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# taz.de -- Urteil des Bundesgerichtshofs: Sieg für Werbeblocker
> Der BGH urteilt: Die Blockade „nerviger Werbung“ im Internet ist kein
> unlauterer Wettbewerb. Der Springer-Verlag sieht die Pressefreiheit
> bedroht.
Bild: Können Adblocker den Medienriesen Springer zum Wanken bringen? Wohl kaum…
Karlsruhe taz | Werbeblocker für Webseiten sind zulässig. Das entschied
jetzt der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil. Eine entgegengesetzte
Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln wurde dabei aufgehoben.
Das Kölner Startup-Unternehmen Eyeo bietet seit 2011 die Browsererweiterung
AdBlock Plus an. Nach Unternehmensangaben ist AdBlock Plus der weltweit
meistgenutzte Werbeblocker. In Deutschland ist er auf fünf Prozent aller
internetfähigen Geräten installiert, das sind rund 10 Millionen Computer
und Smartphones. Geklagt hatte der Axel Springer Verlag, der die
Werbeeinnahmen auf seinen Webseiten, zum Beispiel bild.de und welt.de,
beeinträchtigt sah.
AdBlock Plus arbeitet mit zwei Listen. Auf einer Blacklist wird
grundsätzlich jede Online-Werbung registriert. Da sich Eyeo aber nur gegen
„nervige“ Werbung wendet, werden in einer Whitelist „akzeptable“
Werbeeinblendungen gesammelt, die zugelassen bleiben. In einer Aufstellung
von über zehn Kriterien definiert Eyeo, wann Werbung „nervt“ – zum
Beispiel, wenn Musik von sich aus zu spielen beginnt oder wenn sich ein
Werbebanner quer über redaktionelle Inhalte legt.
Kleine und mittlere Unternehmen können ihre „akzeptable Werbung“ kostenlos
auf die Whitelist setzen, große Unternehmen müssen dafür bezahlen. Als
„groß“ gilt eine Webseite, wenn sie mindestens 200 Millionen Werbekontakte
im Monat präsentiert. Für die Whitelist-Aufnahme der Werbung auf einer
derartigen Seite verlangt Eyeo 30 Prozent des so ermöglichten
„zusätzlichen“ Werbeumsatzes dieser Seite.
Rund 90 Prozent der AdBlock plus-Nutzer lassen sich nach Eyeo-Angabe
„akzeptable“ Werbung anzeigen. Es ist aber auch möglich, sämtliche Werbung
auf Webseiten ausblenden zu lassen. Dafür wirbt Eyeo jedoch nicht,
schließlich lebt das Unternehmen, das weltweit rund 100 Mitarbeiter
beschäftigt, von den Lizenzeinnahmen.
## Auch andere Medien hatten geklagt
Springer war weder bereit, an Eyeo für die Aufnahme in die Whitelist zu
bezahlen, noch war der Verlag bereit, Reichweiteneinbußen der Werbung auf
seinen Seiten hinzunehmen. Insgesamt hätten, je nach Seite, 23 bis 35
Prozent der Nutzer einen der verschiedenen Werbeblocker installiert. Um
sein Geschäftsmodell zu verteidigen, klagte Springer gegen Eyeo wegen
unlauteren Wettbewerbs. In Parallelverfahren hatten auch andere Medien wie
die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, der Spiegel und RTL gegen Eyeo geklagt.
Die Klagen der Verlage hatten zunächst unterschiedlichen Erfolg. Die
Oberlandesgerichte (OLG) in München und Hamburg entschieden für Eyeo.
Dagegen siegte Springer vor dem OLG Köln. Die Kölner Richter hielten den
Werbeblocker zwar nicht generell für rechtswidrig, sie stuften aber die
Verbindung von Whitelist und Blacklist als „aggressive geschäftliche
Handlung“ ein. Sie bringe Unternehmen dazu, eine Leistung zu bezahlen (die
Aufnahme in die Whitelist), die sie eigentlich gar nicht benötigen.
Gegen das Kölner Urteil waren beide Seiten in Revision gegangen. Eyon
wollte sein Geschäftsmodell retten und Springer verlangte ein völliges
Verbot von Werbeblockern – unabhängig von der Whitelist. „Auf die Dauer
führen Werbeblocker dazu, dass Qualitätsjournalismus aus dem Netz
verschwindet“, warnte Springer-Anwalt Thomas Winter in der mündlichen
Verhandlung vor dem BGH.
Doch das oberste deutsche Zivilgericht entschied zugunsten von Eyeo. Der
Werbeblocker stelle keinen unlauteren Wettbewerb dar. Weder behindere Eyon
gezielt das Geschäft des Springer Verlags noch handele es aggressiv gegen
sonstige Marktteilnehmer, etwa Springers Werbepartner.
## Springer-Anwalt kündigt Verfassungsbeschwerde an
In einer Interessensabwägung war es ausschlaggebend, dass sich der
Springer-Verlag gegen AdBlock Plus „schützen“ kann, indem er Nutzer mit
Werbeblockern auf seinen Webseiten ausschließt. Der Nutzer müsse dann
entscheiden, ob er seinen Werbeblocker für Springer-Seiten ausschaltet oder
auf die Inhalte von bild.de und welt.de verzichtet. Der damit verbundene
Reichweitenverlust sei dem Verlag „zumutbar“, so der Vorsitzende Richter
Thomas Koch.
Es liege auch keine „allgemeine Marktbehinderung“ vor, so Koch, denn es
gebe „keine hinreichenden Anhaltspunkte“, dass das Geschäftsmodell mit
kostenlosen Web-Inhalten durch Werbeblocker „zerstört“ wird.
Noch im Gerichtssaal kündigte der zweite Springer-Anwalt Cornelis Lehment
eine Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil an. „Der BGH hat die
Bedeutung der Pressefreiheit für die Demokratie überhaupt nicht erkannt“,
sagte Lehment.
19 Apr 2018
## AUTOREN
Christian Rath
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