# taz.de -- Umweltforscher über EU-Plastikstrategie: „Plastik ist nicht gut … | |
> Die am Montag vorgestellte Strategie der EU-Kommission wirkt nur gegen | |
> ein Prozent der Kunststoffabfälle, kritisiert Henning Wilts vom Wuppertal | |
> Institut. | |
Bild: Strohhalme gehören zu jenem Plastikmüll, gegen den die EU-Kommission je… | |
taz: Herr Wilts, sind Strohhalme, Ballonstäbe und Plastikbesteck ein so | |
großes Umweltproblem, dass wir sie verbieten müssen? | |
Henning Wilts: Es ist wichtig, dass die Kommission das Thema Plastikmüll | |
aufgreift. Aber die vorgeschlagenen Maßnahmen gelten nur für 1 Prozent des | |
Abfalls, die anderen 99 Prozent werden nicht erfasst, den Mitgliedsländern | |
überlassen oder mit langen Übergangsfristen versehen. | |
Was bleibt außen vor? | |
Alle Kunststoffe, die in Verpackungen, im Bau, in Autos und in | |
Elektronikprodukten eingesetzt werden. Statt dafür Lösungen zu finden, | |
diskutieren wir über Verbote von Ballonsticks oder Warnhinweisen auf | |
Tamponpackungen. Da ist auch viel Aktionismus und Show dabei. | |
Die Kommission will Plastikmüll im Meer reduzieren … | |
Es geht ihr vor allem darum, die Strände sauberer zu bekommen. Dort liegen | |
überwiegend 0,3-Liter-Flaschen aus dem Kunststoff PET, und die geht die | |
Kommission gerade nicht an. In Deutschland gibt es dafür ein gutes | |
Pfandsystem mit Sammelquoten von über 95 Prozent. Das ist aber sehr | |
bürokratisch und teuer – und die anderen Mitgliedstaaten sollen bis 2025 | |
Zeit bekommen, etwas Ähnliches einzuführen. Das dauert zu lange. | |
Bilder der großen Müllstrudel in den Ozeanen erschrecken viele Verbraucher. | |
Trägt die Plastikstrategie dazu bei, dieses Problem zu lösen? | |
Die Müllstrudel sind erschreckend, bestehen aber überwiegend nicht aus | |
unserem Müll, sondern zu über 90 Prozent aus einer Hand voll asiatischer | |
Länder ohne eine geregelte Abfallentsorgung. Allerdings ist es natürlich | |
auch Plastikabfall, der bei der Herstellung der Produkte anfällt, die wir | |
dann billig aus diesen Ländern importieren. | |
Wie könnte man für weniger Plastikmüll in Europa sorgen? | |
Mit deutlicheren Anreizen für die Hersteller, weniger Verpackungen | |
einzusetzen. Zwei Drittel unseres Kunststoffmülls sind Verpackungen, und es | |
gibt immer mehr davon. In Deutschland hat sich das Verpackungsaufkommen von | |
1995 bis 2015 pro Kopf verdoppelt – eine völlig falsche Entwicklung. | |
Sinnvoll wäre also vorzuschreiben, dass wir sehr schnell nur noch | |
recycelbare Verpackungen einsetzen. In Deutschland müssen jetzt schon | |
Hersteller oder Supermärkte, die Plastikverpackungen verkaufen, Gebühren | |
für die Entsorgung bezahlen. Wir könnten diejenigen finanziell entlasten, | |
die auf Verpackungen verzichten. Dafür müssten die mehr zahlen, die weiter | |
auf Schälchen und Folien setzen. | |
Was halten Sie von der Plastiksteuer von Haushaltskommissar Günther | |
Oettinger? | |
Nicht viel. Plastik ist nicht per se gut oder böse – es kommt darauf an, | |
wie wir es verwenden. Es ist gut, wenn Autos durch Kunststoffbauteile | |
leichter werden und weniger Sprit verbrauchen. Alufolie etwa verursacht | |
viel dramatischere Umweltprobleme als Plastik. Sinnvoll wäre daher eine | |
Materialsteuer auf alle primären Rohstoffe, die aus Bergwerken oder | |
Bohrlöchern stammen und nicht aus Recycling. Wir müssen insgesamt weniger | |
Rohstoffe verbrauchen. | |
Die EU-Kommission will Plastik durch „saubere Alternativen“ ersetzen … | |
Die biobasierten Kunststoffe etwa aus Mais oder Rüben hat die EU-Kommission | |
zum Glück schon ausgeschlossen, das war sehr wichtig. Es nützt nichts, wenn | |
wir für eine verstärkte Pflanzenproduktion die Regenwälder abholzen. | |
Alternativen können nur wiederverwertbare und langlebige Lösungen sein wie | |
Mehrweg. | |
Oder Papiertüten und Einweg-Geschirr aus Bambus? | |
Die sind im Durchschnitt nicht besser als die aus Plastik. Sie landen nicht | |
im Meer, verbrauchen aber mehr Ressourcen bei der Herstellung. Am | |
schlimmsten wäre es, wenn Plastiklöffel durch dünne Alu-Löffel ersetzt | |
würden. Dann wäre gar nichts gewonnen. | |
28 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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