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# taz.de -- Debatte Facebook und politische Werbung: Maßgeschneiderte Macht
> Den Skandal um Facebook und Cambridge Analytica auf Fragen des
> Datenschutzes zu reduzieren, verkennt den Kern des Problems.
Bild: Noch ist unklar, welche Konsequenzen der Cambridge Analytica-Skandal für…
In ihrer Regierungserklärung Ende März sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel,
der aktuelle Skandal um Facebook und die Datenanalysefirma Cambridge
Analytica sei nur eine Facette der größeren Aufgabe, ein „gerechtes, den
Menschen in den Mittelpunkt stellendes System der Teilhabe an der
Souveränität der Daten zu schaffen“. Und sie fügte hinzu: „Die
Datenschutz-Grundverordnung ist ein erster kleiner zaghafter Schritt. Hier
müssen wir weitergehen.“
Merkels Einlassungen spiegeln die in Deutschland dominierende Sorge beim
Umgang mit Plattformen wie Facebook wider: den Schutz persönlicher Daten
der Nutzer. Zweifelsohne spielt Datenschutz eine Rolle, wenn eine Firma
wie Cambridge Analytica Zugang zu den Daten von 50 Millionen
Facebook-Nutzern bekommt. Doch politisch führt der Fokus auf Fragen des
Datenschutzes in die Sackgasse, weil es die Spezifik der
Facebook/Cambridge-Analytica-Problematik verkennt und den Blick auf
wirksame Gegenmaßnahmen versperrt.
Das Kernproblem sind vielmehr neue Methoden der zielgerichteten politischen
Werbung, sogenannte targeted ads. Diese Methoden nutzen das Wissen, das
Unternehmen wie Facebook und Google über die Eigenschaften und Vorlieben
ihrer Nutzer gesammelt haben, um politische Werbung maßzuschneidern. Sie
sind schon heute zentrale Elemente aller Wahlkämpfe und werden
beispielsweise auch von Russland für Desinformationskampagnen benutzt.
Trotz der wachsenden Bedeutung unterliegt zielgerichtete politische Werbung
nicht ebenso zielgerichteter Regulierung. Der mittlerweile suspendierte
Geschäftsführer von Cambridge Analytica konnte vor Kunden mit „nicht
zurechenbaren und nicht zurückverfolgbaren Anzeigen“ prahlen, weil es in
allen Demokratien eine eklatante Gesetzeslücke gibt.
## Offenlegen, wer für eine Anzeige bezahlt hat
Wahlplakate und TV-Spots unterliegen strengster Regulierung. Online-Werbung
aber wird nicht erfasst. Ihr Einsatz ist nicht transparent und ihre
Wirkweise wenig bekannt. Das gibt Raum für alle möglichen Spekulationen –
sei es nun über Trumps Wahlsieg oder über das Brexit-Votum – die wiederum
Vertrauen in Demokratie und Wahlen untergraben.
Diese Gesetzeslücke sollten Demokratien schnellstmöglich schließen.
Selbstregulierung der Plattformbetreiber reicht nicht aus.
Erstens ist dazu nötig, „nicht zurechenbare und nicht zurückverfolgbare
Anzeigen“ zu verbieten. Firmen wie Facebook sollten per Gesetz dazu
verpflichtet werden, politische Anzeigen nicht nur als solche kenntlich zu
machen, sondern auch offenzulegen, wer für die Anzeige bezahlt hat, wie
viel insgesamt ausgegeben wurde und nach welchen Zielgruppenparametern die
Anzeige geschaltet wurde. Auch braucht es eine leicht durchsuchbare
öffentliche Datenbank mit allen politischen Anzeigen. Facebook hat auf
öffentlichen Druck hin letzten Oktober schon Schritte in diese Richtung
angekündigt. Gleichzeitig signalisierte Facebook-Chef Mark Zuckerberg am
Freitag die Unterstützung für einen US-Gesetzentwurf (Honest Ads Act).
Dieser Gesetzentwurf könnte als Inspiration für Deutschland dienen. Hinzu
könnten Regelungen über Freikontingente für Online-Wahlwerbung für Parteien
kommen, wie sie bei TV-Werbung schon etabliert sind. Zudem ist zu
überlegen, ob Facebook und andere Plattformbetreiber zu einer verlässlichen
Preisgestaltung für die Kosten für politische Onlineanzeigen verpflichtet
werden sollten.
Zweitens sollte eine Datenprüfung für alle Parteien und politische
Kampagnenorganisationen verpflichtend werden. Für die Parteien- und
Kampagnenfinanzierung haben wir ja bereits strenge Regelungen. Daten für
zielgerichtete Werbung sind heute fast so wichtig wie die Finanzierung von
Kampagnen – und werden in der Zukunft nur noch wichtiger werden.
## Fragile Gesellschaften sind der wahre Wilde Westen
Insofern sollten alle Parteien und Kampagnen öffentlich Rechenschaft über
die Quellen ihrer Daten und deren Verwendung (unter anderem in
zielgerichteter Werbung) ablegen müssen. Eine unabhängige öffentliche
Stelle sollte sie einer Datenprüfung unterziehen, genauso wie es heute
Buchprüfungen gibt. Nur so können wir sicherstellen, dass nicht halbseidene
Händler Quelle der Daten für politische Kampagnen sind.
Zudem sollten Forscher kontrollierten Zugang zu den Daten von
zielgerichteten politischen Kampagnen erhalten. Nur so können wir
feststellen, welche Wirkung zielgerichtete politische Werbung – auch im
Rahmen russischer Desinformationskampagnen – wirklich hat. Gegenwärtig
verlassen sich viele leichtfertig auf die Aussagen von Cambridge Analytica
und anderen Unternehmen über die große Wirkmacht der von ihnen verkauften
Methoden. Dabei sollte klar sein, dass eine solche Firma aus Eigeninteresse
zur maßlosen Übertreibung neigt, um neue Kunden zu gewinnen. Gerade deshalb
braucht es unabhängige Forschung von Sozialpsychologen und
Datenwissenschaftlern.
Gleichzeitig sollten wir über die Grenzen blicken. Der wahre Wilde Westen
für Online-Kampagnen ist nicht in Europa oder den USA, sondern noch weit
fragilere Gesellschaften in Asien, Afrika und Lateinamerika. Cambridge
Analytica setzte seine schmutzigen Tricks etwa [1][beim Wahlkampf in Kenia]
ein, wo es ein hohes politisches Gewahltpotenzial bei Wahlen gibt. Und
Facebook wurde genutzt, um politisch motiviert Gewalttaten gegen ethnische
Gruppen in Myanmar anzustacheln. Wenn wir in Deutschland und Europa
Krisenprävention ernst nehmen, sollte deutsche Außenpolitik sich dieses
Problems annehmen.
Wir können das Problem zielgerichteter politischer Werbung angehen, ohne
auf das Großprojekt eines „fairen Systems der Teilhabe an der Souveränität
der Daten“ zu warten. Es ist höchste Zeit, dass sich Europas Demokratien an
die Arbeit machen. Der Bundestag sollte dabei die Führung übernehmen und
die bestehenden Gesetzeslücken schnellstmöglich schließen.
10 Apr 2018
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## AUTOREN
Thorsten Benner
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