# taz.de -- Grüner IT-Experte über Datenschutz: „Überfordert wird keiner“ | |
> Demnächst gelten einheitliche Standards für den Datenschutz in der EU. | |
> Ein Meilenstein für die Rechte der Verbraucher , sagt Jan Philipp | |
> Albrecht. | |
Bild: Eine Facebook-Serverfarm im nördlichen Schweden | |
taz: Ab 25. Mai gilt die EU-Datenschutzgrundverordnung. Durchbruch oder | |
unnötiges Regelwerk? | |
Jan Philipp Albrecht: Sie ist mehr als ein Meilenstein für mehr | |
Verbraucherrechte, und das nicht nur für die Bürger und Bürgerinnen in der | |
EU, sondern weltweit. Bisher galt Datenschutz als hehrer Anspruch und wurde | |
lange Zeit ignoriert. Aber mit diesem Regelwerk bekommt der Datenschutz | |
endlich Zähne. | |
Die DSGVO ist Ihr Baby, um das Sie jahrelang kämpften. Was wird denn nun | |
besser für die Verbraucher*innen? | |
Wir haben endlich eine einheitliche Regelung für den gesamten europäischen | |
Markt. Damit können Verbraucher und Verbraucherinnen ihre Rechte auch | |
wirklich durchsetzen. Es geht beispielsweise um das Löschen von Daten oder | |
das Recht auf Auskunft darauf, welche Daten erhoben und gespeichert werden. | |
Die Menschen haben nun auch einen Anspruch, ihre Daten mitzunehmen, wenn | |
sie zu einem Alternativanbieter wechseln wollen. Alle Informationen zur | |
Datenverarbeitung müssen sehr konkret und verständlich formuliert sein und | |
dürfen sich nicht in ellenlangen und komplizierten AGBs verstecken. Jeder | |
muss die Ausführungen über die Verwendung und die Weitergabe seiner Daten | |
verstehen können. | |
Nicht alle EU-Staaten sind überzeugt von der Datenschutzgrundverordnung. | |
Können die Kritiker blockieren? | |
Die Verordnung gilt vor nationalem Recht und wird damit vor den Gerichten | |
in den EU-Staaten vorrangig angewendet werden müssen. Den Mitgliedsländern | |
bleibt schlicht nichts anderes übrig. Die Verordnung wurde mit großer | |
Mehrheit verabschiedet. Aus wirtschaftlichen Gründen oder aus | |
Sicherheitsbedenken Änderungen zu fordern oder Entscheidungen zu | |
blockieren, ist nahezu unmöglich. Die Regierungen in den Staaten hatten | |
genug Zeit, sich auf die Datenschutzgrundverordnung einzustellen und | |
vorzubereiten. | |
Der Handel mit Daten ist das Geschäft von Facebook und Co. Schiebt die | |
Verordnung dem Treiben der Tech-Konzerne nun einen Riegel vor? | |
Niemand kommt mehr darum herum, dass Datenschutz eben gemacht werden muss. | |
Sogar Mark Zuckerberg hat die Verordnung ja öffentlich gelobt, nach dem die | |
Datenaffäre bekannt wurde. Das gleicht einer 180-Grad-Wende. Wir haben | |
offenbar den richtigen Standard gesetzt. | |
Aber entlarvt er damit nicht, dass sein Wirtschaftsmodell aufflog? | |
Zuckerberg kann sich doch glücklich schätzen, dass die Datenaffäre noch vor | |
dem 25. Mai öffentlich wurde. | |
Der Fall Cambridge Analytica ist nur ein Beispiel. Sicher ist, dass bei | |
Facebook noch viele ähnliche Verarbeitungsvorgänge laufen. Jetzt hat das | |
Online-Netzwerk noch die Chance, seine Geschäftsbedingungen anzupassen – | |
und das Wirtschaftsmodell an sich zu überdenken. Die alleinige | |
Konzentration auf zielgerichtete und individualisierte Werbung ist eben | |
nicht nachhaltig. Das sollten die Konzerne erkennen. | |
Wer gegen die Verordnung verstößt, dem drohen hohe Bußgelder. Reichen die | |
überhaupt aus? | |
Die Strafen wirken auf jeden Fall abschreckend. Bei einem Konzern wie | |
Facebook kann eine Milliardensumme fällig werden. Im schlimmsten Fall | |
bedrohen die Strafen die Existenz der Unternehmen. | |
Mark Zuckerberg musste vor dem US-Kongress vorsprechen. Doch die Senatoren | |
ließen durchblicken, dass das Internet offenbar nach wie vor „Neuland“ ist. | |
Brauchen wir also mehr Expert*innen? | |
Derzeit gibt es noch viel zu wenige Menschen in den Behörden, die sich mit | |
IT-Sicherheit, Datenschutz und digitalen Geschäftsmodellen auskennen. Hier | |
fehlt der Sachverstand, und es mangelt an Austausch zwischen den | |
Institutionen. Um diese Lücke zu schließen, müssen die Behörden aber auch | |
Geld zur Verfügung stellen. | |
Und nicht nur die Verwaltung. Vor allem kleine und mittelständische | |
Unternehmen jammern, dass sie die Vorgaben nur schwer erfüllen können. Ist | |
ihre Kritik berechtigt? | |
Die EU-Datenschutzgrundverordnung orientiert sich sehr an dem, was bereits | |
im Bundesdatenschutzgesetz steht. Das heißt, wer sich an den Datenschutz | |
hält, der wird bei der Umstellung auf die Verordnung auch kein Problem | |
haben. Außerdem ist sie eine riesige Chance für die Unternehmen, vor allem, | |
wenn es um den Wettbewerb mit internationalen Firmen geht. Überfordert wird | |
keiner. | |
Der Stichtag rückt näher. Gibt es dann für Datenschützer nichts mehr zu | |
tun? | |
Die EU-Datenschutzgrundverordnung schafft einen Rahmen. Aber: Wir alle sind | |
darauf angewiesen, bestimmte Dienste online zu nutzen. Genau deshalb gibt | |
es zahlreiche Druckmittel seitens der Anbieter, weil sie diese exklusive | |
Position haben. Der Datenschutz schützt nicht davor, selbst immer mehr von | |
sich preiszugeben, sondern nur vor dem Missbrauch der Daten. Hier ist die | |
Politik gefragt. Sie muss dafür sorgen, dass Nutzer und Nutzerinnen mehrere | |
Alternativen haben. Die Firmen müssen in den Wettbewerb treten können. | |
Wie kann das funktionieren? | |
Zum Beispiel, wenn wir die Durchlässigkeit zwischen Messengerdiensten | |
vereinfachen. Es muss möglich sein, von WhatsApp zu Telegram zu wechseln, | |
ohne dass ich alle meine Freunde und Freundinnen erneut einladen muss. Ein | |
solcher Austausch ist vergleichbar mit den Telefonnetzen. Ganz gleich, | |
welches Kommunikationsnetz wir nutzen, wir können telefonieren und uns | |
gegenseitig erreichen. Das muss auch zwischen Online-Netzwerken künftig | |
möglich sein. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. | |
19 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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