| # taz.de -- Kampf gegen Online-Adblocker: Hier sollte Ihre Werbung stehen | |
| > Millionen Nutzer nutzen Werbeblocker. Medienhäuser bekämpfen Adblock | |
| > Plus. Keine Werbung bedeutet für sie keine Einnahmen. | |
| Bild: Unternehmen können den Werbeblocker auch umgehen. Wenn sie zahlen | |
| Hamburg taz | Neue Lieblingsstücke für die Kleinen. Spanisch lernen leicht | |
| gemacht. Heiße Frauen in deiner Umgebung. Warnung: Sie haben einen Virus. | |
| Kaufe, abonniere, lade runter: jetzt, jetzt, jetzt. | |
| Es wäre undenkbar, wenn sich im öffentlichen Raum plötzlich ein buntes | |
| Banner direkt vor das komplette Sichtfeld schieben würde. So aber passiert | |
| es im Internet. Anders als am Straßenrand gibt es hier keine Regeln dafür, | |
| wie groß ein Werbebanner sein darf. Wie viel Piepen, Blinken und Leuchten | |
| zu viel ist – weil es einen fast erschlägt. Wie viel Werbung muss man | |
| ertragen? | |
| Zumindest keine nervige, verspricht die Firma Eyeo und wirbt für ihr | |
| Programm Adblock Plus: „Kann Tracking, Malware-Seiten, Banner, Pop-ups und | |
| Videowerbung blockieren – sogar auf Facebook und YouTube.“ Nutzer sollen | |
| von störender Werbung verschont bleiben. | |
| Mit mehr als 300 Millionen Downloads ist Adblock Plus nach eigenen Angaben | |
| die beliebteste Erweiterung für die gängigen Internetbrowser. Doch dieser | |
| Erfolg ist Verlagen und Medienhäusern ein Dorn im Auge, die sich über | |
| Werbung finanzieren: Axel Springer zum Beispiel, ProSieben oder Spiegel | |
| Online. Sie haben bereits gegen den Werbeblockierer geklagt. | |
| ## Angriff auf Pressefreiheit | |
| „Wenn der abonnierte Spiegel im Briefkasten landet, kann er vom Nutzer auch | |
| nicht mehr umgestaltet werden“, sagt Anwalt Dirk Bruhn. Adblock Plus wirke | |
| in der digitalen Welt wie ein Angestellter in der analogen, der vor der | |
| Lektüre eines Magazins die Werbung aus dem Heft herausschneide. Aber: Wenn | |
| es so jemanden gäbe, hätte der Spiegel damit weniger Probleme, erklärt | |
| Bruhn. Denn die Werbung im Heft wäre zu dem Zeitpunkt schon bezahlt. Ob sie | |
| im Müll landet oder nicht – der Spiegel hat kassiert. Anders im Internet: | |
| Einnahmen habe Spiegel Online hier nur, wenn die Werbung tatsächlich | |
| aufgerufen wird. Spiegel Online bezeichnet das Programm Adblock Plus | |
| deshalb als Existenzbedrohung, und: als Angriff auf die Pressefreiheit. | |
| Mit diesem Verweis fährt es nun schwere Geschütze auf und verklagt den | |
| Hersteller von Adblock Plus, das Kölner Unternehmen Eyeo, vor dem Hamburger | |
| Landgericht. Die Geschäftspraxis sei wettbewerbswidrig, so eines der | |
| Argumente. Der Prozess läuft noch. Vertreten wird Spiegel Online von Bruhn. | |
| Das Geschäftsmodell von Adblock Plus basiert auf einer sogenannten | |
| Blacklist und einer Whitelist. Fällt eine Website in die erste, sehr viel | |
| umfassendere Liste, wird mittels Filterkriterien die Werbung im Webbrowser | |
| ausgeschaltet. Nur wer sich verpflichtet, keine „aufmerksamkeitserregenden | |
| Bilder“ zu verwenden, kommt auf die Whitelist – die Werbung auf diesen | |
| wenigen Websites wird gezeigt. Dafür laufen sogar Verhandlungen mit Adblock | |
| Plus, welche Werbeinhalte dem Nutzer zugemutet werden können. | |
| ## Den Blocker gegen Gebühr umgehen | |
| Das Verfahren ist durchaus umstritten, weil sich Unternehmen wie Google, | |
| Microsoft und Amazon das Umgehen der Werbeblockaden erkaufen – womit sich | |
| wiederum Adblock Plus finanziert. Kleine Anbieter bekommen den Service | |
| gratis – sofern auch sie sich den ästhetischen Kriterien der Firma | |
| verpflichten. Wie ein privates Straßenbauamt für die Fahrt im Internet. | |
| Adblock Plus baue eine „zweite Tür vor die Tür und entscheidet, wer | |
| durchgeht“, kritisiert Bruhn vor Gericht beim Prozess von Spiegel Online | |
| gegen Eyeo. Weil sich Nachrichtenseiten nun mal über Werbung finanzierten, | |
| müssten der redaktionelle Teil, Verlagsangebote und Werbung als | |
| Gesamtangebot betrachtet werden, das nicht auseinandergerissen werden | |
| könne, so sein Argument. Die volle Verfügungsmacht stehe dem Nutzer nicht | |
| zu, weil das Produkt unter dem Schutz des Artikels 5 des Grundgesetzes | |
| stehe, also der Meinungs- und Informationsfreiheit. | |
| Der Springer-Verlag hatte in einem ähnlichen Prozess gegen Adblock Plus | |
| Ende Juni einen Teilerfolg erzielt. Das Kölner Oberlandesgericht hielt die | |
| Blockade von Werbung zwar für zulässig, nicht aber das Geschäftsmodell des | |
| Internet-Werbeblockers Eyeo, von Websitebetreibern Geld zu nehmen, um auf | |
| eine Liste mit „akzeptabler Werbung“ aufgenommen zu werden. Dem Kölner | |
| Richter zufolge befindet sich der Entwickler des Werbeblockers mit dem | |
| „Whitelisting“ in einer Machtposition, weil er die Verlage daran hindere, | |
| seine vertraglichen Rechte gegenüber den Werbepartnern auszuüben. Der Fall | |
| geht laut Eyeo bald vor dem Bundesgerichtshof weiter. | |
| ## Kein Zutritt für Adblocker | |
| Bild und Stern gehen auf ihren Webseiten derweil andere Wege. Auf der | |
| Startseite von Stern.de verspricht ein Werbebanner „Erste Hilfe für | |
| Adblock-Süchtige“ – eine witzig gemeinte Gegenkampagne. Auf der | |
| Springer-Seite können die Inhalte mit aktiviertem Adblocker gar nicht mehr | |
| aufgerufen werden. Nutzern bleiben zwei Optionen: die Software zu | |
| deaktivieren oder „Bildsmart“ mit weniger Werbung, dafür aber einem Preis | |
| von 1,99 Euro im Monat zu abonnieren. Springer-Chef Mathias Döpfner kämpft | |
| sei Jahren gegen die „Gratiskultur“ im Netz. | |
| Mit dem Streit zwischen dem Werbeblockierer und den Verlagen prallen auch | |
| zwei Internetkulturen aufeinander: Auf der einen Seite das kommerzielle | |
| Netz, das marktwirtschaftliche Vorteile verspricht und, etwa durch Werbung | |
| und den Handel mit persönlichen Daten, Geld abwirft. | |
| Auf der anderen Seite das Internet der Nerds, all jener, die sich hier | |
| bewegen, wie in einem anarchischem Raum, den man selbst gestalten kann. Der | |
| Ort, an dem einen Programmierer ein Wikipedia-Spendenaufruf nervt und er | |
| kurzerhand ein Script entwickelt, um das Banner auszublenden. Für jedes | |
| Problem gibt es eine Lösung, die man im Sinne des Open-Source-Gedankens | |
| allen Nutzern zugänglich macht. Adblock, der Vorläufer des heute | |
| kommerziellen Adblock Plus, war einst ein solcher Open-Source-basierter | |
| Werbefilter: programmiert für die User-Gemeinde. Zumal nicht nur Werbung, | |
| sondern im Zweifel auch Schadsoftware herausgefiltert wurde und wird. Das | |
| ist für viele Nutzer ein Argument, denn nicht alle Seiten im Netz sind so | |
| seriös wie Spiegel Online. | |
| ## 25 Prozent aller User nutzen Werbeblocker | |
| Im Prozess vor dem Hamburger Landgericht rückt Spiegel Online auch die | |
| Unvernunft des Internetnutzers in den Vordergrund. Er sei daran gewöhnt, | |
| alles im Netz umsonst zu kriegen. Adblock Plus hingegen geriert sich – | |
| obwohl kommerzieller Anbieter – als Kämpfer für die Souveränität der | |
| Nutzer, die die nervige Werbung schlicht nicht hinnehmen wollen. „Wir sind | |
| überzeugt davon, dass der Nutzer entscheiden kann, welche Werbung er | |
| blockieren kann“, sagt die Eyeo-Anwältin Heike Blank. | |
| Empirisch werden beiden Positionen durch Erhebungen gedeckt: Die Studie | |
| „Reuters Institute Digital News Report 2016“ zur Nachrichtennutzung im | |
| internationalen Vergleich belegt, dass die Menschen Werbung im Netz umgehen | |
| wollen. Die Ergebnisse der Studie für die Bundesrepublik wurden Mitte Juni | |
| vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg | |
| veröffentlicht. Demnach empfinden 55 Prozent der deutschen Internetnutzer | |
| über 18 Jahren die Anzahl der Werbeeinblendungen als lästig. 25 Prozent | |
| setzen Adblocker ein, um Werbung zu verbannen. | |
| Aber die Studie zeigt auch, dass an einer mangelnden Bereitschaft für | |
| Internetangebote Geld auszugeben, etwas dran ist: Zwei Drittel der | |
| Befragten halten es für gut, kostenlose Nachrichten im Tausch gegen Werbung | |
| zu bekommen (nur die Masse und Art der Werbung nerve sie), das verbliebene | |
| Drittel könnte demnach doch offen sein, für einen Werbeverzicht vonseiten | |
| der Verlage im Gegenzug an diese Geld zu überwiesen. Ist es aber nicht: Nur | |
| 8 Prozent würden laut Studie für Onlineinhalte direkt an die Medienhäuser | |
| zahlen. | |
| Viele wollen also: keine Werbung und nichts bezahlen. Das ist wohl das | |
| eigentliche Dilemma der Verlage. | |
| 23 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Kaiser | |
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