# taz.de -- USA taktieren im Handelsstreit: Krach mit China, kuscheln mit Europa | |
> Der US-Botschafter schlägt den deutschen Autochefs null Prozent Zölle | |
> vor. Peking hingegen kündigt neue Vergeltungsmaßnahmen an. | |
Bild: BMW auf einer Automesse in Schanghai. Jedes 5. Auto, das BMW in China ver… | |
BERLIN/PEKING taz | Neue Volten im Handelsstreit der USA mit dem Rest der | |
Welt: Während nach einem Treffen des US-Botschafters in Deutschland mit den | |
hiesigen Autobossen die transatlantischen Zeichen auf Entspannung stehen, | |
eskaliert der Streit zwischen den USA und China weiter. | |
Der US-Botschafter Richard Grenell hatte den Chefs von BMW, Daimler, | |
Volkswagen und Zulieferfirmen bei einer Unterredung in der US-Botschaft in | |
Berlin mitgeteilt, er sei „beauftragt“, eine Lösung mit Deutschland und der | |
EU zu suchen. Grenells Vorschlag: die sogenannte Null-Lösung. Die USA seien | |
zu einem Komplettverzicht auf Autozölle bereit, wenn auch Europa auf sie | |
verzichte. Dies könnte eine Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA | |
und der EU stoppen. US-Präsident Donald Trump hatte mehrfach damit gedroht, | |
europäische Autos mit 20 Prozent Einfuhrzoll zu belegen, wenn die EU ihre | |
Handelsbarrieren nicht abbaue. | |
Seit Anfang Juni gelten bereits US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus | |
der EU, die EU erhebt seit Anfang Juli Strafzölle auf US-Produkte wie | |
Motorräder und Erdnussbutter. Es handelt sich dabei um Produkte aus | |
Bundesstaaten, in denen für Trumps Republikaner im Herbst Wahlen anstehen. | |
Derzeit fallen bei Pkw-Importen aus der EU in die USA 2,5 Prozent Zoll an, | |
Pick-ups müssen sogar mit 25 Prozent verzollt werden. Die EU erhebt dagegen | |
10 Prozent Zoll für importierte US-Autos. Diese von den USA und der EU in | |
den 90er Jahren im Einvernehmen ausgehandelten Zölle hatte Trump mehrfach | |
als Beleg für die ungerechte Behandlung von US-Autokonzernen in Europa | |
angeführt. Im Jahr 2017 wurden Autos im Wert von 37,4 Milliarden Euro aus | |
der EU in die USA verkauft. Im Gegenzug fanden amerikanische Pkws im Wert | |
von lediglich 6,2 Milliarden Euro Abnehmer in Europa. Allerdings haben | |
europäische Autobauer in den USA im vergangenen Jahr 2,9 Millionen Autos | |
produziert, ein Viertel der dortigen Fertigung. | |
## Merkel will eine europäische Lösung | |
Das Treffen zwischen Grenell und den Autobauern rief unterschiedliche | |
Reaktionen hervor: Während der Aktienindex DAX wegen der | |
Entspannungssignale am Donnerstagmorgen zulegte, zeigten sich mehrere | |
Politiker verwundert. Zuständig für Handelsfragen ist nämlich die EU, die | |
Mitgliedsstaaten können keine Einzelabsprachen treffen. „Unfassbar“ fand | |
der SPD-Politiker Karl Lauterbach deshalb den Vorgang. „Wozu noch | |
Politiker? Wenn ein ‚Deal‘ auch so geht“, twitterte Lauterbach. Allerdings | |
begrüßte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Absprachen. Deutschland | |
sei zur Senkung von Autozöllen bereit, sagt sie am Donnerstag. Dies sei | |
aber nicht allein im Handel mit den USA möglich, sondern müsse „mit allen | |
Ländern, mit denen wir den Automobilhandel haben“, besprochen werden. | |
Wichtig sei ihr „eine europäische Einigung“. Daran werde noch gearbeitet. | |
Auch die EU hatte bei den Verhandlungen mit den USA immer wieder angeboten, | |
die Zölle für US-Autos zu senken – bislang ohne Ergebnis. | |
Nach mehr Krach als weniger sieht es dagegen beim Handel zwischen den USA | |
und China aus: Vor dem Apple Store auf Pekings Einkaufsmeile Wangfujing | |
bildete sich zuletzt trotz schwüler Hitze eine Schlange: „Ich will | |
zuschlagen, bevor das iPhone X noch teurer wird“, sagt der Passant Liu | |
Ziwei. Das würde passieren, „wenn sich der Streit zwischen China und den | |
USA hochschaukelt“, fürchtet der 28-Jährige. | |
Um das gigantische Handelsdefizit der USA gegenüber China zu senken, wollen | |
die USA ab dem heutigen Freitag weitere 25 Prozent Strafzölle auf Importe | |
aus China im Wert von 34 Milliarden Dollar verhängen. Es ist bereits die | |
dritte Erhöhung der Zölle zwischen den Ländern. Chinesische Waren im | |
Volumen von rund 50 Milliarden Dollar sind schon betroffen. | |
China hat bereits mit Vergeltungszöllen reagiert, die vor allem | |
landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Tabak und Soja betrafen. Auch sie | |
sollten besonders die Trump-Anhänger in Staaten des Mittleren Westens | |
treffen. Am Donnerstag kündigte Chinas Zollverwaltung weitere | |
Gegenmaßnahmen an. Sie sollten in „ähnlicher Höhe“ ausfallen und sofort | |
nach den neuen US-Zöllen am Freitag umgesetzt werden. „China wird weder vor | |
Drohungen noch Erpressung in die Knie gehen“ sagte der Sprecher des | |
Handelsministeriums, Gao Feng. Details nannte er zunächst nicht. | |
Das ist auch schwer. Denn wie soll China die USA mit Importzöllen | |
bestrafen, wenn die Chinesen gar nicht so viel aus den Vereinigten Staaten | |
einführen? Nichts leichter als das, sagt Xie Yanmei, Ökonomin des | |
unabhängigen Pekinger Forschungsinstituts Gavekal Dragonomics. China sei | |
ein „Veteran der Wirtschaftskriegsführung“. Das betreffe keineswegs nur | |
US-Exporte nach China. Peking könnte auch in China tätigen US-Unternehmen | |
das Leben schwer machen. Genau so ist China auch bisher vorgegangen. Als | |
2012 der Streit zwischen Japan und China um ein paar Inseln im | |
Ostchinesischen Meer hochkochte, musste Chinas Führung nur ein paar | |
antijapanische Demonstrationen zulassen – schon brannten auf den Straßen | |
die Autos japanischer Hersteller. Toyota und Nissan brauchten Jahre, um auf | |
dem weltgrößten Automarkt wieder mithalten zu können. | |
## Apple, Boeing, Starbucks – alle sind betroffen | |
Und als Südkorea vor knapp zwei Jahren gegen Chinas Willen den USA | |
gestattete, das Raketenabwehrsystem Thaad auf seinem Boden errichten zu | |
lassen, mussten in China Dutzende Kaufhäuser des südkoreanischen Konzerns | |
Lotte ihre Pforten schließen – angeblich wegen Verstößen gegen | |
Hygienevorschriften. Lotte hat seitdem nicht mehr Fuß gefasst. | |
Für viele US-Firmen ist China längst der wichtigste Markt. Neben Apple ist | |
das bei Boeing, Microsoft, aber auch bei Kentucky Fried Chicken und | |
Starbucks der Fall. Mit über 5.000 Filialen ist KFC sogar derzeit die | |
größte Restaurantkette der Volksrepublik. | |
Während Starbucks in den USA Filialen schließen muss, eröffnet es im Reich | |
der Mitte derzeit alle 15 Stunden ein neues Geschäft. Hollywood muss bei | |
einem sich zuspitzenden Handelskrieg ebenfalls um einen wichtigen | |
Absatzmarkt fürchten. Dabei hat die chinesische Führung erst vor wenigen | |
Jahren die Zulassungsbeschränkung für ausländische Filmen gelockert. | |
Auch die chinesische Währung könnte die chinesische Führung als Waffe | |
einsetzen. Anders als etwa beim Dollar oder beim Euro wird der Kurs der | |
chinesischen Währung von der politischen Führung kontrolliert. Um rund vier | |
Prozent hat sie die den Yuan seit Mitte Juni bereits abgewertet – und damit | |
die chinesischen Exporte günstiger gemacht. Das macht allerdings auch die | |
Börsen in Ostasien nervös, die in den vergangenen Wochen ebenfalls auf | |
Talfahrt gegangen sind. Nun versucht Peking wieder zu beruhigen. Prompt hat | |
sich die Devise stabilisiert. | |
Chinas sicherlich schlagkräftigste Waffe dürfte aber wohl nicht zum Einsatz | |
kommen: seine vielen US-Staatsanleihen. Jedem Exportüberschuss steht ein | |
Rückfluss an Kapital gegenüber. Das bedeutet: Die US-Amerikaner kaufen | |
Waren von China und bezahlen sie mit US-Dollar. Mit diesen Dollar kauft die | |
Volksrepublik Anleihen der US-Regierung. China hält Treasuries von mehr als | |
einer Billion Dollar – und ist damit der größte Gläubiger der USA. | |
Das Problem für die chinesische Führung: Sollte sie an dieser Stelle | |
ansetzen und ihre Dollar-Reserven verkaufen, könnte das zu einem | |
Preisverfall des US-Dollar und der US-Schuldpapieren führen. Die Chinesen | |
würden sich also selbst schaden. Ein schwächerer Dollar wäre womöglich | |
sogar von Vorteil für die Exportwirtschaft der USA. Das wird die Führung in | |
Peking den Amerikanern aber kaum gönnen. | |
6 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
Kai Schöneberg | |
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