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# taz.de -- Aufarbeitung der Franco-Diktatur: Beisetzung nach 78 Jahren
> Knapp zwei Dutzend Opfer der Franco-Diktatur finden ihre letzte
> Ruhestätte. Doch noch immer bremst die spanische Justiz die Aufarbeitung.
Bild: Letzte Ehre: Nach Jahrzehnten haben die Angehörigen einen Ort zum Trauern
Madrid taz | María Carmen Gayoso stehen Trauer und Erleichterung ins
Gesicht geschrieben. Sie deutet auf das Grab ihrer Familie auf dem Friedhof
von Guadalajara, einer Stadt 60 Kilometer östlich der spanischen Hauptstadt
Madrid. „Endlich konnte ich meinen Urgroßvater und meinen Großonkel
beisetzen“, sagt die Herausgeberin eines Werbeblatts in Valencia.
Urgroßvater Jesus Sánchez Cortés und Großonkel Contancio Sánchez Valero
wurden am 25. Oktober 1939 von den Faschisten unter General Francisco
Franco standrechtlich erschossen und in einem Massengrab verscharrt. Ihr
Verbrechen: Beide waren „Rote“: der Urgroßvater Sozialist und
Gemeinderichter in seinem Heimatort Armuña de Tajuña, sein Sohn
Gewerkschafter und Kommunist.
Von 250 Einwohnern erlitten 20 das Schicksal der beiden Sánchez. Darunter
auch der Großvater von María Carmen Gayoso. „Er liegt hier im Massengrab
Nummer 9“, sagt die Enkelin. Damit nicht genug: Eine Tante versteckte sich
die ganze Diktatur über in Zaragoza, ein Onkel wurde seiner Heimat
verwiesen und fristete sein Leben in Barcelona. „Beide starben, ohne je zu
wissen, wo die Leichname ihres Vaters und Bruders geblieben waren. Jetzt
liegen sie alle im Familiengrab“, sagt Gayoso.
Die Beisetzung beendet einen langen Pfingstsamstagmorgen voller Gefühle.
Alles begann im festlichen Saal der Kreisverwaltung von Guadalajara mit
einer Feierstunde. Die beiden Kisten mit den Überresten von Jesús und
Constancio Sánchez standen mit 20 weiteren aufgereiht am Rande der Bühne.
Auf jeder ein dunkellila Tuch, eine weiße Nelke, ein Foto; auf einem Tisch
kleine Holzschachteln mit den Namen der Opfern und persönlichen
Gegenständen, die bei den Resten gefunden worden waren.
Die Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH)
übergab die sterblichen Überreste der 22 Opfer des Franquismus. Sie plus
drei weitere identifizierte Opfer sowie 25, deren Identität noch nicht
endgültig feststeht, stammen aus dem Massengrab Nummer 1 und 2 auf dem
Friedhof in Guadalajara. Die Archäologen der ARMH hatten sie vor einem Jahr
geöffnet.
## Amnestie als Vorwand
Das ist nicht etwa der Verdienst der spanischen Justiz. Diese weigert sich
bis heute, die Familien der über 100.000 verschwundenen Opfer der
Repression im Bürgerkrieg und in den ersten Jahren der Diktatur zu
unterstützen. Als Begründung dient die 1977 erlassene Amnestie für alle
faschistischen Verbrechen. Ascensión Mendieta, Tochter des Gewerkschafters
Timoteo Mendieta, bat deshalb die argentinische Justiz um Hilfe. Im Alter
von 88 Jahren flog sie über den Atlantik und fand bei Richterin María
Servini Gehör. Das argentinische Gesetz erlaubt es, weltweit Verbrechen
gegen die Menschlichkeit zu verfolgen, wenn die Opfer zu Hause keine
Gerechtigkeit finden.
Die Familie Mendieta erwirkte ein internationales Hilfegesuch für die
Exhumierung. Dem Gericht in Guadalajara blieb nichts anderes übrig, als die
Grabungen zu genehmigen. Für die Kosten kam nicht etwa der spanische Staat
auf, sondern die ARMH mit Spenden einer norwegischen Gewerkschaft. Die
konservative Regierung unter Mariano Rajoy hat alle Zuwendungen an
Organisationen, die Opfer des Franquismus suchen, gestrichen. Gleichzeitig
gibt es staatliche Hilfen für die Angehörigen von Opfern der aufgelösten
baskischen Separatistenorganisation ETA. „Es wird Zeit, dass in diesem Land
alle Opfer gleichbehandelt werden“, erklärte der Vorsitzende und Gründer
der ARMH, Emilio Silva im Festsaal unter Applaus.
21 May 2018
## AUTOREN
Reiner Wandler
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Spanien
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