# taz.de -- Schweiz und EU-Datenschutzverordnung: Europafeinde lauern schon | |
> An der Frage, wie die Schweiz mit EU-Datenschutzregeln umgeht, entzündet | |
> sich Streit: Soll man sich von Brüssel etwas sagen lassen? | |
Bild: So nah – und doch lieber fern von der EU? Das ist zumindest der Schweiz… | |
Genf taz | 29.198 Menschen – so viele SchweizerInnen sind nach Angaben von | |
Facebook [1][vom jüngst aufgeflogenen Datenmissbrauch] beim IT-Konzern | |
betroffen. Der Skandal könnte den Ausschlag geben, ob die Schweiz noch | |
rechtzeitig die Anpassung der eidgenössischen Gesetze an die ab Ende Mai | |
gültige neue Datenschutzrichtlinie der EU vollzieht. Oder ob es den | |
europafeindlichen Rechtspopulisten der Schweizer Volkspartei (SVP) gelingt, | |
so wie andere Fragen der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU auch | |
das Thema Datenschutz für ihre Agitation gegen Brüssel zu | |
instrumentalisieren. | |
Adrian Lobsiger, der oberste Datenschützer des Landes, mahnt die Politik | |
zur Eile. Die Schweiz habe „ein vitales Interesse daran, dass sie bald ein | |
Datenschutzniveau aufweist, das mit ihrem europäischen Umfeld vergleichbar | |
ist“. Am 25. Mai tritt die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU | |
in Kraft. Bereits bis zum 6. Mai müssen alle EU-Staaten ihre nationalen | |
Gesetze angepasst haben. | |
Durch die DSGVO sollen die großen IT-Firmen wie Apple, Microsoft und | |
Facebook gezwungen werden, ihre technischen Einstellungen anzupassen, um | |
strengere Verbraucherrechte beim Datenschutz umzusetzen. Dazu gehört unter | |
anderem das „Recht auf Vergessenwerden“, also das Löschen aller | |
persönlichen Daten sowie aller Links darauf. | |
Die DSGVO wurde bereits im April 2016 vom EU-Parlament verabschiedet. Zwei | |
Jahre Zeit also für eine Anpassung der Schweizer Gesetze. Die ist | |
erforderlich, weil die DSGVO auch eidgenössische Unternehmen betrifft, die | |
Geschäfte mit EU-Kunden treiben sowie EU-BürgerInnen, die etwa in | |
Datenbanken von Schweizer Parteien zu finden sind. Doch von Beginn stieß | |
das Vorhaben auf die Bedenken der SVP, die jegliche Anpassung an EU-Normen | |
gerne als „Unterwerfung unter des Brüsseler Joch“ geißelt, um von dieser | |
Feindbildpropaganda an den Wahl- und Abstimmungsurnen zu profitieren. | |
## Auftrieb für die Europafeinde | |
Diese Fraktion erhielt Auftrieb und auch Unterstützung von den christ- und | |
freidemokratischen Parteien der bürgerlichen Mitte im Parlament, nachdem | |
die Brüsseler Kommission im Dezember letzten Jahres beschlossen hatte, der | |
Schweizer Börse zunächst nur einen bis Ende 2018 befristeten Zugang zum | |
EU-Binnenmarkt zu gewähren. Den unbefristeten Zugang machte die EU abhängig | |
vom Abschluss eines „institutionellen Rahmenabkommens“ mit der Schweiz, das | |
nach bisherigen Absichtserklärungen aus Brüssel und Bern bis spätestens | |
Ende 2018 unter Dach und Fach sein soll. | |
„Die EU versucht die Schweiz zu erpressen“, titelte selbst der | |
europafreundliche, liberale Tagesanzeiger, die größte Zeitung des Landes. | |
Mit dem Rahmenabkommen muss aus Sicht Brüssels die uneingeschränkte | |
Personenfreizügigkeit zwischen der EU und der Schweiz auch weiterhin | |
gesichert werden. Sie wurde zwar bereits 1999 in einem bilateralen Vertrag | |
vereinbart, ist aber in Frage gestellt, seit das Schweizer Volk bei einer | |
Abstimmung im Frühjahr 2014 die von den Rechtspopulisten lancierte | |
„Initiative gegen die Masseneinwanderung“ aus Deutschland und anderen | |
EU-Staaten angenommen hat. | |
Auch der Konflikt, ob bei künftigen Streitfällen zwischen der EU und der | |
Schweiz zu den bestehenden 24 bilateralen Verträgen der Europäische | |
Gerichtshof in Straßburg zuständig ist oder ein Schiedsgericht, soll in dem | |
institutionellen Rahmenabkommen endlich geregelt werden. | |
## Kampagne gegen „fremde Richter“ | |
Die SVP heizt diesen Streit an mit einer Kampagne gegen „fremde Richter“ | |
und einer für den Herbst zur Abstimmung angesetzten Volksinitiative. Bei | |
deren Annahme würden sowohl Entscheidungen des Europäischen | |
Menschenrechtsgerichtshofes wie auch Europäische Menschenrechtskonventionen | |
und andere Völkerrechtsnormen von der Schweiz künftig nicht mehr als | |
rechtsverbindlich akzeptiert. | |
Nach der EU-Entscheidung für einen lediglich befristeten Zugang der | |
Schweizer Börse zum Binnenmarkt beschloss die zuständige Kommission im | |
Berner Parlament im Januar, sich bei der Anpassung an die neue | |
EU-Datenschutzverordnung Zeit zu lassen. Bis Ende Mai sollen nur die | |
Anpassungen vollzogen werden, die zwingend erforderlich sind, damit die | |
Schweiz ihre Mitgliedschaft im Schengen-Raum nicht verliert. Alle weiteren | |
Maßnahmen, so der Beschluss vom Januar, sollen erst im Zuge eine | |
Totalrevision der Schweizer Datenschutzgesetzgebung erfolgen, die | |
frühestens 2019 beschlussfähig wäre und gegen die die SVP bereits | |
grundsätzliche Bedenken erhebt. | |
Die Verzögerung der Anpassung an die EU stößt auf Kritik beim | |
Wirtschaftsverband Economiesuisse. „Es ist wichtig, dass das grundsätzlich | |
technische Thema Datenschutz nun nicht politisch aufgeladen wird“, erklärte | |
Verbandssprecher Erich Herzog in der Neuen Zürcher Zeitung. Bliebe es bei | |
dem von der Parlamentskommission beschlossenen Zeitplan, sind neue | |
Konflikte zwischen der EU und der Schweiz oder auch Klagen von | |
EU-BürgerInnen gegen eidgenössische Unternehmen oder Institutionen | |
wahrscheinlich. | |
In Reaktion auf den Facebook-Skandal mehrten sich allerdings die Stimmen, | |
die sich von einem schnellen Abschluss der Anpassung an die DSGVO der EU | |
einen verbesserten Schutz der Schweizer BürgerInnen vor Datenmissbrauch | |
erhoffen. Die andere Seite fühlt sich wiederum bestärkt durch die Erklärung | |
eines Facebook-Sprechers von Ende März, das Unternehmen werde die von der | |
EU verlangten neuen Richtlinien automatisch auch im Umgang mit Userdaten | |
aus der Schweiz befolgen. | |
6 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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