# taz.de -- Geschäft mit Nutzerdaten: Mehr als nur Facebook | |
> Alle reden über den Datenhandel bei Facebook. Dabei verkaufen auch | |
> Adresshändler wie die Post Millionen Datensätze. | |
Bild: NutzerInnen können gar nicht geizig genug mit der Angabe ihrer Daten sein | |
Die Firma Deutsche Post Direkt wirbt offensiv für ihre Leistungen. Über | |
„rund 46 Millionen Adressen“ verfügt das Unternehmen nach eigenen Angaben. | |
Sie „decken nahezu den gesamten Markt an Privathaushalten ab“, verspricht | |
die Tochter der Deutschen Post. Interessant ist dieses Angebot für alle | |
diejenigen, die eigene Werbung möglichst zielgenau an bestimmte | |
Bürger*innen ausliefern wollen. Sie können bei Post Direkt solche Adressen | |
plus Zusatzinformationen kaufen. | |
Helga Block, die Landesbeauftragte für Datenschutz in Nordrhein-Westfalen, | |
untersucht derzeit, ob sich die Firma korrekt verhält. Denn die Posttochter | |
verkaufte bestimmte Daten im Zusammenhang mit Privathaushalten an CDU und | |
FDP, was diesen im Bundestagswahlkampf 2017 die gezielte Ansprache von | |
Bürger*innen ermöglicht haben soll. | |
Einige Fragen lauten nun: Woher kommen diese Daten, wie genau sind sie | |
einzelnen Haushalten und Adressen zugeordnet? | |
## Individualisierter Informationspool | |
Dabei geht es um dasselbe Problem, das die Debatte um Facebook bestimmt. | |
Dem sozialen Netzwerk wird vorgeworfen, Profile über das Verhalten von | |
Milliarden Menschen anzulegen. Dieser individualisierte Informationspool | |
schaffe die Voraussetzung für die gezielte ökonomische und politische | |
Ansprache und Manipulation einzelner Bürger*innen. Allerdings erscheint | |
erstaunlich, wie viele Angaben ohnehin schon bei konventionellen Adress- | |
und Datenhändlern vorhanden sind. | |
Schober Direkt Media in Stuttgart hat beispielsweise 30 Millionen | |
„Konsumentenadressen“, die mit weiteren persönlichen oder öffentlich | |
zugänglichen Informationen etwa des Otto-Konzerns „zusammengeführt“ wurde… | |
Weitere große Anbieter auf dem Markt der Daten- und Adresshändler sind AZ | |
Direkt von Bertelsmann und die US-Firma Acxiom. Mit solchen gekauften | |
Adressen plus Zusatzinformationen ausgestattet, gaben alleine | |
Handelsunternehmen 2017 in der Bundesrepublik laut einer Studie der Post | |
rund 3,8 Milliarden Euro für adressierte Werbebriefe aus. | |
Die Werbetreibenden können ihre potenziellen Kunden gezielt auf Vorlieben | |
ansprechen, beispielsweise, dass diese gerne Tee trinken oder Kreuzfahrten | |
unternehmen. Diese Zuordnung hängt mit sogenannten Listendaten zusammen, | |
die Unternehmen unter bestimmten Umständen für Werbezwecke einsammeln, | |
verarbeiten und verkaufen dürfen. | |
## Sozialprofile | |
Ein Beispiel: Ein Einzelhandelskonzern verfügt über eine Kundendatei, in | |
der Hunderttausende Personen gespeichert sind. „Die Namen der einzelnen | |
Kunden, ihre Adressen, Berufe und Geburtsjahre darf der Konzern | |
grundsätzlich an Adresshändler weitergeben“, sagt Nils Schröder, Sprecher | |
beim NRW-Datenschutz. Außerdem kann er diese Listendaten mit einem weiteren | |
Merkmal anreichern – etwa eine Liste der Teetrinker oder Kreuzfahrtfans | |
unter den Kund*innen erstellen. | |
Eine solche Datei verrät schon eine ganze Menge über einzelne Personen und | |
Haushalte. Besonders dann, wenn der Adresshändler sie mit weiteren Listen | |
kombiniert, die etwa Merkmale enthalten wie „kauft Harry-Potter-Bücher“ | |
oder „bestellt Bücher von Thilo Sarrazin“. So kommen die Datensammler | |
Sozialprofilen ziemlich nahe, die auch Rückschlüsse auf politische | |
Einstellungen zulassen. | |
Das Unternehmen Schober rühmt sich, individualisierte Adressen mit 300 | |
Persönlichkeitsmerkmalen verbinden zu können. In solchen Fällen gibt Gerrit | |
Hornung, Professor für IT-Recht an der Universität Kassel, jedoch eine | |
gewisse Entwarnung: „Sensible Daten wie politische, philosophische und | |
religiöse Überzeugungen sind besonders geschützt. Sie dürfen nicht als | |
Listendaten weitergereicht werden.“ Die Übergänge aber sind fließend, und | |
als Bürger muss man sich im Streitfall erst einmal gegen die Unternehmen | |
durchsetzen. | |
Neben Listendaten gehören „Preisausschreiben zu den Hauptquellen“ der | |
Adresshändler, sagt Christian Storr, der beim baden-württembergischen | |
Datenschutzbeauftragten arbeitet. So gibt es im Internet spezielle Seiten | |
für Gewinnspiele, die Adressen und andere persönliche Daten der Mitspieler | |
einsammeln. | |
## 6,6 Haushalte sind eine Mirkozelle | |
Die Informationen aus den öffentlichen Einwohnermeldeämtern spielen nach | |
Storrs Einschätzung dagegen kaum eine Rolle. Denn „das Bundesmeldegesetz | |
verbietet ausdrücklich den Verkauf von Meldedaten zu Zwecken der Werbung | |
und des Adresshandels“, es sei denn „der Betroffene hat vorher aktiv und | |
informiert eingewilligt“. | |
Der Adresshändler Post Direkt erklärt, dass er „eine mikrogeografische | |
Datenbank“ betreibe, die keine Daten von Einzelpersonen enthalte, sondern | |
Durchschnitts- und Wahrscheinlichkeitswerte für sogenannte Mikrozellen, die | |
jeweils 6,6 Haushalte umfassen. In die Beschreibung des Verhaltens der | |
Bewohner*innen solcher Zellen können statistische Daten einfließen wie die | |
Pkw-Dichte, die Gebäudegröße, die Anzahl der Sozialhilfeempfänger im | |
Stadtteil und die Stimmenverteilung im Wahlkreis. | |
Entsprechende Informationen stammen auch aus öffentlich zugänglichen | |
Statistiken. Die Menschen in den Mikrozellen blieben aber grundsätzlich | |
anonym, betont Post Direkt: „Die Microdialog-Datenbank ist streng getrennt | |
von anderen Datenbanken, die beispielsweise Adressdaten enthalten“. | |
## Misstrauen trotz neuer Regeln | |
Eine aktuelle Frage ist, was die Datenschutzgrundverordnung der EU – in | |
Kraft ab 25. Mai – für das Geschäftsmodell der Adresshändler bedeutet. | |
Müssen die Firmen dann die Einwilligung jeder Person einholen, deren | |
Adresse sie verkaufen? Wenn ja, könnten sie einpacken. Die Antwort werden | |
in den kommenden Jahren die Gerichte finden. Das Misstrauen bei vielen | |
Bürgern dürfte trotzdem bleiben – zumal Daten als das „Öl des 21. | |
Jahrhunderts“ gelten. | |
Gerd Landsberg, Chef des Städte- und Gemeindebundes, empfahl jüngst, | |
Kommunen könnten die bei ihnen vorhandenen Informationen in anonymisierter | |
Form an Unternehmen verkaufen, um damit Geld zu verdienen. „Daten lassen | |
sich mit Zusatzinformationen anreichern, sodass immer das Risko besteht“, | |
sie zu „repersonalisieren“, sagt dagegen IT-Professor Hornung. „Deshalb | |
mahne ich zu großer Zurückhaltung.“ | |
11 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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