| # taz.de -- Streit um Recycling von Schutt: Die ewige Baustelle | |
| > Mehr Recycling im Bau und trotzdem Böden schützen – nach jahrelangem | |
| > Gezerre schien eine Einigung möglich. Jetzt wankt der Kompromiss wieder. | |
| Bild: Alte Rohre für Stromkabel liegen im Graben einer Baustelle. Wohin mit de… | |
| Berlin taz | Bekommt die Bundesregierung den größten Abfallstrom – Bau- und | |
| Abbruchabfälle – weiterhin nicht in den Griff? Seit mehreren | |
| Legislaturperioden versuchen Bund und Länder landesweit einheitliche Regeln | |
| zu erlassen, nach denen Bauherren Recyclingbaustoffe verwenden können, ohne | |
| Böden oder Grundwasser zu verschmutzen. | |
| Immer wieder sind sie an den gegenläufigen Interessen der beteiligten | |
| Branchen und [1][am Zielkonflikt Ressourcenschutz versus Umweltschutz | |
| gescheitert]. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft müssten Recyclingbaustoffe | |
| intensiv eingesetzt werden und Kies- und Sandgruben entlasten; zum Teil | |
| sind die Baustoffe aber mit Kohlenwasserstoffen oder Kunststoffen | |
| verschmutzt und gefährden dann womöglich Böden und Grundwasser. | |
| Kürzlich schien eine Einigung zum Greifen nahe. Doch nun sieht es so aus, | |
| als müsse der Gesetzentwurf noch einmal ganz von vorne diskutiert werden. | |
| Die lange Zeit zerstrittenen Länder hatten sich Anfang November im | |
| Bundesrat auf gemeinsame Regeln geeinigt; nach langen Verhandlungen unter | |
| Koordination des Bundesumweltministeriums (BMU) hatten sie einen von | |
| Nordrhein-Westfalen und fünf weiteren Bundesländern erarbeiteten | |
| Kompromissvorschlag verabschiedet. | |
| Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth hatte im Vorfeld fast flehentlich um | |
| die Zustimmung der Landesumweltminister geworben; die | |
| Ersatzbaustoffverordnung werde „[2][die Schonung primärer | |
| Baustoffressourcen] mit dem Schutz von Boden und Grundwasser verbinden“, | |
| das BMU begrüße es, die „mittlerweile 15-jährige Befassung zu diesem Thema | |
| nun zu einem für alle bestmöglichen Ende führen zu können“. | |
| ## Jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln | |
| Die Gemengelage ist so kompliziert wie die betroffenen Mengen riesig: | |
| Geschätzte 220 Millionen Tonnen Erde, Steine, Ziegel, Asphalt, Fliesen, | |
| Keramik, Schlacken und Asche fallen jährlich in Deutschland an, durch den | |
| Bau und Abbruch von Bauwerken, aber auch durch industrielle Prozesse, etwa | |
| in der Eisen- oder Kupferverhüttung. Dieser Stoffstrom macht etwa die | |
| Hälfte des gesamten deutschen Abfallaufkommens aus. | |
| Bislang ist der Umgang damit nicht einheitlich geregelt, jedes Bundesland | |
| richtet sich nach eigenen, zum Teil sehr alten technischen Regelwerken und | |
| Vollzugshinweisen. Schon lange fordern die Recyclingwirtschaft und die | |
| Erzeuger von Schlacken einheitliche und übersichtliche Regelungen. | |
| ## Zufrieden mit Kompromiss | |
| Mit dem Kompromiss sind nun viele Beteiligte zufrieden: „Wir haben endlich | |
| eine gute, pragmatische Regelung gefunden“, sagt etwa der | |
| baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Auch die | |
| Interessenverbände der großen Entsorgungsunternehmen, der | |
| Ersatzbaustoffbranche und der Aufbereiter von Schlacken begrüßten den | |
| „pragmatischen“ Länderkompromiss und lobten, nun bekomme die Branche „ein | |
| Regelwerk, das die Akzeptanz von Ersatzbaustoffen und Recyclingrohstoffen | |
| stärkt und die Problematik der teilweise regional bestehenden | |
| Kapazitätsengpässe bei Deponien nicht weiter verschärft“. | |
| Zwar hätte man sich aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten in den | |
| Ländern Länderöffnungsklauseln gewünscht, sagt Michael Henze vom | |
| Bundesverband für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Doch trage man | |
| den Kompromiss nun mit, auch weil er nachhaltige Regelungen zum Bodenschutz | |
| enthalte, etwa Baustellen mit bodenschonenden Maschinen und wetterabhängig | |
| zu befahren, so Henze. Der gefundene Kompromiss vermittele „konstruktiv | |
| zwischen verschiedenen Stakeholdern der Bau-, Recycling- und | |
| Rohstoffwirtschaft“, befand der Bundesverband mineralische Rohstoffe. | |
| ## Heftige Kritik von der Bauwirtschaft | |
| Von der Bauwirtschaft hingegen kam heftige Kritik. „Eine sinkende | |
| Verwertungsquote bei mineralischen Abfällen und steigendem Deponiebedarf | |
| seien vorprogrammiert“, befürchten der Hauptverband der Deutschen | |
| Bauindustrie, der Zentralverband Deutsches Baugewerbe und der Deutsche | |
| Abbruchverband. Bauen werde nun teurer, vor allem im Straßenbau, | |
| Deponiekapazitäten würden knapp. | |
| Damit rücken nun das Verkehrs- und das Innenministerium in den Blickpunkt, | |
| denn die Bedenken der Bauwirtschaft wurden bislang vor allem von den | |
| CSU-geführten Ministerien Bauen und Verkehr aufgenommen. Beide verweisen | |
| auf Nachfrage darauf, dass die Ressortabstimmung noch nicht abgeschlossen | |
| sei. | |
| ## Bedenken können noch aufgegriffen werden | |
| Vorsorglich hatte das Bundeskanzleramt die unionsregierten Länder vor der | |
| Bundesratsabstimmung jedoch darüber informiert, dass die Länderkammer den | |
| Gesetzentwurf des Bundes so stark verändert habe, dass eine neue | |
| Ressortabstimmung notwendig sei. Dabei könnten dann noch Bedenken der | |
| Bundesressorts aufgegriffen werden. Nach Befassung des Bundestages würde | |
| die überarbeitete Verordnung dann dem Bundesrat zur Beschlussfassung | |
| zugeleitet, so das Kanzleramt – das heißt, die Verhandlungen gingen wieder | |
| von vorne los, auch in dieser Legislaturperiode stünde eine Einigung | |
| infrage. Es dürfe nicht sein, dass die CSU nun einen in mühsamer Arbeit | |
| ausgehandelten Kompromiss torpediere, sagt Untersteller. | |
| Problematischer als das Fehlen einheitlicher Regeln für den Einsatz von | |
| Ersatzbaustoffen halten Bauexperten allerdings die aktuelle Bau- und | |
| Rückbaupraxis. „Es ist zweifelhaft, ob bei einem Hausbau nach der | |
| Fertigstellung eine Prüfung erfolgt, ob solche Quoten wirklich eingehalten | |
| wurden“, sagt Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen | |
| Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. | |
| Es sei ja richtig, dass die Bundesebene für Klima- und Ressourcenschutz | |
| sorgen wolle. Doch vor Ort seien die Kommunen zuständig. Und in deren | |
| Verwaltungen sei in den letzten Jahren so viel verschlankt worden, dass sie | |
| keinen wirklichen Raum haben um etwaige Sonderlösungen oder pragmatische | |
| Ansätze zu prüfen und zu genehmigen, so Lemaitre. „Wenn Sie keine gut | |
| ausgebildeten, motivierten Mitarbeiter in den Bauverwaltungen haben, geht | |
| es nur um die Erfüllung von Vorgaben und nicht um die Frage, ob diese im | |
| Falle des konkreten Bauprojekts auch sinnhaft sind oder ob hier | |
| Ausnahmeregelungen genehmigt werden sollten.“ | |
| 24 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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