# taz.de -- Blackfacing im Bremer Theater: Mit rassistischer Schminke | |
> Das Theater Bremen sorgt mit seiner Aufführung der Oper „The Rake’s | |
> Progress“ für einen Blackfacing-Skandal, den der Intendant nicht erkennen | |
> mag. | |
Bild: Schwarz angemalt, aber nicht so gemeint, ensteigt Nick Shadow dem Untergr… | |
BREMEN taz | Blackfacing, also [1][sich das] Gesicht schwarz anzumalen, | |
[2][ist meistens vermeidbar]. Auch ist es, unreflektiert, stets skandalös – | |
weil es auf die eigentlich überwunden geglaubte rassistische Kulturpraxis | |
Bezug nimmt, sich mit geschwärztem Gesicht über schwarze Menschen lustig zu | |
machen. Trotzdem passiert’s immer wieder, so wie [3][am Sonntag in der | |
Bremer Oper]. Oder, wie Generalintendant Michael Börgerding sagt: „Das ist | |
uns nicht passiert.“ Es sei vielmehr mit allen Beteiligten, „insbesondere | |
natürlich mit dem Sänger selbst“, besprochen und für unproblematisch | |
befunden worden. | |
Dass in der von Michael Talke inszenierten neoklassizistischen Oper „The | |
Rake’s Progress“ von Igor Strawinsky bei der Premiere am Sonntag der sonst | |
eher blasshäutige Christoph Heinrich komplett schwarz gekleidet und im | |
Gesicht geschminkt ist, sei nämlich „gerade kein Blackfacing“. Der | |
Bassbariton, musikalisch an jenem Abend in Höchstform, spielt Nick Shadow, | |
also eine Figur, die Schatten des Protagonisten und Teufel zugleich ist. | |
Und das sei eben „nicht die Darstellung eines schwarzen Menschen“, so | |
Börgerding. Nur dann aber könne von Blackfacing die Rede sein. | |
## Eklat bei der Premierenfeier | |
Beim Premierenabend hatten das mehrere Besucher*innen anders gesehen. Zum | |
Eklat kam es, als Börgerding bei der Premierenfeier in seiner Ansprache in | |
Vorwegverteidigung die ihm zugetragene Kritik rüde abwatschte: Es sei | |
kränkend und anmaßend, wenn man dem Theater unterstelle, sich nichts dabei | |
gedacht zu haben. Und es sei ja keine Darstellung eines schwarzen Menschen. | |
„Deshalb hab ich dann meinen Missmut und Kritik reingerufen“, erklärte die | |
Bürgerschaftsabgeordnete und Kulturdeputierte Kai Wargalla (Grüne), später | |
via Facebook. „Ging nicht anders. Warum sagt denn niemand was zu diesen | |
Pseudo-Rechtfertigungen?!“ | |
Als sie unter Protest die Veranstaltung verließ, und mit ihr der | |
Musiktheaterbeauftragte im Vorstand des Theaterfreunde-Vereins, habe | |
Börgerding das noch hämisch kommentiert, unter dem Applaus der | |
Premierengäste. „Das habe ich nicht“, sagte Börgerding zur taz, „und ich | |
bedauere, dass sie das so wahrgenommen hat.“ Dafür werde er sich | |
entschuldigen. Fragen müsse man sich aber doch, warum sich nur | |
nicht-schwarze Menschen wegen der Schminke bei ihm beklagt hätten. „Dürfen | |
die das?“, so Börgerding zur taz. „Wer repräsentiert hier wen?“ | |
Naja, auch wenn Paternalismus droht, kann es nötig sein, sich für die | |
Interessen von Minderheiten einzusetzen: Bis auf die Garderobiere hat auch | |
die taz keine People of Color in der Premiere getroffen. Aber der Sprecher | |
der [4][Initiative Schwarzer Menschen] Tahir Della bestätigt Wargallas | |
Einschätzung: „Dieses Stilmittel, jemanden schwarz zu schminken, ist sehr | |
belastet“, sagte er der taz. | |
Schwarz ist der Teufel sicherlich | |
Und während Intendant Börgerding die Schwärzung seines Darstellers durch | |
ihre Zeichenhaftigkeit für legitimiert hält, ist es aus Dellas Sicht gerade | |
der semiotische Charakter der Schminke, die zwangsläufig | |
rekontextualisiert: „Es geht um den Marker und die Bedeutungen die durch | |
dieses Stilmittel transportiert werden“ – weniger darum, ob die Rolle einen | |
schwarzen Menschen konkret karikiert. | |
Gerade das Diabolische schwarz zu machen – „ich meine, warum überhaupt? Den | |
Teufel stelle ich mir als alles mögliche vor, aber warum denn schwarz?“ – | |
sei selbstverständlich besonders problematisch: „Diese Gleichung, schwarz | |
gleich schlecht, das wirkt verletzend. Und diese Wirkung für schwarze | |
Menschen ist eindeutig.“ Darin aber liege das Problem: „Es geht um die | |
Wirkung.“ Und gerade weil in den allermeisten Fällen „keine rassistische | |
Haltung dahinter“ stehe, sei einigermaßen verstörend, wie brachial die | |
Praxis verteidigt werde. | |
Überraschend, dass das Theater Bremen so unbedarft in die Rassismus-Falle | |
tappt. Es war Börgerding, der dem mobilen Mahnmal für den 2005 im | |
Polizeigewahrsam infolge eines Brechmitteleinsatzes gestorbenen Laye Alama | |
Condé Asyl gegeben hat: Die Installation [5][erinnert] an den Toten und die | |
übrigen, fast ausnahmslos schwarzen Opfer dieser Praxis. Börgerding hatte | |
zudem die [6][radikal Kolonialismus-kritische Performance-Gruppe | |
Gintersdorfer/Klaßen] für Jahre ans Haus gebunden. Und gemeinsam mit der | |
Steptext Dance Company [7][richtet man aktuell das Africtions-Festival] | |
mit zeitgenössischer Tanzkunst aus dem europäisch-afrikanischen | |
Spannungsfeld aus. | |
Damit scheidet wenigstens die böseste Lesart des Skandals aus: Dass man es | |
damit – und mit der Darstellung einer Türkin als komplett behaarte | |
Dreivierteläffin – darauf angelegt hätte, der einfallsarmen brav | |
musizierten Produktion wenigstens zu etwas Aufmerksamkeit zu verhelfen. | |
29 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.migazin.de/2015/02/18/warum-blackfacing-auch-2015-immer-noch-ras… | |
[2] /Ueber-Rassismus-reden/!5367239 | |
[3] https://theaterbremen.de/de_DE/spielplan/the-rake-s-progress.1129004 | |
[4] http://isdonline.de/ | |
[5] /Bremer-Brechmittel-Opfer/!5471959 | |
[6] https://www.gintersdorferklassen.org/projekte/1968/ | |
[7] http://africtions.com/ | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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