# taz.de -- Merkel und Seehofer im Sommerinterview: Anwesend abwesend | |
> Angela Merkel und Horst Seehofer sind zurück aus der Sommerpause. Aber | |
> waren sie eigentlich wirklich weg? Olaf Scholz ist jedenfalls präsent. | |
Bild: Die Sommerpause ist vorbei: Merkel, Seehofer und Scholz sind auch wieder … | |
BERLIN taz | Angela Merkel sitzt wie selbstverständlich da, mit blauem | |
Blazer, den umständlichen Sätzen, dem verbindlichen Ton. Das ARD-Interview | |
beendet offiziell die Sommerpause. War sie, die ewige Kanzlerin, eigentlich | |
wirklich weg? | |
Der 20-Minuten Auftritt ist Merkel pur, professionell, sattelfest in jedem | |
Thema von der Rente bis zur sächsischen Polizei, von der | |
Dienstpflicht-Debatte über das Einwanderungsgesetz für Fachkräfte bis zum | |
Kohleausstieg. Sie verteidigt – für ihre Verhältnisse energisch – die | |
Unabhängigkeit der Gerichte [1][wegen des Falls Sami A.] Der | |
CDU-Innenminister in NRW hatte Richtern geraten, gefälligst so zu urteilen, | |
dass es dem Rechtsempfinden des Volkes entspricht. Ein Satz, der den Weg in | |
die postdemokratische Hölle öffnet. „Wenn die Unabhängigkeit der | |
Institutionen nicht gewahrt wird, dann wäre die Demokratie nicht mehr | |
vollständig“, sagt die Kanzlerin. Von Merkelistisch ins Deutsche übersetzt | |
heißt das wohl: So auf keinen Fall. | |
Merkel strahlt in Grundsatzfragen etwas Ziviles aus – und zwar, nunja, | |
deutlicher als zu Beginn ihrer Kanzlerschaft. Zur von der | |
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer inszenierten Debatte um | |
eine Dienstpflicht für Jüngere, die die vernachlässigten konservativen | |
Werte bedienen soll, merkt die Kanzlerin an, es sei ja noch nicht mal genug | |
Geld für jene da, die freiwillig ein soziales Jahr machen wollen. In der | |
Disziplin, forsche Initiativen in Watte laufen zu lassen, ist sie schwer zu | |
schlagen. | |
Die Nachricht aus diesem Interview lautet: Merkel tritt der SPD beim Thema | |
Rente vor das Schienbein. Olaf Scholz will – einer etwas plötzlichen | |
Eingebung folgend – das [2][Rentenniveau bis 2040 garantieren], ohne das | |
Rentenalter zu erhöhen. Die SPD solle „bitte keine Unsicherheit bei der | |
Rente schüren“, so Merkel. Das vertauscht die Rolle: Scholz, der | |
Rentenretter, wird zum unsoliden Parteipolitiker, der aus Wahlkampfkalkül | |
Unsicherheit schürt. Das hat die Kanzlerin so nicht über ihren Vize gesagt. | |
Aber irgendwie doch. | |
## Auch Seehofer ist zurück | |
Auch Horst Seehofer ist zurück. Das ZDF hat ihn auf einen Sportplatz in | |
Ingolstadt platziert, wo der Innenmister in jungen Jahren mal Handball | |
gespielt hat. Vielleicht hilft so etwas im bayerischen Wahlkampf. | |
Allerdings bleibt dieses Setting erstaunlich anekdotenfrei. Denn mehr als | |
das – hier hat der Innenminister Handball gespielt – ist nicht zu erfahren. | |
Dafür eiserne Wahrheiten: „Migration ist die wichtigste Frage für ganz | |
Deutschland“, sagt Seehofer. Alle Meinungsfragen zeigen, dass die | |
BürgerInnen Rente und Bildung viel wichtiger finden. Seehofer irritiert das | |
nicht. Den [3][Zoff um die Flüchtlingspolitik], den er vom Zaun brach, hat | |
der AfD genutzt und liberale CSUler in Bayern Richtung Grüne vertrieben. | |
Doch Seehofer beteuert, er würde „alles wieder genau so machen“. | |
Seehofer benutzt bei der Rente die gleichen Worte wie Merkel (die SPD | |
„verunsichere die Bürger“), aber ihn bewegt nur Flüchtlingspolitik. Beim | |
[4][BAMF-Skandal], der keiner war, sei er „gejagt worden“, als er | |
Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen wollte, sei er als „Nazi und | |
Terrorist“ beschimpft worden. Die verfolgte Unschuld. Vielleicht ist das | |
schon die Legende für den Fall, dass Seehofer nach der Niederlage der CSU | |
in Bayern gefeuert wird. Merkel vermeidet es übrigens, sich selbst als | |
Opfer zu inszenieren. | |
## Scholz ist sonnengebräunt | |
Olaf Scholz dagegen sitzt Sonntagnachmittag sonnengebräunt und mit offenem | |
Hemdkragen in der Bundespressekonferenz. Es der Tag der offenen Tür – | |
BürgerInnen, nicht Journalisten stellen die Fragen. Vor allem zur Rente. | |
„Wer mit 17 Jahren beginnt und 50 Jahre arbeitet“ müsse auch in Zukunft | |
sicher sein, eine ausreichende Rente zu bekommen, so Scholz. Er bekennt | |
sich nebenbei zum Keynesianismus (jetzt sparen, in der Krise, wie 2008, | |
Geld ausgeben). Für rechte Sozialdemokraten wie Scholz ist alles | |
Bekenntnishafte eigentlich unstatthaft, Pragmatismus geht ja über alles. | |
Vom Typus her ähnelt er Merkel: sachlich, kühl, ein Verwalter mit | |
ausgeprägtem Hang zu Allgemeinplätzen. Mit dem Versprechen, die Renten bis | |
2040 auf dem jetzigen Niveau zu halten, geht Scholz, der Risikoscheue, ein | |
Risiko ein. Er wirkt, anders als Merkel und Seehofer, anders als vor der | |
Sommerpause, lebendiger, aufgeräumter. | |
SPD-Politiker gehen oft als überzeugte Sozialdemokraten in die Regierung | |
und kommen als Technokraten wieder heraus. Will Scholz der erste sein, der | |
als Technokrat in Regierung geht und als Minister zum Sozialdemokraten | |
wird? Eine schöne Geschichte. Vielleicht zu schön, um sie zu glauben. Falls | |
Scholz damit ernst macht, wird das Ärger mit Merkel geben. In der | |
Disziplin, forsche Initiativen in Watte laufen zu lassen, ist sie schwer zu | |
schlagen. | |
27 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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