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# taz.de -- Google umwirbt Zeitungsverlage: Die Charmeoffensive
> Seit Google großzügig Projekte sponsert, sind immer mehr Verlage zur
> Zusammenarbeit bereit. Ob Google Teil der organischen Medienszene wird?
Bild: Der Google-Konzern hat die Zusammenarbeit mit Zeitungsverlagen im Visier
Max Koziolek arbeitet an der Zukunft des Journalismus. Sein Berliner
Start-up Spectrm hilft Redaktionen, mit ihren Inhalten Chat-Systeme zu
bespielen, etwa den Messenger von Facebook. Spectrm entwickelt dafür
sogenannte Bots – Chat-Teilnehmer, hinter denen sich keine Menschen,
sondern Programme verstecken.
Bild hat bei ihm als Erstes einen solchen Bot gemietet, auch die FAZ ist
Kunde. Weil die Hoffnung groß ist, dass hier ein neuer Kanal für
Journalismus entsteht, bekommt Spectrm von sehr vielen Seiten Geld
gesteckt, 1,5 Millionen Euro bislang. Von Axel Springer kam Geld, aber auch
von anderen Verlagen. Dazu kommt eine besondere Förderung – und zwar von
Google.
„Das meiste Geld kommt zwar von den Venture Capitalists“, sagt Koziolek.
„Das Geld von Google nutzen wir aber auch, um unser Produkt zu entwickeln.“
Überhaupt: Google kümmert sich inzwischen sehr intensiv um den Medienmarkt,
in dem fast alle etablierten Unternehmen kränkeln.
Viele Medienhäuser sind noch immer mit der Digitalisierung überfordert, vor
allem aber bringt ihnen Digitales kaum Geld. Google sponsert diverse
Veranstaltungen rund um den Journalismus – auch der Autor dieser Zeilen hat
so etwas schon mal moderiert. Der Konzern schreibt Stipendien für
Datenjournalisten mit aus. Vor allem pumpt Google derzeit aber 150
Millionen Euro in den europäischen Medienmarkt.
## Innovationsfonds
Auf diesen Innovationsfonds kann sich praktisch jeder bewerben, solange er
etwas Neues entwickeln will, das Medien im Netz hilft. Für Spectrm-Grüner
Koziolek ist die Sache klar: „Unternehmen wie Google haben ein großes
Interesse daran, dass Medienhäuser mit ihnen halbwegs zufrieden sind – denn
es sind Inhalte aus Medienhäusern, mit denen sich Menschen im Netz vor
allem beschäftigen.“ Übersetzt heißt das nichts Anderes als: Dieser Fonds
ist eine große Charmeoffensive.
Auf der – zumindest teilweise öffentlichen – Förderliste stehen neben
Start-ups auch Traditionshäuser wie die Schweizer NZZ, der britische
Telegraph, der österreichische Standard, die Wirtschaftswoche, der
Tagesspiegel und die Rhein-Zeitung. Der Spiegel hatte ebenfalls
angekündigt, sich um dieses „Spielgeld“ zu bewerben, wie es ein Mitarbeiter
bezeichnete.
Bei Google betreut Gerrit Rabenstein die Digital News Initiative (DNI). Der
frühere Manager der Verlagsgruppe Handelsblatt sagt nicht, dass sein
Programm Google die Sympathie der Verlage einbringen soll. „Es ist immer
besser, miteinander als übereinander zu reden“, sagt er stattdessen. Google
wolle mit Verlagen „generell lieber zusammenarbeiten, um Besucher auf ihre
Webseiten und Apps zu leiten und digitalen Journalismus zu unterstützen“.
Dafür wirft Google nicht nur mit Geld um sich, sondern schickt auch seine
eigenen Programmierer vor. Verlagsvertreter fliegen im Rahmen der DNI
regelmäßig nach Kalifornien, um in der Google-Zentrale gemeinsame Projekte
auszuloten – aus Deutschland etwa Mitarbeiter von Spiegel und Zeit. Das
erste Ergebnis ist ein deutlich kompakterer Formatierungscode für
Internetseiten. Bereits 650.000 einzelne Artikel sollen mit einer Technik
geschrieben worden sein, die „Accelerated Mobile Pages“ (AMP) heißt, also
mobile Seiten beschleunigt. Das Ergebnis ist durchaus flott.
## Kontrolle
Von dieser gemeinsamen Entwicklung erhoffen sich Medienhäuser und Google,
dass Nutzer wieder Reklame zulassen, wenn Seiten und Werbung schneller
laden. Dahinter steckt die Annahme, dass viele Nutzer vor allem Ad-Blocker
installiert haben, weil opulente Werbung die Ladezeiten von Internetseiten
unerträglich macht. Das zu vermeiden, wäre gut für das Geschäft beider
Seiten. Als Nächstes sollen üppige Fotostrecken schneller laden und sich
AMP mit den Bezahlmodellen der Verlage verstehen können.
Das jüngste Ergebnis der Initiative: Google gibt Verlagen Kontrolle über
seinen YouTube-Player – für Videos auf den Seiten der Verlage. Der Player
laufe auf etwa 1.000 unterschiedlichen Geräten, sagt Rabenstein. „Um diese
Technik müssen sich Verlage nun nicht mehr kümmern, das machen unsere
Programmierer.“ Mindestens genauso wichtig für Verlage: Erstmals können sie
die Werbeplätze innerhalb des YouTube-Players selbst verkaufen. Wichtig
wiederum für den IT-Konzern: Restplätze können Medienhäuser über Googles
Videotochter vermarkten lassen. So dürfte Google auch hier weiter am
Verlagsgeschäft und damit auch unmittelbar an der DNI profitieren.
Im Oktober werden wieder Verlagsleute mit ihren Wunschzetteln in der
Google-Zentrale erwartet. Gleichzeitig entscheidet eine Gruppe aus
Google-Managern, Verlagsvertretern und Externen wie
Journalistikprofessoren, welche weiteren Projekte etwas vom DNI-Fonds
abbekommen. Während es in der ersten Runde vor allem um Videoprojekte ging,
berichtet Rabenstein nun: „Diesmal zeigt sich schon bei der ersten
Durchsicht, dass viele Bewerber Lösungen für automatisierte Chats
entwickeln wollen.“ Spectrm dürfte Konkurrenz bekommen, die Google dann
fördert.
Die große Frage ist, ob Google mit der Digital News Initiative so etwas wie
ein organischer Teil der Medienszene wird. Die im Zeitungsverlegerverband
BDZV organisierten Verleger haben sich jedenfalls gerade mit
Axel-Springer-Boss Mathias Döpfner für einen Präsidenten entschieden, der
einst so laut wie keiner anderer gegen Google wetterte. Das Lobbying der
Verlegerverbände funktioniert: Die EU-Kommission will ein
Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Diese „Linksteuer“ zielt nicht
zuletzt auf Google.
Gleichwohl ist die Verlagsszene gespalten: Ein Leistungsschutzrecht ist vor
allem für viele Journalisten in Onlineredaktionen Quatsch. Sie wollen ein
Miteinander mit den IT-Riesen – auch Facebook buhlt um die Gunst der
Redaktionen. Offene Worte dazu sind indes rar, denn am Ende haben oft noch
immer arg konservative Verlagsleitungen das Sagen. Hier vergleichen noch
immer viele Google und Co. mit dem Teufel. Manch einer ist dann auch von
den Förderverträgen überrascht, die Google vorlegt. Die Rede ist von
„unterschiedlichen Rechtskulturen“. Am Ende unterschreiben viele aber doch.
## Berührungsangst
Dass mit etablierten Verlagen – Geldgeschenke hin oder her – aber nicht
immer alles reibungslos läuft, hat auch Google jüngst erfahren müssen. Im
Frühjahr hatte die Rhein-Zeitung noch in eigener Sache jubiliert: „Unsere
Zeitung hatte die Entwicklung einer App vorgeschlagen, die persönliche
Nachrichten in sozialen Medien mit Lokalnachrichten verknüpft. Das Vorhaben
wird nun mit fast einer halben Million Euro durch Google gefördert.“
Inzwischen ist klar: Der Verlag ruft dieses Geld nicht ab.
Über die Gründe schweigen sich beide Seiten beharrlich aus. Bei Google
heißt es zu dem bislang einmaligen Vorgang nur, das Interesse an dem
eigenen Programm sei „anhaltend groß“, zu konkreten Projekten könne man
sich aber nicht äußern. Die Rhein-Zeitung wiederum will nicht mal erklären,
ob ihr avisiertes Projekt damit gänzlich stirb. Die nun freigewordene halbe
Million wird aber gewiss einen anderen Abnehmer finden, denn: Die
Berührungsangst der Medienbranche mit Google nimmt langsam, aber sicher ab.
18 Sep 2016
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Google
Zeitungsverlage
Schwerpunkt Zeitungskrise
Leistungsschutzrecht
Google
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Internet
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