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# taz.de -- Lobbying für Leistungsschutzrecht: Günther Oettingers Doktrin
> Am Mittwoch stimmt der EU-Rechtsausschuss über die umstrittene
> Urheberrechtsreform ab. Die Lobby der Zeitungsverleger ist stark.
Bild: Zwei, die sich einig sind: Ex-EU-Digitalkommissar Günther Oettinger und …
Selten war die Eintracht von Verlagen und Teilen der Politik so sichtbar
wie an jenem Montag im September 2016 in Berlin. Günther Oettinger, damals
noch Digitalkommissar der EU-Kommission, besuchte den Zeitungskongress,
steckte mit dem Präsidenten des Verlegerverbandes BDZV, Axel-Springer-Boss
Mathias Döpfner, die Köpfe zusammen und appellierte in einer 28-minütigen
[1][Kampfrede an die Verleger: „Schwärmen Sie aus!“.]
Damit forderte er sie direkt auf Stimmung für das geplante
Leistungsschutzrecht zu machen: ein Gesetz, dass Suchmaschinenbetreiber
zwingen soll, zu bezahlen, wenn sie zum Beispiel in der „Google News“-Suche
auf Texte verlinken und deren Überschriften und Teaser anzeigen.
Oettinger hatte gerade den Plan für eine große Urheberrechtsreform
vorgelegt, darunter auch das europäische Leistungsschutzrecht (LSR). In
Deutschland und Spanien existiert es schon, funktioniert aber nicht. Vor
deutschen Gerichten streiten Verlage und Google seit Jahren wegen des LSR.
Geld verdient haben die Verlage damit bisher kaum, dafür aber mindestens 10
Millionen Euro Prozesskosten gezahlt. Aber eine bessere Lösung, wie Verlage
Suchmaschinenbetreiber dazu bringen können, journalistische Inhalte zu
bezahlen, hat kaum jemand parat. Oettinger paktierte also öffentlich mit
den Verlegern und versprach, nur mit diesem Gesetz hätten sie eine Chance,
in der Zukunft auf Augenhöhe zu verhandeln.
## Enormes Lobbying von allen Seiten
Spricht man dieser Tage mit EU-Parlamentariern und deren Mitarbeitern, dann
erzählen viele, dass das Lobbying rund um die Urheberrechtsreform enorm
sei, nicht nur vonseiten der Zeitungsverleger. Zur geplanten Reform gehört
auch die Idee, Plattformen zu verpflichten, etwas gegen die Verbreitung
urheberrechtlich geschützten Materials jenseits von Texten zu unternehmen,
mit sogenannten „Upload-Filtern“.
Einen Parlamentarier zu finden, der öffentlich über den Druck redet, den
die Verbände ausüben, ist schwierig. Einige sprechen anonym. Man werde
„bombardiert mit Anrufen und Mails“ sowohl von Befürwortern als auch von
Gegnern der Urheberrechtsreform.
Ein anderer Mitarbeiter sagt, dass gerade die Vertreter des BDZV „teilweise
aggressiv“ für das Leistungsschutzrecht geworben hätten. Schon vor zwei
Jahren hat der BDZV die Weichen dafür gestellt, stärker für seine
Interessen kämpfen zu können. Die neue Verbandsstruktur werde „massiv
helfen – in Brüssel und in Berlin“, [2][jubilierte damals Valdo Lehari jr.,
Döpfners Stellvertreter beim BDZV].
Verlegerfreund Oettinger hat den entscheidenden Posten als Digitalkommissar
zwar inzwischen geräumt und kümmert sich nun um den Haushalt, doch die
Verlage haben weiterhin mächtige Verbündete. So spricht etwa CDU-Politiker
Axel Voss, immerhin Verhandlungsführer der Urheberrechtsreform im
Europaparlament, i[3][m IT-Dienst Golem davon], er habe „mittlerweile das
Gefühl, dass ein Axel-Springer-Verlag oder ein Deutschland oder ein Spanien
nicht mehr auf Augenhöhe mit diesen weltumfassenden Plattformen wie Google
oder Facebook“ sei.
Dass Voss ausgerechnet Axel-Springer als Leidtragenden nennt, einen Verlag,
der im vergangenen Jahr [4][knapp 380 Millionen Euro Gewinn] gemacht hat,
zeigt zumindest, wie erfolgreich Springer sich in den Kopf einiger
Parlamentarier gesetzt hat.
## Unliebsame Passage? Gelöscht!
Vor vier Wochen behauptete ein Abgeordneter [5][auf eutoday.net anonym],
die CDU würde über die konservative Fraktion EPP im Europaparlament
Fraktionskollegen im Auftrag von Axel Springer massiv unter Druck setzen,
damit sie für das Gesetz stimmen. EU-Piratin Julia Reda sprach von
„[6][Mafia-Methoden]“. Allerdings verschwand die Passage wieder von der
Seite. Sie wurde kurioserweise ersetzt mit der Behauptung: Nicht Axel
Springer, „der deutsche Verlagsgigant“, würde lobbyieren, sondern die
„großen Internet-Player“.
Warum der Text so radikal geändert wurde, wollten auf taz-Anfrage weder der
Autor noch die Betreiber der Webseite beantworten. Der Springer-Konzern
bestreitet, Einfluss genommen zu haben. „Die legitime Interessenvertretung
einer gesamten Branche mit Mafia-Methoden gleichzusetzen, ist komplett
absurd“, erklärt eine Sprecherin – und weist zugleich darauf hin, dass auch
„die Interessen von Axel Springer in Sachen Verlegerrecht vom BDZV“
vertreten würden.
Für Mittwoch ist die Abstimmung im federführenden Rechtsausschuss geplant.
Sowohl für das Leistungsschutzrecht als auch für die Upload-Filter sieht es
aktuell nach einer knappen Mehrheit aus – obwohl sich noch immer nicht alle
Verlage an Oettingers Linie halten. Vor allem Spiegel Online begleitet
diesen Prozess intensiv. Sascha Lobo schlagzeilte [7][dort gerade erst]:
„Miese Mauschelei der Mächtigen“. Auf vielen anderen Portalen herrscht
inzwischen eine auffällige Ruhe bei diesem Thema. Hier hat Oettingers
Doktrin offensichtlich seine Wirkung entfaltet.
19 Jun 2018
## LINKS
[1] https://youtu.be/vYt_7BVD1QQ
[2] https://www.youtube.com/watch?v=I_P84j61INo
[3] https://www.golem.de/news/axel-voss-das-leistungsschutzrecht-ist-nicht-die-…
[4] http://www.axelspringer.de/presse/Axel-Springer-erreicht-2017-kraeftiges-Um…
[5] https://web.archive.org/web/20180529173127/https://eutoday.net/news/politic…
[6] https://twitter.com/Senficon/status/1001514541317066754
[7] http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/leistungsschutzrecht-miese-mausc…
## AUTOREN
Anne Fromm
Daniel Bouhs
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