# taz.de -- Rentenvorstoß der SPD: Scholz macht Schrittchen nach links | |
> Profilierungsversuch der SPD in der Großen Koalition: Finanzminister Olaf | |
> Scholz will das Rentenniveau bis 2040 stabilisieren. Doch er bleibt vage. | |
Bild: Will sich mit der Rente profilieren: Finanzminister Olaf Scholz | |
BERLIN taz | Olaf Scholz ist nicht für heißblütiges Vorpreschen bekannt. | |
Nüchtern praktiziert der sozialdemokratische Finanzminister bisher das | |
Prinzip des geräuschlosen Regierens. Nur wenn die SPD beweise, dass sie mit | |
Geld umgehen könne, also strikte Haushaltsdisziplin bewahre, werde sie von | |
den BürgerInnen ernst genommen, lautet sein Credo. Nur durch | |
Verlässlichkeit komme die SPD als Alternative fürs Kanzleramt in Frage. | |
Umso mehr überrascht [1][Scholz’ Ankündigung einer Rentenreform], die viele | |
Milliarden Euro kosten könnte. „Wir werden darauf bestehen, dass die | |
Bundesregierung ein stabiles Rentenniveau auch in den 20er- und 30er-Jahren | |
gewährleistet und ein plausibles Finanzierungsmodell vorlegt“, sagte Scholz | |
der Bild am Sonntag. Das habe für die SPD hohe Priorität. „Stabile Renten | |
verhindern einen deutschen Trump.“ | |
Mehr noch: Falls die Union nicht mitzieht, droht Scholz unverhohlen mit | |
einem Rentenwahlkampf bei der nächsten Bundestagswahl: Dann entschieden die | |
BürgerInnen diese Frage mit ihrem Kreuz auf dem Stimmzettel, so der SPDler. | |
Der Vorstoß ist ein Versuch, die SPD kantiger zu profilieren. Scholz, im | |
Nebenjob Vizekanzler, und Parteichefin Andrea Nahles bilden das | |
Machtzentrum der Partei. Sie müssen das Regierungsgeschäft managen, | |
gleichzeitig aber ein bisschen Opposition betreiben, um erkennbar zu | |
bleiben. Das Bemühen um Letzteres ist deutlich zu erkennen: Nahles schlug | |
am Wochenende vor, Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger | |
abzuschaffen. Außerdem kündigte sie an, abgelehnten, aber gut integrierten | |
Asylbewerbern mit einem Job das Bleiben zu ermöglichen. Die SPD werde den | |
Spurwechsel durchsetzen. | |
## Hin zur eigenen Agenda | |
Scholz’ Vorstoß passt ins Bild. Botschaft: Die SPD schärft ihr | |
sozialpolitisches Profil – und setzt sich für Forderungen ein, die nicht im | |
Koalitionsvertrag stehen. Weg von den Spiegelstrichen, hin zu einer eigenen | |
Agenda. Scholz und Nahles stehen unter Druck. In der SPD ist die Groko nach | |
wie vor umstritten, das Bedürfnis nach einem linkeren Sound ist groß. | |
Entsprechend gut kommen die Absetzbewegungen an. „Es ist gut, dass | |
Vizekanzler Olaf Scholz einen markanten Punkt in der Debatte gesetzt hat“, | |
sagte Fraktionsvize Katja Mast. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf | |
Stegner schrieb auf Twitter, es zeichne sich eine politische Kontroverse | |
mit Konservativen und Liberalen über die langfristige Sicherung des | |
Rentenniveaus ab. „Nach einem langen Arbeitsleben muss es in der Regel | |
möglich sein, den Lebensstandard zu halten.“ Das sei eine Frage des | |
Respekts vor Lebensleistung. | |
Aus der Union kam umgehend Kritik. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) schoss | |
in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe in Richtung Scholz: „Für die Arbeit | |
der Kommission ist es nicht gut, wenn nun von Seite des Koalitionspartners | |
weitgehende Forderungen gestellt werden, die auch noch mit der Überlegung | |
verknüpft werden, dass im Jahr 2021 ein Rentenwahlkampf geführt werden | |
soll, falls diese nicht erfüllt werden.“ Kanzlerin Angela Merkel ließ am | |
Montag über ihren Sprecher ausrichten, dass das „klare Ziel“ soziale | |
Sicherheit für alle Generationen sei. Sie wolle aber der Arbeit der | |
Regierungskommission nicht vorgreifen. | |
## Überbietungswettbewerb befürchtet | |
In der Tat hat Scholz’ Vorstoß einige Schwächen. Union und SPD haben im | |
Koalitionsvertrag festgelegt, dass ein Rentenniveau von 48 Prozent bis zum | |
Jahr 2025 garantiert wird. Außerdem sollen die Beiträge für die | |
Arbeitnehmer zur Finanzierung der Renten bei 20 Prozent stabilisiert | |
werden. Wie das Rentenniveau nach 2025 aussehen könnte, soll eine | |
Expertenkommission klären – in der zum Beispiel auch SPD-Frau Mast sitzt. | |
Scholz greift also den Vorschlägen der Kommission vor. | |
Außerdem sind seine Sätze hinreichend weich formuliert, um Spielraum zu | |
lassen. Scholz schweigt zum Beispiel zur Höhe des Rentenniveaus. Jene aber | |
ist die entscheidende Stellschraube, weil von ihr die Kosten für den Staat | |
und die Höhe der Renten abhängen. Auch zu der Frage eines Rentenwahlkampfes | |
gab es in der SPD unterschiedliche Ansichten. Ein Streit über das | |
Rentenniveau führe zu „einem reinen Überbietungswettbewerb und wird zu | |
teuer“, sagte eine wichtige Sozialdemokratin im Jahr 2016: Andrea Nahles, | |
damals noch Sozialministerin. | |
20 Aug 2018 | |
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[1] /Die-Woche/!5525689 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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