Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- AfD-Demo und Gegenprotest in Berlin: Zehntausende gegen Rechts
> Zu Land und zu Wasser: In Berlin haben tausende für und mehrere
> zehntausend Menschen gegen die AfD demonstriert.
Bild: Vorne bunt, hinten braun: DemonstrantInnen rund um den Berliner Hauptbahn…
Berlin taz | Die Abschlusskundgebung der AfD am Brandenburger Tor ist von
GegendemonstrantInnen umzingelt. Von allen Seiten umgeben sie den Platz,
Zäune, Absperrgitter und viel behelmte Polizei sind nötig, damit die Massen
nicht in die Kundgebung strömen. Ihre Rufe, „Ganz Berlin hasst die AfD“
oder „Nazis raus“, sind so laut, dass man die Redner der AfD nur schwer
versteht.
Parteichef Jörg Meuthen spricht, auch die Vizes Albrecht Glaser und Georg
Pazderski. „Zum Schluss der Höhepunkt: Dr. Alexander Gauland“, sagt Guido
Reil dann, einer der beiden Organisatoren der AfD-Demo. „Wir stehen hier,
weil wir unser Land lieben“, ruft Gauland ins Mikrofon. Die
„Konsensparteien“, wie Gauland die politische Konkurrenz nennt, dagegen
liebten „die Fremden, nicht euch“. Er versucht die GegendemonstrantInnen zu
übertönen, wird immer lauter bis er so ins Mikrofon brüllt, dass die Boxen
dröhnen.
Die Demonstration der AfD ist angekommen, hier auf dem Platz hinter dem
Brandenburger Tor. Damit hat die Partei zumindest ein Ziel ihrer heutigen
Veranstaltung erreicht. Als Erfolg dürfte sie diese Demonstration dennoch
kaum werten können: Auf der gerade mal 1,5 Kilometer langen Route wartete
an jeder Ecke lautstarker Gegenprotest. Am gegenüberliegenden Ufer der
Spree während der Auftaktkundgebung, an den Straßenkreuzungen und Plätzen
entlang der Route, auf Brücken über den und auf Booten auf dem Fluss:
Überall, wo die AfD war, waren die GegendemonstrantInnen schon da. Und sie
waren mehr: Rund 5.000 TeilnehmerInnen zählte die Polizei aufseiten der
AfD, rund 25.000 bei den vielen verschiedenen Veranstaltungen des
Gegenprotests.
Testlauf nach der Bundestagswahl
Dieser Sonntag war ein Test, in mehrfacher Hinsicht: Würde es der AfD
gelingen, bei ihrer ersten großen Demonstration nach der Bundestagswahl zu
punkten? Schafften es die Rechtspopulisten, ausgerechnet in Berlin genügend
Anhänger zu mobilisieren, um die Straßen für sich zu beanspruchen? Oder
würden andere Bilder von diesem Tag bleiben, Bilder einer weltoffenen
Stadt, die für vieles steht, was der AfD ein Dorn im Auge ist?
Im Herbst 2015 hatte die AfD noch fast ungestört den Boulevard Unter den
Linden entlangziehen können. Zwischen 5.000 und 6.000 Menschen folgten
damals ihrem Aufruf, dagegen stellte sich weniger als die Hälfte. Die linke
Szene, die Antifa, war da, aber vom Rest der Stadtgesellschaft war wenig zu
sehen.
Gleich mehrere Bündnisse
Das war dieses Mal völlig anders: Schon im Vorfeld hatte man das Gefühl,
kaum eine Initiative oder Institution dieser Stadt beteiligte sich nicht an
einem der zahlreichen Gegenbündnisse. Im größten hatten sich unter dem
Titel Stoppt den Hass – Stoppt die AfD mehr als 120 Organisationen
versammelt. Dazu kam eine eigene Demonstration der Theater– und Kunstszene,
ein riesiger Demo–Rave der Berliner Clubs, eine Boots– und Floßdemo auf der
Spree und eine explizit antirassistische Kundgebung.
Auch Blockaden waren geplant, hier griff die Polizei allerdings von Anfang
an hart durch: Noch bevor die DemonstrantInnen die Route der AfD erreicht
hatten, setzte sie Pfefferspray und Schlagstöcke ein. BeamtInnen traten auf
DemonstrantInnen, die schon am Boden lagen. „Das war nicht
verhältnismäßig“, sagte die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Martina
Renner, die als Beobachterin bei der Demo dabei war. Pfefferspray gehöre
ohnehin nicht auf Einsätze wie diesen.
Doch weder hier noch anderswo lassen sich die GegendemonstrantInnen
entmutigen: Wenig später strömen überall aus den Seitenstraßen diejenigen
herbei, die beinahe verloren gegangen waren. Die Reste schließen sich mit
der Glänzenden Demo der Künstler zusammen, tausenden Menschen, die golden
und silbern schimmernde Rettungsfolien über ihren Köpfen wehen lassen.
„Glamour gegen die AfD“ steht auf einem Schild, „AfD: A Fucking Disgrace�…
auf einem anderen.
Gegen 14 Uhr nähert sich der Zug der AfD-Route. Das Pfeifkonzert ist
ohrenbetäubend. „Ganz Berlin hasst die AfD“, skandiert die Menge. Es ist
kaum möglich, auf der Demostrecke zu laufen, ohne der AfD in Seh- und
Hörweite zu kommen. Und jedes Mal finden sich Hunderte oder Tausende, die
zeigen, was sie von der AfD halten: gar nichts.
Ab 12 Uhr mittags hatten sich die AnhängerInnen der rechtspopulistischen
Partei am Hauptbahnhof versammelt, Plakate mit Aufschriften wie „Arrest
Merkel“ und „Finger weg von Höcke“, in der Mitte eine große schwarze Fa…
„Widerstand“ steht in weißer Frakturschrift darauf. Auch Pegida-Fahnen sind
zu sehen, obwohl die nach Angaben von Steffen Königer, einem der beiden
Organisatoren der AfD-Demo, nicht erlaubt sein sollen.
Bürger in Shorts und Sommerkleidern stehen hier in der prallen Sonne neben
jungen Männern mit strengem Scheitel. Insgesamt sind hier mehr Alte als
Junge, mehr Männer als Frauen – wie immer bei der AfD. Unter den
DemonstrantInnen finden sich auch Anhänger der rechtsextremen Identitären
Bewegung, gut zu erkennen an T-Shirts mit dem Logo der völkischen
Organisation. Im Vorfeld hatte die AfD angekündigt, die Identitäre Bewegung
auf der Veranstaltung nicht zu dulden.
Auf dem Platz sprechen erst zwei Lokalaktivisten, dann ruft Andreas Kalbitz
all die Stichworte über den Platz, die Rechtspopulisten begeistern. Er
spricht vom „Schutz deutscher Familien“, von „sozialer Kälte“, sagt, d…
der Islam nicht zu Deutschland gehöre und er Frieden mit Russland wolle.
Immer wieder brüllen die Demonstranten „Merkel muss weg“, „Wir sind das
Volk“ und, sehr aggressiv: „Widerstand, Widerstand.“
Beatrix von Storch, die stellvertretende Fraktionschefin im Bunddestag,
spricht, wie so oft, gar von einer Schickalsfrage: „Wir stehen hier und
heute am Scheideweg unserer Geschichte“, ruft von Storch nach Kalbitz über
den Platz. Es gehe um nicht weniger als die Entscheidung zwischen „Freiheit
oder Islamisierung“.
Schleppende Mobilisierung
Schon im Februar hatte die AfD angekündigt, in Berlin demonstrieren zu
wollen. Ursprünglich war die Demonstration als Protest gegen die große
Koalition gedacht, schlussendlich lief sie unter dem wenig sagenden Motto
Zukunft Deutschland. 10.000 TeilnehmerInnen waren angemeldet. Doch die
Mobilisierung begann spät und war schleppend – wohl auch, weil die Demo
innerhalb des Bundesvorstands der Partei nicht unumstritten war.
Dieser ist, wie die gesamte Partei, gespalten in die, die auf die Arbeit in
den Parlamenten setzen und auf eine baldige Regierungsbeteiligung hoffen,
und jene, vor allem aus dem radikal rechten AfD-Flügel um Höcke, für die
die AfD eine Bewegungspartei ist. Zumindest in Berlin, das hat dieser
Sonntag gezeigt, ist die AfD davon aber offenbar weit entfernt.
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 17.53 Uhr.
27 May 2018
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
Patricia Hecht
Sabine am Orde
Malene Gürgen
## TAGS
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Antifa
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Anti-AfD-Proteste
Irmela Mensah-Schramm
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Lesestück Interview
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Angst der AfD vorm Verfassungsschutz: Berliner werden Kameradenschweine
Aus Angst vor der Beobachtung distanziert sich der AfD-Landesverband von
Kameradschaften und NPD. Der gemäßigte Landeschef steht in der Kritik.
Organisatoren zu „Welcome United“-Demo: „Das Nationale unterlaufen“
Tausende Menschen wollen zur antirassistischen Demo in Hamburg kommen. Ein
Gespräch über die Bewegung gegen Rechts und ihre Veränderung seit den 90er
Jahren.
Berichterstattung zu AfD- & Gegendemos: Einfach sagen, was sie tun
Das Presseecho zu den Protesten am Sonntag in Berlin war groß. Doch anstatt
neutral zu berichten, übernahmen viele Medien das Framing der Rechten.
AfD-Demonstration und Gegenprotest: 25.000 gegen die AfD? Mindestens
Wie viele Menschen haben für und wie viele gegen die AfD demonstriert? Die
kursierenden Zahlen überschätzen die AfD und unterschätzen die Gegendemos.
Festnahme von Anti-AfD-Demonstrantin: Aktivistin kritisiert aggressive Beamte
Irmela Mensah-Schramm sagt, sie habe mit der Polizei abgesprochen, wo sie
ein Plakat platzieren könne. Dann wurde sie festgenommen.
Kommentar Nahles über Asylpolitik: Mit den Argumenten der Rechten
Während Zehntausende gegen die AfD auf die Straße gehen, sagt die
SPD-Chefin: „Wir können nicht alle bei uns aufnehmen“. Wie bescheuert.
Initiator über Club-Bündnis gegen Rechts: „Nein, AfD, nicht mit uns“
Mehr als 170 Berliner Clubs wollten die „AfD wegbassen“. Initiator Anias
Stier über den notwendigen Protest. „Wir haben keinen Bock mehr auf die
rechte Scheiße“, sagt er.
Kommentar zum Protest gegen die AfD: Die Macht der Bilder
Der große, bunte Protest gegen die AfD-Demonstration in Berlin war ein
voller Erfolg. Das zeigt, wie gestrig die Wutbürger-Bewegung ist.
Gegen die AfD in Berlin: Der Fluss gehört dem Protest
Nicht nur an Land, auch auf der Spree wird gegen die AfD demonstriert, mit
einer kleinen antifaschistischen Flotte. Der Tag an Bord der „Anarche“.
Schriftstellerin über Protest gegen die AfD: „Zeigen, was wir haben“
Am Sonntag demonstriert die AfD in Berlin. Kathrin Röggla, die
Vizepräsidentin der Akademie der Künste, erklärt, wie die Kulturszene
dagegen protestiert.
AfD-Demo und Gegenproteste: Glänzen, strahlen, tanzen
13 Bündnisse rufen gemeinsam zu Veranstaltungen gegen die AfD-Demo am
Sonntag auf. Dabei sind Künstler, Geflüchtete und viele Berliner Clubs.
Vor der bundesweiten AfD-Demo: Die Patrioten müssen werben
Auf 10.000 Demo-TeilnehmerInnen hatte die Partei ursprünglich gehofft.
Jetzt müssen die Vertreter die Erwartungen herunterdimmen.
Renate Künast über AfD-Shitstorm: „Diese Kreise wollen zerstören“
Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne) ruft zur Demonstration
gegen die AfD auf. Von Rechten wird sie daraufhin mit Hasskommentaren
bombadiert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.