# taz.de -- Streit um Asylverfahren beim Bamf: Das amtliche Drama von Bremen | |
> Was war los in der Bremer Außenstelle des Bamf? Kollegen schildern die | |
> ehemalige Leiterin als eine Frau, die helfen wollte. | |
Bild: Wurde beim Bamf zu viel Menschlichkeit verhüllt? | |
Bremen taz | So viel steht fest: [1][Das Drama] um die Bremer Außenstelle | |
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bietet eine zu schöne | |
Bühne, um sie einer Provinzpolitikerin zu überlassen. Zunächst hatte Josefa | |
Schmid sie geschaffen und dann nicht ohne Geschick genutzt, nun tut es der | |
Bundesinnenminister. | |
Die ehrenamtliche Dorfbürgermeisterin von Kollnburg und | |
FDP-Landtagskandidatin im Wahlkreis Straubing war von Januar an als | |
kommissarische Leiterin aus Deggendorf nach Bremen abgeordnet worden. An | |
Himmelfahrt ging’s für sie dann zurück nach Niederbayern; zu viel war von | |
ihrer Arbeit in die Medien gelangt. | |
Jetzt ist es an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), sich als Mann der | |
Ordnung zu inszenieren und personelle Konsequenzen anzukündigen, in | |
Reaktion auf das, was als Skandal beschrieben wird. Unter der Leitung von | |
Ulrike B. soll die Bremer Bamf-Außenstelle zwischen 2014 und 2016 eine | |
vierstellige Zahl Asylbescheide ohne ausreichende Prüfung ausgestellt haben | |
– und ohne, dass sie örtlich zuständig gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft | |
prüft derzeit 1.167 Akten. Ob hier strafbares Fehlverhalten vorgelegen hat, | |
ist noch offen. | |
Etwas dünn wirken die Versuche, in den Bremer Unregelmäßigkeiten eine | |
Dimension von persönlicher Bereicherung [2][zu entdecken], mit denen sie | |
erst tatsächlich zum Skandal würden. Als „Unsinn“ bezeichnet nicht nur | |
Ulrike B.s Anwalt Erich Joester die Korruptionsvorwürfe. | |
Wer die Leiterin der Bremer Bamf-Außenstelle kennt, hält die Idee, sie | |
hätte sich bereichern wollen, für abwegig: „Ulrike?“, sagt jemand, der | |
schon seit Langem mit Frau B. per du ist, „die hätte eher etwas | |
draufgezahlt, als einem Flüchtling Geld abzuknöpfen“. Andere attestieren | |
ihr durchaus „ein gewisses Helfersyndrom“. „Fast schon ein | |
Sendungsbewusstsein“ könne sie an den Tag legen, wenn es um Menschen in | |
Notlagen geht. „Dann kann sie auch mal in ausufernde Vorträge verfallen.“ | |
Und offenbar auch handeln. Zum Verhängnis wurde Ulrike B., so scheint es, | |
dass sie eine Abschiebung torpedierte: Eine im niedersächsischen Lehrte | |
ansässige Jesiden-Familie sollte nach Bulgarien abgeschoben werden, wo sie | |
bereits anerkannt worden war – aber keine Möglichkeit sah, zu überleben. | |
Gestoppt wurde die Zwangsausreise auf dem Flughafen, durch einen | |
Asylbescheid von Ulrike B. Eine Beschwerde des niedersächsischen | |
Innenministers Boris Pistorius (SPD) folgte auf dem Fuße. Seither läuft ein | |
Disziplinarverfahren gegen B. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg | |
allerdings hat festgestellt, dass eine menschenwürdige Existenz auch für | |
anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien nicht möglich ist. | |
## „Wir waren im Krisenmodus“ | |
Vergessen werden darf nicht, dass es zu den Unregelmäßigkeiten in der Zeit | |
der vielen Ankünfte kam. Allein im Jahr 2016 hat das Bamf bundesweit | |
695.733 Entscheidungen gefällt. „Wir waren im Krisenmodus“, schildert ein | |
Mitarbeiter die Situation. Tatsächlich galten besondere Regeln. So reichte | |
laut einer Bamf-Fokusstudie über die „veränderte Fluchtmigration“ im | |
fraglichen Zeitraum „die vorhandene Anzahl der Außenstellen zur | |
Antragsannahme und -bearbeitung bei Weitem nicht aus“. Gängige Lösung dafür | |
war, Antragssteller*innen dorthin zu bringen, wo Kapazitäten gemeldet | |
wurden. | |
Zugleich hatte man die Möglichkeit vereinfachter Asylverfahren eingeführt. | |
Zulässig war nun die „temporäre Aussetzung der Anhörung von zunächst | |
syrischen und von irakischen Antragstellenden jesidischen oder christlichen | |
Glaubens sowie eritreischen Antragstellenden“. | |
Der Bamf-Bremen-Insider spricht von [3][erheblichem Druck] auf die | |
Mitarbeiter, einen „möglichst schnellen Durchlauf“ zu erreichen. „Aus der | |
Zentrale bekamen damals die Außenstellen Ärger, die zu wenig lieferten, und | |
nicht jene, die Entscheidungen vom Tisch schafften.“ Dass Bremen in diesem | |
Wettlauf auf eine Entscheidungspraxis im Zweifel für die Angekommenen | |
gesetzt hatte, sei auch pragmatisch nachvollziehbar gewesen: „Den | |
Flüchtlingsstatus anzuerkennen macht deutlich weniger Arbeit als eine | |
Ablehnung.“ Denn die müsse eigens begründet werden – und ziehe im | |
Zweifelsfall eine Klage nach sich. | |
22 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Jean-Philipp Baeck | |
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