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# taz.de -- „Windrush“–Migranten in Großbritannien: Ohne Papiere im „D…
> Die Verschärfung der britischen Einwanderungspolitik trifft viele
> karibische und afrikanische Einwanderer, die sich längst als Briten
> verstehen.
Bild: Eine Demonstration für die „Windrush“-Generation in London vor den H…
„There’s a land that I have heard about so far across the sea / To have you
all, my dreamland / Would be like heaven to me /We’ll get our breakfast
from the tree / We’ll get our honey from the bees“. Was der jamaikanische
Reggaesänger Bunny Wailer 1969 in dem Song „Dreamland“ zum Ausdruck
brachte, war eine ironische Zuspitzung von England als dem gelobten Land
für Auswanderer.
Nun, wo in Großbritannien gerade eine [1][Debatte über die „Generation
Windrush“] tobt, so benannt nach dem Passagierdampfer „Empire Windrush“,
der 1948 von Kingston/Jamaika ablegte und erstmals Arbeitskräfte aus der
Karibik nach Großbritannien brachte, werden Songs wie „Dreamland“ wieder
diskutiert.
Reggae, aber auch Dancefloor-Stile wie Drum ’n’ Bass und Dubstep sind
undenkbar ohne die Einwanderer, die sie nach England mitgebracht haben,
ihre Kinder und Kindeskinder, die sie mitgestaltet haben und daraus eine
Form von Kultur gemacht haben, die längst von der Mehrheitsgesellschaft
akzeptiert ist und dabei geholfen hat, Großbritannien ein Stück weltoffener
zu machen. Und trotzdem, das kulturelle Erbe der karibischen und
afrikanischen Einwanderer scheint momentan in seinen Grundfesten bedroht.
„Rassismus bringt die Geschichte durcheinander. Seine Opfer werden von
ihrer eigenen Vergangenheit getrennt, sie sind dazu gezwungen, ihr Dasein
in einer permanenten Gegenwart zu fristen“, hat der britische Soziologe
Paul Gilroy postuliert, auch das könnte ein Kommentar zur „Windrush-Affäre�…
sein, aber Gilroy hat es 2006 in den Linernotes der Compilation „London is
the place for me“ geschrieben. Sie beleuchtet die frühe Musik von
afrikanischen und karibischen Einwanderern in England nach 1945. Gilroy ist
Autor der bekannten Studie „There ain’t no black in the Union Jack“,
erstmals erschienen 1987, ein Plädoyer für die Integrationsleistung, die
Schwarze nach ihr Ankunft in Großbritannien vollbracht haben.
## Viele haben keinerlei Papiere mehr
Im Zuge der Windrush-Affäre musste vergangene Woche die britische
Innenministerin [2][Amber Rudd ihr Amt aufgeben]. Sie hatte sich in
Widersprüche im Umgang mit dem Status der karibischen (und afrikanischen)
Einwanderer verstrickt. Wer von diesen vor 1973 eingewandert war, konnte –
so war die Abmachung bis jetzt – auf Lebenszeit in England bleiben.
Allerdings hatten viele Angehörige der zwischen 1948 und 1973
Eingewanderten keinerlei Papiere mehr, oder aber sie waren als Kinder auf
den Pässen der Eltern eingetragen, die längst abgelaufen sind: 2010 hatte
die Einwanderungsbehörde Tausende Registerkarten von Einwanderern der
1950er und 1960er Jahre vernichtet.
Mit teilweise gravierenden Folgen für die Betroffenen: Behandlungen gegen
lebensbedrohende Krankheiten mussten abgebrochen werden, Rentenzahlungen
wurden eingestellt, Mietzuschüsse wurden nicht mehr bewilligt. Noch
schlimmer: Menschen, die gerade in der Karibik oder in Uganda weilten,
mussten bei ihrer Rückkehr nach Hause plötzlich ein Visum beantragen.
## Die Nachkommen der Einwanderer
Ursprünglich war die „Generation Windrush“ nach Großbritannien gelockt
worden, um das Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder mitaufzubauen. So
auch Saint Ledger und Valerie Letts, die Eltern des Punkmusikers und
Filmemachers Don Letts, die 1955 nach London kamen. Saint Ledger arbeitete
als Busfahrer, Valerie war Schneiderin.
„Sie begannen mit der Hoffnung auf schnelle Integration, eine Hoffnung, die
sich nicht erfüllen sollte. Die weißen Engländer hatten weder emotionale
noch finanzielle Spielräume, es herrschte bittere Armut. Meine Eltern waren
in ihrer Ablehnung von Xenophobie und rassistisch motivierter Gewalt
freilich sehr britisch und reagierten darauf stets mit stiff upper lip“,
schreibt Letts in seiner Autobiografie „Culture Clash“.
Letts gehört zur ersten Generation der in England geborenen Nachkommen von
schwarzen Einwanderern. Und diese wehrte sich von Anfang an gegen
behördliche Willkür und institutionellen Rassismus, auch dadurch, dass sie
der Mehrheitsgesellschaft selbstbewusst ihre Lebensart vorführte und jede
Möglichkeit auf Bildung ergriff.
Die Windrush-Affäre führt vor Augen, dass die Verschärfung der britischen
Einwanderungspolitik zu ungewollten Nebenwirkungen führt, die die
Integrationsleistungen vieler Briten mit karibischen und afrikanischen
Wurzeln beeinträchtigen.
4 May 2018
## LINKS
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[2] /Konservative-in-Grossbritannien/!5502274
## AUTOREN
Julian Weber
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Großbritannien
Migration
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