Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aufarbeitung des Spanischen Bürgerkriegs: Hoffen auf ordentliche B…
> Der faschistische Diktator Franco ließ viele politische Gegner in seinem
> Mausoleum bestatten. Hinterbliebene der Opfer gehen dagegen vor.
Bild: Faschistische Gedenkstätte Valle de los Caídos mit Francos Mausoleum
Madrid taz | Zwölf lange Jahre hat Miguel Angel Capapé auf diesen Moment
hingearbeitet, jetzt scheint er zu kommen: Die Exhumierung darf beginnen.
Der Mann aus einem Dorf unweit der spanischen Stadt Saragossa spricht für
dutzende Familien. Sie alle wollen die sterblichen Überreste ihrer
Angehörigen zurück, die im Spanischen Bürgerkrieg von Faschisten ermordeten
wurden.
Bisher wurden sie nicht auf einem Friedhof beigesetzt. Obwohl sie als
demokratische Republikaner gegen die rechten Putschisten kämpften, ruhen
sie – so veranlasste es Diktator Francisco Franco – in der
Felsenkathedrale, dem sogenannten „Tal der Gefallenen“, in den Bergen bei
Madrid.
„Wir wollen die Unsrigen endlich auf einem Friedhof beisetzen“, sagt Capapé
am Telefon. Die „Unsrigen“, das sind für ihn Vater und Onkel seines
Schwiegervaters, Manuel und Antonio Lapeña. Die beiden waren Gewerkschafter
und wurden 1936 von den aufständischen Faschisten erschossen und
verscharrt.
Dass Capapé und die anderen Angehörige seit Jahren um die Überreste ihrer
Vorfahren kämpfen müssen, liegt an den Familien der dort bestatteten
Faschisten und der verantwortlichen Gemeinde El Escorial. Sie wollen die
Totenruhe schützen – und es fehle an einer entsprechenden Genehmigung. Erst
durch die linke Regierung in Spanien kann Capapé hoffen.
## Ohne Zustimmung mit dem Diktator begraben
Am Montag stieg eine Gruppe von Wissenschaftlern in die Katakomben des „Tal
der Gefallenen“. Mehr als 33.847 Kisten mit sterblichen Überresten beider
Konfliktparteien des Bürgerkriegs lagern dort. Deren Bergung bereiten die
Wissenschaftler nun vor, darunter ein Forensiker, der in Chile die
sterblichen Überreste namhafter Opfer der Diktatur wie des Liedermachers
Victor Jara, des Poeten Pablo Neruda und von Präsident Salvador Allende
untersucht hat.
Als Diktator Franco in den 1950er Jahren die Kathedrale und die Stollen von
Zwangsarbeitern der unterlegenen Republikaner in die Berge außerhalb
Madrids treiben ließ, um dort selbst einmal beigesetzt zu werden, wurden
von überall im Land Tote beider Konfliktparteien, der faschistischen
Putschisten und der Verteidiger der demokratischen Republik,
herbeigebracht, um die Katakomben zu füllen. Aussöhnung sollte dies
darstellen. Die Familien der Antifaschichten wurden allerdings nie gefragt.
„Im Jahr 2016 bekamen wir Recht vor Gericht recht und haben dementsprechend
den Anspruch auf Herausgabe der sterblichen Überreste“, sagt Capapé. Doch
so einfach, wie es sich anhört, ist es nicht.
Entgegen den Familien der Verteidiger der Republik stellen sich die
Angehörigen der im „Tal der Gefallenen“ bestatteten Putschisten und
Faschisten. 260 Familien gründeten [1][eine Vereinigung zum Schutz des
Felsenfriedhofs und Francos Erbe] und legten Widerspruch gegen die
Exhumierung ein. Sie würde die Totenruhe der Ihrigen – der Sieger von einst
– stören.
Die konservative Gemeinde El Escorial, auf deren Gemarkung die
Felsenkathedrale liegt, stellte sich ebenfalls gegen die Exhumierung. Es
fehle an einer Baugenehmigung, um die Krypta und ihre Katakomben zu öffnen.
Dass die Archäologen und Forensiker jetzt dennoch zur Tat schreiten, liegt
an der in Spanien regierenden Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro
Sánchez. Sie hat [2][das Gesetz zur demokratischen Erinnerungskultur]
erlassen. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass der faschistische
Kultort zur Gedenkstätte an die Gräuel des spanischen Bürgerkrieges und der
Diktatur wandelt. Auch der Name hat sich dank des Gesetzes verändert: Das
„Nationalmonument des Heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen“ wird jetzt
nach seinem geografischen Namen „Tal von Cuelgamuros“ umbenannt.
## Die Umbettung kommt zu spät
Um dies zu erreichen, wurde bereits vor drei Jahren der Leichnam [3][von
Diktator Franco exhumiert] und auf einen Friedhof umgebettet. Der noch
immer in der Kathedrale beerdigte Gründer der faschistischen Partei Falange
José Antonio Primo der Rivera soll bald folgen. Und das Wichtigste im
Gesetz: Die Familien der über 33.000 Beigesetzten bekommen das Recht auf
die Überreste der Ihrigen.
Doch Freude will sich beim Vertreter der republikanischen Familien Capapé
nicht einstellen, obwohl die Exhumierung nun anläuft. „Wer weiß, ob sie
dieses Mal tatsächlich unsere Angehörigen bergen“, gibt er zu bedenken.
Capapé befürchtet, dass die andere Seite abermals versuchen wird, eine
einstweilige Verfügung gegen die Exhumierung zu erwirken. „Diejenigen, die
im Bürgerkrieg gewonnen haben, wollen weiterhin gewinnen“, fügt er hinzu.
Zum Schluss wird er ganz nachdenklich: „Mein Schwiegervater erlebt dies
alles leider nicht mehr. Im Alter von 97 verstarb er letztes Jahr und
konnte weder seinen Vater noch seinen Onkel ordentlich beisetzen.“
6 Dec 2022
## LINKS
[1] /Kommentar-Spaniens-Geschichte/!5542136
[2] /Spaniens-Umgang-mit-der-Franco-Diktatur/!5781773
[3] /Die-Gebeine-von-Spaniens-Ex-Diktator/!5520311
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Francisco Franco
Franco
Faschismus
Spanien
Pedro Sánchez
Erinnerungskultur
Spanien
Spanien
Francisco Franco
Spanien
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Exhumierung von Toten in Spanien: Faschisten-Anführer umgebettet
Der Gründer der faschistischen Partei und ideologischer Mentor des
Diktators Franco ruht nicht mehr im „Tal des Gefallenen“. Ein neues Gesetz
ermöglichte das.
Katalanische Unabhängigkeitsbestrebungen: Das Ende vom „Aufstand“
Der Aufstandsparagraf wurde gegen die Organisatoren des katalanischen
Unabhängigkeitsreferendum 2017 angewandt. Jetzt wurde er abgeschafft.
Spaniens Umgang mit der Franco-Diktatur: Späte Anerkennung
Spanien will 46 Jahre nach Ende der Franco-Diktatur den Opfern und ihren
Nachfahren Anerkennung zukommen lassen. Vielen kommt das zu spät.
Kommentar Spaniens Geschichte: Die Vergangenheit drängt ins Jetzt
Unter der neuen linken Regierung versucht Spanien eine späte
Vergangenheitsbewältigung. Doch auch eine neue rechtsextreme Kraft hat sich
gebildet.
Die Gebeine von Spaniens Ex-Diktator: Streit um das Grab von Franco
Die sterblichen Überreste von Francisco Franco liegen in einer monumentalen
Grabstätte nahe Madrid. Die Regierung will sie nun umbetten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.