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# taz.de -- Martin Schulz über Krise in der Union: „Söder ist ein Rechtspop…
> Der Ex-SPD-Chef hält den Kurs der CSU für unmoralisch. Martin Schulz über
> den Unionskrach, Flüchtlingspolitik und Populismus in Europa.
Bild: Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat aus dem Jahr 2017
taz: Herr Schulz, der italienische Innenminister [1][Salvini nennt
Migranten „Menschenfleisch“]. Kann Merkel mit dem eine gemeinsame
europäische Flüchtlingspolitik auf die Beine stellen?
Martin Schulz: Ich kenne Salvini aus dem Europaparlament. Er ist jemand,
der permanent hetzt. Seine Flüchtlingspolitik darf niemals unsere sein.
Aber auch Salvini wird Kompromisse machen müssen.
Hat Deutschland nicht eine Mitschuld an der Situation? Innenminister
Friedrich hat 2011 gesagt: Die Flüchtlinge sind ein italienisches Problem.
Ja, ich habe schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass wir Italien
alleine lassen. Malta, Zypern, Griechenland, Italien schallte in Brüssel
von deutscher Seite stets entgegen: „Das Dublin Abkommen gilt. Wie ihr mit
den Flüchtlingen fertig werdet, ist eure Sache.“ Als Deutschland 2015 dann
eine Lastenverteilung in der EU wollte, wurden wir dann auf einmal von
anderen Staaten selbst im Stich gelassen. So wendet sich das Blatt.
Falls Innenminister Seehofer Flüchtlinge zurückweist, die schon in einem
anderen Staat registriert sind – macht die SPD das mit?
Seehofer will generell Flüchtlinge zurückweisen. Das widerspricht dem
Grundprinzip, dass es immer Einzelfallprüfungen geben muss. Merkel hat
Recht damit, dass man Flüchtlinge nur abweisen kann, wenn es
Rücknahmeabkommen mit anderen Ländern gibt. Das geht nur auf EU-Ebene. Das
ist europäisches Recht, kein nationales.
Die CSU sagt: Warum machen wir nicht, was Frankreich an der Grenze zu
Italien tut – Flüchtlinge abweisen?
Weil Frankreich mit Italien ein Rücknahmeabkommen hat.
Warum ist die SPD ist in dem Asylstreit keine vernehmbare Stimme?
Wenn sich CDU und CSU öffentlich – wegen eines Details des
Asylverfahrensrechts – massakrieren, ist das nicht Sache der SPD. Wir
stehen für eine realistische und humane Flüchtlingspolitik.
Die Union zerfetzt sich. Warum profitiert die SPD nicht davon?
Die SPD ist der stabile Anker in dieser Regierung. Wenn diese Regierung
scheitert, dann nicht wegen der SPD, sondern wegen der angeblich seriösen
bürgerlichen Union. Die akute Krise ist drei Woche alt. Wer sagt, dass die
SPD davon nicht profitieren wird?
In der Union gibt es den schlimmsten Krach seit 1949. Söder hält das Ende
des Multilateralismus für gekommen. Verwandelt sich die CSU in eine
rechtspopulistische Partei?
Markus Söder ist ein Rechtspopulist. Das Ende des Multilateralismus zu
begrüßen, ist mehr als kurzsichtig. Deutschland ist als drittgrößte
Exportnation der Welt auf Multilateralismus angewiesen. Dieser Satz zeigt,
dass es dem bayerischen Ministerpräsidenten an dem nötigen Weitblick fehlt,
um in der deutschen Politik eine wichtige Rolle zu spielen.
Verhält sich die CSU noch rational?
Es nutzt der CSU Meinungsumfragen in Bayern zufolge ja noch nicht mal. Aber
dafür heizt die CSU die Stimmung zugunsten der Rechtsextremen an. Sie
verkürzt Politik auf einen emotionsgeladenen kleinen Teilaspekt. Den Preis
dafür zahlen Wehrlose. Das ist nicht rational, sondern unmoralisch. Aber es
gibt politische Kräfte, die mittelfristig eine Regierung Spahn, Söder,
Lindner wollen. Das wäre Strache-Kurz auf Deutsch. Man muss sich vor Augen
führen, dass sich ein CDU-Bundesminister wie Jens Spahn nicht schämt mit
dem US-Botschafter, der sich wie ein Besatzungsoffizier aufführt, Selfies
zu machen. Die von diesem Botschafter propagierte „konservative Revolution“
ist das Ziel dieser Leute. Und dagegen müssen sich die progressiven und
demokratischen Kräfte stemmen.
Am Freitag geht es in Brüssel um den Eurozonenhaushalt. Ist der sinnvoll?
Ja.
Ist Merkel Macron [2][in Meseberg beim Eurozonenetat] weit genug
entgegengekommen?
Nein. Im Koalitionsvertrag steht, dass der Eurozonenhaushalt zur
wirtschaftlichen Dynamik in Europa beitragen soll. Wenn dieser
Investitionshaushalt wirken soll, muss er groß genug sein. Das geht am
besten über Eigenmittel der EU, etwa bei der Besteuerung der digitalen
Wirtschaft, von Plastik und der Finanztransaktionssteuer. Wie Frau Merkel
diese Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag konkret erreichen möchte, wie sie
die nötige Dynamik in Europa fördern möchte, dazu fehlt es mir bei den
Beschlüssen aus Meseberg noch die Ambition.
In der EU formiert sich Widerstand. Der niederländische Finanzminister hält
den Eurozonenetat für „die Lösung eines Problems, das es nicht gibt.“ Hat
Macrons Idee trotzdem eine Chance?
Ja, wenn Deutschland und Frankreich, die fast die Hälfte des BIP der
Eurozone produzieren, sich einig sind. Auch Spanien, Portugal und Belgien
wollen den Eurozonenetat. Die Eurozone braucht nachhaltiges Wachstum und
offene Märkte. Da ist es schon überraschend, wenn der Finanzminister einer
exportorientierten Nation wie der Niederlande so etwas sagt. Aber was
Politiker für die heimische Öffentlichkeit sagen und was sie in Brüssel
tun, hat oft wenig miteinander zu tun. Ich kritisiere das seit Jahren, weil
es zu einem Blame Game geführt hat. Alles, was schlecht läuft, ist Europas
Schuld. Alles, was gut läuft, wurde national erreicht. Beim
Eurozonenhaushalt bin ich mir sicher, dass er kommen wird.
Es gibt Gerüchte, dass es zur Europawahl 2019 in Deutschland eine
Pro-Europa-Partei nach dem Vorbild von Macrons En-Marche-Liste geben kann …
Das ist kein Gerücht. Macron wirbt dafür. Die En-Marche-Strategen überlegen
natürlich, warum in Europa nicht möglich sein soll, was in Frankreich
funktioniert hat.
57 Prozent der Deutschen könnten sich vorstellen, eine Partei wie Macrons
En marche zu wählen. Ist das ernst zu nehmen?
Viele Umfragen zeigen, dass die Mehrheit in der Bundesrepublik
proeuropäisch eingestellt ist. Und für keine Idee steht En Marche mehr, als
für das leidenschaftliche Bekenntnis zu einem geeinten Europa. In
Deutschland steht die SPD für diese Idee. Wir haben Europa im
Koalitionsvertrag eine zentrale Rolle gegeben. Wir sind die Europapartei in
Deutschland. Wenn wir Europa noch mehr ins Zentrum unserer Politik stellen,
brauchen wir hier keine En-Marche-Liste.
27 Jun 2018
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## AUTOREN
Stefan Reinecke
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