Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Frauen in Spaniens Franco-Diktatur: Die vergessene Hälfte
> Nur Männer unter den Opfern? Spanien beginnt sich endlich an die Frauen
> zu erinnern, die von der Diktatur Francos verfolgt wurden.
Bild: So sieht Spaniens Erinnerung aus: der Valle de los Caídos, Francos Grabs…
MADRID taz | Die Künstlergeneration von 1927 ist präsent in Spaniens
Hauptstadt Madrid. Der Schriftsteller Federico García Lorca hat ein Denkmal
in der Altstadt, sein Dichterkollege Rafael Alberti eine breite Avenida,
der Maler Salvador Dalí einen Platz und der Cineast Luis Buñuel eine
Straße. „Doch wo sind die Frauen dieser äußerst kreativen Generation?“,
fragt Kulturdezernentin Celia Mayer. Sie fehlen gänzlich im Straßenbild.
„Dabei waren sie so große Künstlerinnen und Schriftstellerinnen wie ihre
männliche Kollegen“, ist sich Mayer sicher.
Die 34-jährige ehemalige Aktivistin aus einem besetzen Sozialzentrum gehört
zur Madrider Stadtregierung unter Bürgermeisterin Manuela Carmena. Die
bekannte Richterin steht Ahora Madrid, einer Bürgerliste unter Beteiligung
von Podemos, vor.
Jetzt endlich soll Schluss sein mit dem „Gender-Handicap im Straßenbild“.
Die Stadt Madrid wird eine Reihe von Gedenktafeln für die vergessenen
Frauen der 27er Generation anbringen lassen. Die erste ist bereits
pünktlich zum Frauentag enthüllt worden. Sie ziert das Gebäude, das in den
1920er Jahren ein Studentinnenwohnheim, das Lyceum Club Femenino,
beherbergte. Wie auch bei den männlichen Mitgliedern der Künstlergeneration
war das Wohnheim für die Frauen Brennpunkt der Bewegung. Hier wurde
debattiert, geschrieben, gemalt und aufgeführt.
Sieben weitere Gedenktafeln sollen bis zum Jahresende folgen. Jede ist
einer einzelnen Frau gewidmet. „Es war eine künstlerisch kreative
Generation, aber die Frauen waren auch politisch sehr aktiv. Viele wurden
nach dem Bürgerkrieg von der Diktatur verfolgt, kamen ins Gefängnis oder
gingen ins Exil“, sagt Mayer.
## Hinter der Erinnerung steht die Forschung
Die Idee, die Frauen der 27er Generation zu ehren, geht auf Nachforschungen
einer Historikerin aus Barcelona, Tània Balló, zurück. Sie veröffentlichte
ein Buch und einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Las sin sombreros“ – „…
ohne Hut“. Unter den in Vergessenheit geratenen Frauen, die künftig einen
Ort im Straßenbild Madrids haben werden, ist auch die Anwältin und
Abgeordnete Victoria Kent.
Sie war die erste Frau weltweit, die als Verteidigerin vor einem
Militärgericht auftrat. Wie viele Intellektuelle ihrer Generation ging Kent
ins Exil, um der Diktatur von General Francisco Franco, der 1936 gegen die
Republik putschte, zu entkommen. Zu Hause wurde sie fortan totgeschwiegen.
Ganz typisch für die vergessenen 27er sind die Malerin Maruja Mallo und die
Schriftstellerin María Lejárraga. Während kaum jemand in Spanien Mallo
kennt, und selbst ihre einstigen Kollegen wie Salvador Dalí sie
ignorierten, wurde die surrealistische Malerin aus Galicien in
Lateinamerika und den USA gefeiert und oft mit der mexikanischen Malerin
Frida Kahlo verglichen.
## Erschienen unter dem Namen des Mannes
„Vor allem bei den Schriftstellerinnen war es oft so, dass ihre
Lebenspartner bekannt wurden und sie nicht“, erklärt Mayer und denkt dabei
an Frauen wie María Lejárraga. Die Feministin und sozialistische
Abgeordnete im Parlament der Republik veröffentlichte nur ein Kinderbuch
unter ihrem Namen. Und das, obwohl sie einen Theaterbestseller nach dem
anderen schrieb. Doch die erschienen unter dem Namen ihres Mannes: Gregorio
Martínez Sierra. Er verstand sich hervorragend darauf, die Stücke zu
vermarkten und sie in Madrid zu Erfolgen zu machen.
Erst als Martínez Sierra seine Frau für eine junge Schauspielerin verließ
und deren gemeinsame Tochter auch noch die Autorenrechte als Erbe
einklagte, ging Lejárraga an die Öffentlichkeit. „Gregorio und ich. Ein
halbes Jahrhundert der Zusammenarbeit“, heißt das Buch, in dem sie über die
ungleiche Beziehung berichtet. Lejárraga verstarb 1974, ein Jahr vor dem
Ende der Franco-Diktatur, in Buenos Aires.
Seit 1990 werden in Madrid die gelben, rautenförmigen Gedenktafeln
angebracht. Madrid wurde von 1991 bis 2015 von der konservativen Partido
Popular regiert. Ein Blick auf die Tafeln spricht für sich: 275 sind
Männern gewidmet und 32 Frauen. „Darunter sind fünf Stierkämpfer, aber nur
zwei Pädagogen, und elf religiöse Persönlichkeiten, aber nur sieben
Wissenschaftler“, so Mayer.
Bei den Straßennamen sieht es nicht anders aus. Nur ein Fünftel der
Persönlichkeiten, derer gedacht wird, sind Frauen. Dieses Missverhältnis
hat sich auch in den vergangenen Jahren des Baubooms nicht geändert. Seit
2000 wurden 350 neue Straßen bekannten Persönlichkeiten gewidmet – auch
hier nur ein Viertel Frauen. Und 83 Prozent der Frauen, die ihren Namen
einer Straße in Madrid gegeben haben, sind religiöse Persönlichkeiten:
„Heilige“ oder „Jungfrauen“.
In den kommenden Monaten sollen nun eine ganze Reihe von Straßen in
Spaniens Hauptstadt umbenannt werden. Bisher tragen sie die Namen von
Vertretern oder historischen Ereignissen der Franco-Diktatur. Aber auch die
unabhängige Jury, die eine erste Liste zur Neubenennung zusammengestellt
hat, belegte nur eine der 27 Straßen mit dem Namen einer Frau.
Kulturdezernentin Mayer und Bürgermeisterin Carmena baten um eine
Überarbeitung.
22 Mar 2017
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Francisco Franco
Spanien
Frauen
Theater
Gender
Francisco Franco
Vaterschaft
Franco
## ARTIKEL ZUM THEMA
Theaterstück „Bernarda Albas Haus“: Von der Mutter eingesperrt
Ein erschütternder, provokanter Abend über Geschlechterrollen und Gewalt:
„Bernarda Albas Haus“ am Hamburger Schauspielhaus.
Historikerin über weibliche Straßennamen: „Keine Petitesse!“
In Hamburg werden drei neue Straßen nach Frauen benannt. Die Historikerin
Rita Bake über Symbolpolitik, die keine ist.
Aufarbeitung der Franco-Diktatur: Beisetzung nach 78 Jahren
Knapp zwei Dutzend Opfer der Franco-Diktatur finden ihre letzte Ruhestätte.
Doch noch immer bremst die spanische Justiz die Aufarbeitung.
Kommentar Später Abstammungstest: Dalí muss zum Vaterschaftstest
Ein Gericht in Madrid lässt die Leiche des surrealistischen Künstlers
exhumieren. Eine Katalanin behauptet, seine Tochter zu sein.
Autor über den Spanischen Bürgerkrieg: „Ein außergewöhnlicher Moment“
Vor 80 Jahren erlebte Spanien ein anarchistisches Experiment, das von
rechten Putschisten beendet wurde. Autor Heleno Saña erinnert sich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.