# taz.de -- Streit über Recycling-Baustoffe: Seehofer schottert Kompromiss | |
> Der Innenminister boykottiert eine Einigung zu Recycling-Baustoffen. Es | |
> geht um den größten Abfallstrom in Deutschland. | |
Bild: Deutschlands größter Abfallstrom: 250 Mio. Tonnen Schutt, Schlacken und… | |
Berlin taz | In der SPD-Fraktion wächst der Unmut, weil Innenminister Horst | |
Seehofer (CSU) eines der wichtigsten Umweltregularien der letzten Zeit | |
boykottiert. „Es kann nicht sein, dass Horst Seehofer die mühsam erreichte | |
Einigung blockiert“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende | |
Matthias Miersch, „ich erwarte, dass die Verordnung zügig kommt“. | |
Im November hatte der Bundesrat [1][nach insgesamt 15-jähriger | |
Verhandlungszeit die sogenannte Mantelverordnung verabschiedet], die den | |
Umgang mit Schutt, Schlacken und Erden bundesweit neu regelt. Mit rund 250 | |
Millionen Tonnen jährlich ist das der größte Abfallstrom in Deutschland. | |
Aus dem Material werden etwa Straßen, Wege oder Schallschutzwände gebaut; | |
es kann in Bergwerke verfüllt oder muss, wenn es belastet ist, auf Deponien | |
gelagert werden. Die Verordnung versucht einen Kompromiss [2][zwischen den | |
Ansprüchen der Kreislaufwirtschaft] – möglichst viel Abbruchmaterial | |
wiederzuverwerten und so Primärmaterial aus Kies- und Sandgruben | |
einzusparen – und dem Umweltschutz. | |
Es soll kein verschmutztes Material verbaut werden und etwa gefährliche | |
Kohlenwasserstoffe in Böden oder Grundwasser abgeben. Um diesen | |
Zielkonflikt aufzuheben, sieht die Verordnung für die jeweiligen | |
Ersatzbaustoffe bestimmte Schadstoffgrenzwerte vor; die Einhaltung müssen | |
die Hersteller im Rahmen einer Güteüberwachung gewährleisten. Zum anderen | |
schreibt die Verordnung an diese Grenzwerte angepasste Einbauweisen je nach | |
den örtlichen Gegebenheiten vor. | |
„Die Mantelverordnung ist ausverhandelt“, sagt der stellvertretende | |
Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Michael Thews (SPD). Seit | |
15 Jahren sei die Verordnung zwischen Bund und Ländern nun diskutiert | |
worden, es seien Planspiele veranstaltet und unzählige Gespräche mit allen | |
Beteiligten geführt worden; „jetzt brauchen wir endlich Rechtssicherheit“, | |
sagt Thews. Es könne nicht sein, dass der Innenminister bayerische | |
Sonderinteressen vertrete und damit eine dringend gebotene einheitliche | |
Regelung unmöglich mache: „Jetzt ist ein Machtwort aus dem Kanzleramt | |
fällig“, so Thews. | |
Nachdem sich die Länder auf einen Kompromiss geeinigt haben – den fünf | |
Bundesländer und das Bundesumweltministerium (BMU) erarbeitet hatten –, | |
muss das Bundeskabinett dem nun in einer letzten Runde noch zustimmen. Doch | |
diese Zustimmung verweigert der Innenminister. „Das BMI steht zum | |
Koalitionsbeschluss von 2017 und zu dem von der Bundesregierung | |
beschlossenen Verordnungsentwurf“, teilt das Ministerium mit. | |
Die in dem Kompromiss des Bundesrates „enthaltenen umfangreichen Änderungen | |
machten eine erneute Anhörung des Bundestages und eine Abstimmung innerhalb | |
der Bundesregierung zwingend erforderlich“. Das würde de facto das Ende der | |
Verordnung bedeuten, weil in der ablaufenden Legislaturperiode nicht mehr | |
genug Zeit für den Prozess bleibt. Schließlich muss die Verordnung auch | |
noch in Brüssel notifiziert werden. | |
Mit seiner Weigerung erbost Seehofer nicht nur den Koalitionspartner und | |
den Wirtschaftsflügel der CDU; ein breites Bündnis aus Wirtschaftsverbänden | |
– von der Entsorgungswirtschaft über die chemische Industrie bis hin zum | |
Bundesverband der Deutschen Industrie fordert nun endlich | |
bundeseinheitliche Regelungen – vor allem, weil die Verordnung eine | |
verkürzte Evaluierungszeit von zwei Jahren vorsieht. Für seinen Kurs findet | |
Seehofer aber auch Zustimmung: Der Recycling-Verband bvse stört sich vor | |
allem daran, dass Sekundärbaustoffe künftig bundesweit dem Abfallrecht | |
unterliegen sollen. Bislang gilt gerade in den bevölkerungsreichen Ländern | |
für bestimmte Recyclingbaustoffe das Produktrecht. „Wer Recycling will, | |
muss auch die Nutzung von Recyclingprodukten fördern“, sagt der Verband und | |
fordert eine Länderöffnungsklausel. Ansonsten werde die Politik nicht | |
umhinkommen, das Thema in der nächsten Legislatur noch einmal in Angriff zu | |
nehmen. | |
3 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-Recycling-von-Schutt/!5729628 | |
[2] /Kreislaufwirtschaft-in-Deutschland/!5319283 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
## TAGS | |
Recycling | |
Bauen | |
Umwelt | |
Bauwirtschaft | |
Nachwachsende Rohstoffe | |
Abfall | |
Hilfsgelder | |
Recycling | |
Baustoffe | |
Recycling | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bauindustrie kämpft mit Nachhaltigkeit: Sonderklausel für Bayern | |
Während die Bauindustrie sich vor höheren Kosten für Holz, Stahl und | |
Kunststoff fürchtet, will der Bundestag Regeln für Recyclingbaustoffe | |
zustimmen. | |
Bauexperte über knappe Rohstoffe: „Exportverbote sind populistisch“ | |
Holzausfuhren verbieten? Klaus Dosch hält das für eine schlechte Idee. Im | |
Gespräch sagt der Experte für nachhaltiges Bauen, welch positive Seite | |
Knappheit hat. | |
Abfallquoten in der EU: Müll-Spitzenreiter Dänemark | |
Auch die Deutschen verursachen mehr Abfall pro Kopf als im europäischen | |
Schnitt. Das EU-Parlament fordert mehr Recycling – etwa durch Öko-Design. | |
Ergebnisse des Koalitionsausschusses: Coronabonus für Kinder und Arme | |
Kinder und Harz IV-Bezieher:innen sollen einmalig 150 Euro extra bekommen. | |
Auch für Unternehmen und die Gastro beschließt die Groko weitere Hilfen. | |
Streit um Recycling von Schutt: Die ewige Baustelle | |
Mehr Recycling im Bau und trotzdem Böden schützen – nach jahrelangem | |
Gezerre schien eine Einigung möglich. Jetzt wankt der Kompromiss wieder. | |
Recycling von Bauabfall: Bauschutt im Bundesrat | |
Bauabfälle könnten nachhaltiger bewirtschaftet werden. Recyclingstoffe | |
stehen aber unter Verdacht, minderwertig zu sein. Jetzt wird | |
nachverhandelt. | |
Kreislaufwirtschaft in Deutschland: Schutt bleibt Dreck | |
Recyclingfirmen werden ihre Ware nicht los, denn diese könnte belastet | |
sein. Über Konflikte zwischen Ressourcen- und Umweltschutz. |