# taz.de -- Grüne über das Leistungsschutzrecht: „So kann Journalismus übe… | |
> Der EU-Rechtsausschuss hat für das Leistungsschutzrecht gestimmt. Die | |
> EU-Abgeordnete Helga Trüpel ist von einer Gegnerin der Regelung zur | |
> Befürworterin geworden. | |
Bild: EU-Parlamentarieren Helga Trüel: „Verlage sind auf die Vergütung von … | |
taz: Warum wollen sie das Leistungsschutzrecht? | |
Helga Trüpel: Ich will, dass Journalisten angemessen für ihre Arbeit | |
bezahlt werden. Bisher ist es so, dass Google die Arbeit von Journalisten | |
nutzt um damit Geld zu verdienen. Der, der die eigentliche Arbeit hatte, | |
der Journalist, bekommt davon nichts. Das ist doch nicht gerecht. Der | |
digitale Kapitalismus – und das sind in diesem Fall die digitalen Giganten | |
Google und Facebook – muss genauso reguliert werden, wie alle anderen | |
Firmen. Ich bin keine Feindin der Digitalisierung, ich möchte einfach, dass | |
Journalisten von ihrer Arbeit leben können. Nur so kann der | |
Qualitätsjournalismus überleben und die publizistische und kulturelle | |
Vielfalt in Europa erhalten bleiben. | |
Warum reicht das Urheberrecht nicht aus? | |
Weil es nur ganze Artikel schützt. Das Leistungsschutzrecht geht weiter und | |
würde auch Überschriften und Textanreißer schützen. Auch hinter denen | |
steckt eine kreative Leistung, die entlohnt werden muss. | |
Sie stellen das so dar, als würde Google die Inhalte von den | |
Nachrichtenseiten klauen. Aber das Gegenteil ist doch der Fall: Die Verlage | |
brauchen Google und Facebook, um ihre Inhalte zu verteilen. Viele Leser | |
steuern heute nicht mehr Nachrichtenseiten an, sondern kommen über die | |
Google-Suche auf einen Artikel. Die Verlage profitieren von Google. | |
Eben nicht. Aktuelle Studien zeigen, dass rund die Hälfte der Europäer die | |
Nachrichten des Tages bei Google News liest, also dort durch die | |
Textanreißer scrollt, aber nicht auf die Links klickt. Dann ist es doch | |
klar, dass Anzeigenkunden eher bei Google werben, als auf den | |
Verlagsseiten. | |
Aber liegt das Problem dann nicht eher bei den Verlagen, die es versäumt | |
haben, ein digitales Geschäftsmodell zu entwerfen? | |
Ja, es stimmt. Die Zeitungsverleger haben Fehler gemacht, als sie vor | |
fünfzehn Jahren dem Marktdruck von Google nachgegeben haben und anfingen, | |
ihre kompletten Inhalte kostenlos ins Netz zu stellen. Aber das revidieren | |
sie ja heute zum Teil: Die Washington Post und die New York Times sind, | |
soweit ich das weiß, recht erfolgreich mit ihren Bezahlschranken. Ich | |
verstehe ja auch, dass die Nachrichtenseiten darauf angewiesen sind, dass | |
Google ihre Texte verbreitet, aber das heißt doch nicht, dass wir Google | |
und Co. freien Lauf lassen können. | |
In Deutschland und Spanien gibt es das Leistungsrecht schon. In Spanien hat | |
es dazu geführt, dass Google News geschlossen wurde, was kleinen und | |
mittleren Verlagen massiv geschadet hat. In Deutschland streiten die | |
Verlage und Google seit Jahren vor Gericht, was die Verlage bisher rund 10 | |
Millionen Euro gekostet hat, aber kaum Geld eingebracht hat. Woher nehmen | |
sie ihren Optimismus, dass das auf europäischer Ebene besser wird? | |
Weil es hier um einen Markt mit 550 Millionen Menschen geht. Google wird | |
sich nicht aus ganz Europa zurückziehen. Und wenn doch, dann sollen sie das | |
halt tun und in China und Saudi-Arabien ihre Geschäfte mit Autokraten | |
machen. Das würde ihren inoffiziellen Markenclaim „Don't be evil“ | |
allerdings noch lächerlicher machen als er schon ist. | |
Vor eineinhalb Jahren waren sie noch anderer Meinung: Sie haben bei der | |
Kampagne „Savethelink“ mitgemacht und sich öffentlich gegen das | |
Leistungsschutzrecht gestellt. Wer oder was hat sie umschwenken lassen? | |
Ich habe mit allen gesprochen, die in irgendeiner Weise vom | |
Leistungsschutzrecht betroffen wären. Journalisten und Verleger haben mir | |
glaubhaft dargestellt, dass sie auf eine Vergütung von Google angewiesen | |
sind. Google wiederum hat mir gesagt, dass sie ihre frühere Stimmungsmache | |
gegen das LSR heute kritisch sehen. | |
Was ist mit Mathias Döpfner? Der Springer-Chef und Präsident des Bunds der | |
Zeitungsverleger soll massiv und teilweise aggressiv für das LSR lobbyiert | |
haben? | |
Ich habe auch mit Herrn Döpfner gesprochen, und ihm gesagt, dass ich für | |
das Leistungsschutzrecht bin – allerdings unter der Bedingung, dass sich | |
die Verlage das Geld, das sie damit künftig verdienen werden, mit den | |
Journalisten teilen. Da hat er mir zugestimmt, und so steht es nun auch im | |
Gesetzesentwurf, über den der Rechtsausschuss am Mittwoch abstimmen wird. | |
Sie reden immer von Google und den digitalen Giganten. Im Netz spielen ja | |
aber noch viel mehr Leute mit: Gemeinden, Schulen, Vereine, die eine | |
Webseite betreiben, Privatpersonen, die twittern oder bloggen. Sollen die | |
künftig auch bezahlen, wenn sie einen Link verbreiten? | |
Das behaupten die Gegner des Leistungsschutzrechts, aber das stimmt nicht. | |
Im Gesetzesentwurf ist eindeutig festgehalten, dass die private Verwendung | |
von Links lizenzfrei bleibt. | |
Was bedeutet denn „privat“ im Internet? Ist ein Link, den ich twittere | |
nicht alles andere als privat, wenn ihn dort alle Internet-Nutzer sehen | |
können? | |
Es geht doch um das kommerzielle. Wenn sie einen Link twittern, bekommen | |
sie kein Geld dafür, müssen also auch kein Geld dafür zahlen. | |
20 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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