spurwechsel ist in Seehofers Papier keine Rede.] Allerdings bietet | |
eine Formulierung Interpretationsspielraum. Zur Fachkräftesicherung müssten | |
alle ihren Beitrag leisten, heißt es in dem Papier: „Dazu gehört auch, die | |
Potenziale der Personen mit Fluchthintergrund, die eine Beschäftigung | |
ausüben, für unseren Arbeitsmarkt zu nutzen.“ Auch Seehofer sprach sich | |
allerdings inzwischen gegen den Spurwechsel aus. | |
In der Union befürchten viele, dass ein Spurwechsel wie ein „Pull-Faktor“ | |
wirken, also eigentlich chancenlose AsylbewerberInnen ins Land locken | |
könnte. Um dieses Argument zu entkräften, haben die SPD-Innenpolitiker Eva | |
Högl und Burkhard Lischka eine Stichtagsregelung vorgeschlagen. Demnach | |
bekämen gut integrierte AusländerInnen, die zum 1. August 2018 bereits in | |
einem Ausbildungsverhältnis oder in einem sozialversicherungspflichtigen | |
Arbeitsverhältnis standen, einen regulären Aufenthaltstitel. Nach dem | |
Stichtag könnten keine Arbeitsverhältnisse mehr geschlossen werden. So sei | |
Missbrauch ausgeschlossen. | |
Merkel verwies in dem Interview auf eine bestehende Aufenthaltsregelung für | |
Geduldete, die nach einer Ausbildung zwei Jahre hier arbeiten dürfen. Zudem | |
sei man mitten in der Diskussion über ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, | |
betonte Merkel. Dies sei „ein Riesenschritt für die Union“, nachdem sie | |
sich jahrzehntelang dagegen gesperrt habe. Man sehe, dass das notwendig | |
sei, sagte Merkel. Auch Parteien seien lernfähig. | |
27 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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