| # taz.de -- Die Gebeine von Spaniens Ex-Diktator: Streit um das Grab von Franco | |
| > Die sterblichen Überreste von Francisco Franco liegen in einer | |
| > monumentalen Grabstätte nahe Madrid. Die Regierung will sie nun umbetten. | |
| Bild: Ins Valle de los Caídos pilgern Faschisten und Franco-Anhänger, denen d… | |
| San Lorenzo de El Escorial taz | „Wahrheit, Gerechtigkeit, | |
| Wiedergutmachung“ steht auf einem der Transparente. Etwa 150 Menschen haben | |
| sich an diesem Julitag hier in den Bergen nahe der spanischen Hauptstadt | |
| Madrid versammelt, um an der Abzweigung zum Mausoleum Valle de los Caídos | |
| zu protestieren. An diesem „Tal der Gefallenen“ entzünden sich seit Langem | |
| Diskussionen, die ein Vorhaben von Spaniens neuer Regierung nun neu | |
| entfacht hat. | |
| Hier, in einem malerischen Gebirgskessel, befindet sich nämlich seit 1959 | |
| eine in den Fels gehauene Basilika. In ihrem Innenraum liegt nicht nur der | |
| Gründer der Faschistenpartei Falange, José Antonio Primo de Rivera, | |
| begraben. Vor dem Hauptaltar ist seit 1975 der langjährige Diktator General | |
| Francisco Franco beerdigt, der den Bau des Monuments mit einem 153 Meter | |
| hohen Kreuz einst selbst in Auftrag gab. | |
| In den Jahren der Diktatur wurden hier zudem die Überreste von 31.000 | |
| Gefallenen beider Seiten aus dem spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) in | |
| Felsgalerien bestattet, nachdem man sie aus Massengräbern geholt hatte. Für | |
| Franco war das eine Art der Aussöhnung. | |
| Seit mehreren Wochen nun kommt es immer wieder zu Kundgebungen in und am | |
| Valle de los Caídos. Denn der einbalsamierte Leichnam des Diktators soll | |
| noch in diesem Sommer aus der Basilika entfernt und der Familie übergeben, | |
| das Monument anschließend zur Gedenkstätte für die Kriegsopfer werden. So | |
| hat es die im Juni per Misstrauensvotum an die Macht gekommene Regierung | |
| des Sozialisten Pedro Sánchez angekündigt. | |
| ## Junge und alte Ewiggestrige | |
| Leicht wird das nicht. Denn die Franco-Familie wehrt sich ebenso wie der | |
| Prior des Benediktinerkloster, dem die Basilika untersteht. Die | |
| Umbettungspläne nennen sie „Profanierung der Grabstätte“. Das Vorhaben | |
| brachte die Franco-Anhänger auf den Plan: [1][Junge und alte Ewiggestrige] | |
| versammelten sich nur wenige Tage nach der Ankündigung im Juni mit | |
| Faschistengruß und -fahnen zur Messe am Grab des Diktators. | |
| Die Befürworter der Umbettung zogen nach und protestierten ebenfalls – wie | |
| an diesem Julitag an der Abzweigung zum Valle de los Caídos. „Denn ein | |
| solches faschistisches Denkmal wäre in Deutschland oder Italien undenkbar“, | |
| erklärt Javier Sáenz, warum er vor Ort für die Verlegung des Grabs | |
| einsetzt. Der 65-jährige pensionierte Redakteur des öffentlichen Fernsehens | |
| TVE gehört zur „Comuna“, der Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener | |
| und Exilierten aus der Zeit des Franco-Regimes. | |
| Sáenz war Mitglied der antifranquistischen Oppositionsorganisation FRAP und | |
| ging im Spätsommer 1975 nach Toulouse ins Exil. „Kurz bevor Franco drei | |
| unserer Genossen und zwei der baskischen Organisation ETA hinrichten ließ“, | |
| sagt er. Es waren die letzten Erschießungen unter Franco, der am 20. | |
| November 1975 – anders als seine einstigen Verbündeten Hitler und Mussolini | |
| – friedlich im Bett verstarb. | |
| „Wenn es nach mir ginge, würde ich das Kreuz am liebsten sprengen“, sagt | |
| Sáenz. Dann fügt er schnell hinzu: „Nein, es wäre besser, das Monument nach | |
| der Umbettung von Franco zur Gedenkstätte für die [2][Opfer der Diktatur] | |
| zu machen.“ Eine halbe Million Menschen kamen bei dem Putsch Francos und | |
| dem anschließenden Bürgerkrieg 1936 bis 1939 gegen die demokratische | |
| Republik um. [3][Über 100.000 Opfer liegen bis heute irgendwo in | |
| Massengräbern], auf Friedhöfen und in den Straßengräben des Landes. | |
| ## Meistbesuchtes Monument Spanies | |
| Mit 400.000 Besuchern jährlich ist die von Zwangsarbeitern in den Fels | |
| getriebene Basilika das meistbesuchte Monument Spaniens und wird nur allzu | |
| gern auch von Rechtsextremen und Franco-Fans aufgesucht. Der 22-jährige | |
| Borja Valero etwa will heute „das Grab sehen, bevor es entweiht wird“. Der | |
| Arbeitslose ist mit zwei Freunden eigens aus der mehr als vier | |
| Autobahnstunden entfernten Mittelmeerstadt Valencia angereist. | |
| Valero verlangt „Respekt“, verteidigt sogar die Diktatur. Schließlich habe | |
| Franco für Spanien „Großes geleistet“, habe die Sozialversicherung | |
| eingeführt, sagt Valero. Der Umbettungsplan sei ein „Racheakt der Roten, | |
| die nicht wollen, dass der Staatschef zusammen mit den ihrigen beerdigt | |
| liegt“, so der Mann, dessen Hals und Brust eine Rosenkranztätowierung | |
| ziert. „Hätte Franco mit seinem Putsch keinen Erfolg gehabt, wäre Spanien | |
| heute ein Land wie Venezuela“, sagt Valero, bevor er in die Basilika geht. | |
| Doch längst nicht alle Ausflügler kommen, um dem Diktator Ehre zu erweisen. | |
| „Ich bin nicht wegen Franco hier, sondern wegen all der Menschen, die beim | |
| Bau des Monuments ums Leben gekommen sind, und natürlich nicht zuletzt | |
| wegen der herrlichen Landschaft“, sagt zum Beispiel die 48-jährige | |
| Informatikerin Nani Serrano. | |
| Unter dem riesigen, in Stein gehauenen Staatswappen der Franco-Zeit neben | |
| dem Eingang der Basilika macht Matea mit ihrer Familie Erinnerungsfotos. | |
| „Mein Großvater ist einer derjenigen, dessen Überreste hierher gebracht | |
| wurden“, berichtet die 61-jährige Psychologin, die ihren Nachnamen nicht | |
| preisgeben will. Der liberale Republikaner sei Bürgermeister in einem Ort | |
| in Zentralspanien gewesen. | |
| ## „Demokratische Hygiene“ | |
| „Als der Bürgerkrieg begann, wurde er von linken Milizionären ermordet. | |
| Wäre das nicht passiert, hätten ihn irgendwann wohl die Faschisten | |
| umgebracht“, ist sich Matea sicher. Die Psychologin will, das alles bleibt, | |
| wie es ist. „Mir geht es nicht um Sieger und Besiegte, sondern um | |
| Aussöhnung“, sagt Matea. Und die habe mit dem Übergang zur Demokratie nach | |
| Francos Tod stattgefunden. „Wer daran rührt, der macht das aus | |
| parteipolitischen Interessen“, wirft sie Ministerpräsident Sánchez vor. | |
| Unten an der Abzweigung geht mittlerweile die Kundgebung zu Ende. Ana | |
| Iglesias, deren Großvater im Gefängnis starb und deren Onkel jahrelang als | |
| „Roter“ in Haft saß, ist mit der Geschichtsinterpretation von Matea nicht | |
| einverstanden: „Beim Übergang zur Demokratie wurde alles getan, was damals | |
| möglich war. Aber das ist nicht genug.“ Die Umwandlung zur Gedenkstätte sei | |
| „eine Frage der demokratischen Hygiene“. | |
| Immer wieder hupen vorbeifahrende Autos den Demonstranten zu. Einer der | |
| Beifahrer grüßt mit erhobener Faust. Iglesias winkt sichtlich gerührt | |
| zurück. | |
| 29 Jul 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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