| # taz.de -- Kindesraub während Franco-Diktatur: Schuldig, aber nicht verurteilt | |
| > Hunderttausende Babys wurden in Spanien ihren Eltern entrissen und | |
| > verkauft. Nun ist das erste Urteil gegen den Chefarzt einer Geburtsklinik | |
| > gefallen. | |
| Bild: Inés Madrigal war eines der gestohlenen Babys während der Franco-Diktat… | |
| Das Provinzgericht in Madrid erließ am Montagfrüh ein lang erwartetes | |
| Urteil im Falle eines gestohlenen Babys. Der angeklagte Gynäkologe Eduardo | |
| Vela sei der „Entführung eines Minderjährigen“, der „Kindesunterschiebu… | |
| sowie der „Urkundenfälschung“ schuldig. Dennoch wurde der 85-jährige Arzt | |
| nicht verurteilt, denn die Verbrechen seien alle verjährt, so die Richter. | |
| Das Gericht sah es als „zweifellos erwiesen“ an, dass [1][die Klägerin In�… | |
| Madrigal] ihrer leiblichen Mutter direkt nach der Geburt weggenommen und an | |
| ihre Adoptivmutter Inés Pérez übergeben worden war. Als Beweis dienten die | |
| Aussagen der 2016 verstorbenen Pérez selbst. | |
| Madrigals Geburtsurkunde ist dennoch auf den Namen ihrer Adoptiveltern | |
| ausgestellt. Die Unterschrift stammt von Doktor Vela. Die Kindesentführung | |
| sei allerdings 1997, zehn Jahre nachdem das Opfer volljährig geworden war, | |
| verjährt, so die Madrider Richter. Madrigal klagte erst 2012. | |
| Die Staatsanwaltschaft hatte 11 Jahre Haft für den Frauenarzt Vela | |
| gefordert, die Nebenklage 13 Jahre. Es handelt sich um den ersten | |
| Richterspruch im Falle eines gestohlenen Babys. | |
| ## Viel Geld floss an Ärzte und Kirche | |
| In Spanien wurden von den 1940er bis hinein in die 1990er Jahre [2][über | |
| 300.000 Kinder ihren leiblichen Müttern weggenommen] und an andere Familien | |
| verkauft. In den ersten Jahren der Diktatur unter General Francisco Franco | |
| (1939 bis 1975) erlitten rund 30.000 Kinder dieses Schicksal. Die | |
| leiblichen Mütter waren meist politische Gefangene, die Adoptiveltern | |
| regimetreue Paare. | |
| Was aus ideologischen Motiven begann, wurde schnell zum guten Geschäft, | |
| nicht nur in Madrid. Es flossen hohe Geldbeträge an die Ärzte sowie an die | |
| Kirche. Denn meist vermittelten Nonnen zwischen Klinik und den kaufenden | |
| Paaren. Auch dem Chefgynäkologen der Madrid Geburtsklinik San Ramón, Vela, | |
| stand eine Nonne zur Seite. Auch gegen sie wurde ermittelt, allerdings | |
| verstarb sie 2013. | |
| Opfer wurden schon bald junge, alleinstehende Schwangere aus einfachen | |
| Verhältnissen. Frauen wie Madrigals Adoptivmutter warteten in einem | |
| Nebenzimmer, mit künstlich ausgestopftem Schwangerschaftsbauch auf die | |
| Geburt. Sie entfernten die Kissen unter ihrer Kleidung und verließen als | |
| „Mutter“ die Klinik. | |
| Klägerin Madrigal bewertet das Urteil als positiv, obwohl Vela nicht hinter | |
| Gitter muss. „Wir stehen vor einem Meilenstein in Europa, ja vielleicht | |
| sogar weltweit. Es ist das erste Urteil im Falle der gestohlenen Babys, das | |
| anerkennt, dass es tatsächlich Kindsraub gab, dass ich meinen Eltern | |
| entrissen wurde“, sagte die 49-Jährige. | |
| Gegen das Urteil kann Widerspruch eingelegt werden. Madrigal kündigte nach | |
| der Verkündung an, dass sie vor den Obersten Gerichtshof ziehen will. Ihre | |
| eigentliche Familie hat Madrigal bis heute nicht gefunden. Alle Vermutungen | |
| wurden durch entsprechende DNA-Tests zunichte gemacht. | |
| 8 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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