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# taz.de -- TV-Doku über syrische Kriegsverbrechen: Irgendwo zu Hause sein
> Syrische Rechtsanwälte arbeiten die Menschenrechtsverletzungen des
> Krieges auf. Tina Fuchs hat sie begleitet.
Bild: Rauch steigt nach dem Einschlag einer Rakete der syrischen Armee Anfang A…
Sieben Jahre ist es her, dass Teile der syrischen Bevölkerung begannen,
sich im Zuge des Arabischen Frühlings friedlich gegen die Diktatur Baschar
al-Assads zu erheben und für Demokratie zu kämpfen. Seitdem tobt ein Krieg
im Land, in dem unter anderem das Regime und seine Verbündeten versuchen,
Aufstände blutig niederzuschlagen, und in dessen Zuge systematisch
Verbrechen gegen die Menschheit begangen wurden: So wurden Hunderttausende
verschleppt und in syrischen Gefängnissen unter grausamen Umständen zu Tode
gefoltert.
Die Journalistin Tina Fuchs hat die syrischen Menschenrechtsanwälte Anwar
al Bunni und Marzen Darwish zwei Jahre lang bei ihrer Arbeit begleitet,
diese systematischen Menschenrechtsverbrechen aufzuarbeiten. Die daraus
entstandene Dokumentation stellte sie am Donnerstag zusammen mit den beiden
Anwälten bei den Völkerrechtlern der Freien Universität in Berlin vor. Ihr
Film zeigt die festgefahrene Situation bei den Vereinten Nationen: Seit
sieben Jahren gibt es keinen internationalen Strafgerichtshof für Syrien,
da das Land sich nicht zu Den Haag bekennt. Die zuständige
Kommissionsvorsitzende trat zurück.
Eine rechtliche Aufarbeitung scheitert zudem unverändert am Veto Russlands
und Chinas. Al Bunni und Darwish können also nicht auf die Unterstützung
dieser etablierten Institution zählen und haben alternative Wege
eingeschlagen. Bei ihrer Arbeit wandten sie das sogenannte
Weltrechtsprinzip an: In Deutschland ist 2002 das Völkerstrafgesetzbuch in
Kraft getreten, durch das Ermittlungen zu Verbrechen gegen die Menschheit
ermöglicht werden, ohne dass Täter oder Opfer Deutsche sein oder die Taten
in Deutschland begangen worden sein müssen. Die Generalbundesanwaltschaft
in Karlsruhe hörte beide Anwälte an.
## In syrischer Haft
Hierbei ging es nicht nur um die Zeugen, mit denen sie gearbeitet haben,
sondern al Bunni und Darwish sind auch selbst Opfer des Regimes geworden
und saßen in syrischen Gefängnissen ein: Al Bunni war fünf Jahre in Haft,
Darwish drei Jahre. Beide mussten ähnliche Gräueltaten miterleben, die
ihnen die Zeugen schildern, die sie durch aufwändige internationale
Suchaktionen auch mithilfe sozialer Netzwerke ausfindig machen.
Im Film kommen unter anderem Abeer Fahroud und ihr Mann Khaled Rawas zu
Wort. Beide beteiligten sich mit kleineren öffentlichkeitswirksamen
Aktionen an den Aufständen: „Wir färbten beispielsweise das Wasser eines
Springbrunnens rot, um auf das stattfindende Blutvergießen aufmerksam zu
machen“, erinnert sich Fahroud. Beide landeten in Abteilung 215, einer der
berüchtigten Folterabteilungen Assads in Damaskus. Die Berichte der beiden
über psychische und physische Folter lassen einem das Blut in den Adern
gefrieren.
Mittlerweile leben sie mit ihrer kleinen Tochter in Deutschland und
wünschen sich nur eines: „Irgendwo zu Hause sein und in Frieden leben.“
Unabdingbar hierfür ist die rechtliche Aufarbeitung: „Der Kampf um
Gerechtigkeit war von Anfang an ein Hauptbestandteil der Revolution,
insofern sehe ich auch die Klage gegen das Regime als Teil der Revolution“,
sagt Khaled Rawas am Donnerstag in Berlin. „Ohne eine rechtliche
Aufarbeitung wird das, was passiert, legalisiert“, fügt Abeer Fahroud
hinzu.
## Syrien kann demokratisch werden
Trotz zahlreicher Rückschläge zeigen sich Al Bunni und Darwish in Berlin
optimistisch: „Es geht nicht darum, in Syrien geschehene Verbrechen in
Deutschland aufzuarbeiten, sondern wir wollen von hier aus ein Signal
senden: Das, was in Syrien passiert, hat das Potenzial, die Welt zu
verändern. Syrien kann demokratisch werden, nur braucht es dafür den
internationalen Willen.“
Neben technischen Problemen internationalen Rechts zeigt der Film auf tief
berührende Weise vor allem eins: die Kraft und das Durchhaltevermögen der
Opfer in einem schier ausweglos erscheinenden Kampf um Selbstermächtigung,
Demokratie und Gerechtigkeit, und die enorme menschliche Größe, die hinter
einem solchen Kampf steht.
9 Apr 2018
## AUTOREN
Annika Glunz
## TAGS
Zehn Jahre Arabischer Frühling
Internationaler Strafgerichtshof
Syrische Flüchtlinge
Syrischer Bürgerkrieg
Lesestück Interview
Schwerpunkt Syrien
Donald Trump
UN-Sicherheitsrat
Flüchtlinge
Dokumentation
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