# taz.de -- ARD-Film „Macht euch keine Sorgen“: Hallihallo – ich bin jetz… | |
> Emily Atefs neuer Fernsehfilm zeigt die verzweifelte Suche eines Vaters, | |
> der nicht weiß, ob sein Sohn ein islamistischer Schläfer ist. | |
Bild: Jakob (Leonard Carow, rechts) und sein Kumpel Falk (Tilman Pörzgen) schl… | |
Zufälle gibt’s, die gibt’s gar nicht. Ab Donnerstag läuft Emily Atefs | |
zehnfach für den Deutschen Filmpreis 2018 nominiertes | |
Romy-Schneider-Nicht-Biopic „3 Tage in Quiberon“ im Kino. Und – einen Tag | |
vorher, am Mittwoch, wartet die ARD mit dem neuesten Fernsehfilm der | |
Regisseurin auf. | |
Solche (TV-)Auftragsarbeiten, bei denen sie nicht in Autorenfilmermanier | |
auch das Drehbuchschreiben besorgt, übernimmt Atef nämlich inzwischen auch. | |
Wobei – das ist natürlich ein spezifisch deutsches Verständnis vom | |
Autorenfilm. Für Truffaut und Chabrol war Hitchcock der größte aller | |
„auteurs“. In Emily Atef, der in Berlin geborenen französischen | |
Staatsbürgerin, die in Paris Schauspiel und in Berlin Regie studiert hat, | |
stecken beide Filmkulturen. Vielleicht sieht sie die Fernsehfilme auch | |
einfach nur als pragmatische Brotarbeit zwischen den Herzblutprojekten fürs | |
Kino. | |
Es ist eigentlich auch ganz egal. „Wunschkinder“ und „Königin der Nacht�… | |
die die ARD vor einem Jahr innerhalb von acht Tagen gezeigt hat, waren gute | |
Filme. „Wunschkinder“ – über die Tour de Force eines Paares, das ein Kind | |
aus Russland adoptieren will – war sogar einer der besten Fernsehfilme des | |
Jahrgangs 2017: auf mitreißende Weise spannend und von | |
quasi-dokumentarischer Distanziertheit zugleich. | |
Ein ähnlich paradoxes Kunststück gelingt Emily Atef nun mit „Macht euch | |
keine Sorgen“. Es ist nicht der erste Film über einen mutmaßlichen | |
islamistischen Schläfer in Deutschland. Schon 2005 gab es Benjamin | |
Heisenbergs Film „Schläfer“. Allein bei der ARD liefen „Der verlorene So… | |
(2009), „Unterm Radar“ (2015) und zuletzt der Zweiteiler „Brüder“ (201… | |
## Spanien oder Syrien? | |
Emily Atef hat man bisher immer ein besonderes Interesse an Frauen in | |
existentiellen Krisensituationen attestiert. Das Besondere an ihrer | |
Variante des Schläfer-Motivs ist nun ihr Fokus auf die Perspektive des | |
Vaters. Den gibt Jörg Schüttauf. Und der ehemalige „Fahnder“ und | |
langjährige „Tatort“-Kommissar ist in keiner Rolle so gut wie in der des | |
anständigen, etwas unbedarften Kleinbürgers. | |
Da wähnt der beim Bürgeramt arbeitende Vater dreier Kinder seinen jüngeren | |
Sohn (Leonard Carow) im Spanienurlaub. Da stehen dann plötzlich die | |
Polizisten in der Tür des Reihenhauses und sagen: „Wir vermuten, dass Jakob | |
sich in Syrien aufhält und sich dort dem Islamischen Staat angeschlossen | |
hat.“ Ein Irrtum! Ein Irrtum? | |
Jakob ist telefonisch nicht erreichbar, der Vater versucht es in seiner | |
Verzweiflung per SMS und E-Mail: „Lebst du? Ich habe dir tausendmal auf die | |
Mailbox gesprochen. Bist du wirklich beim IS, Jakob? Bitte ruf zurück. Dein | |
Papa.“ Endlich eine Antwort: „Hallihallo! Mir geht es super! Ich bin hier | |
unter den besten Menschen, die es gibt. Macht euch keine Sorgen!“ Der Vater | |
und Jakobs älterer Bruder (Leonard Scheicher) reisen nach Syrien, um den | |
verlorenen Sohn zurückzuholen. | |
Jakob war immer der Schwierigere, der Kompliziertere, der Sensiblere von | |
beiden. Das muss genügen. Emily Atef und die Drehbuchautorinnen Kathi Liers | |
und Jana Simon haben entschieden, auf alles Psychologisieren ebenso zu | |
verzichten wie auf die geläufigen Klischees. Jakobs Entscheidung bleibt für | |
den Zuschauer genauso ein Rätsel wie für den Vater. „Der Islam ist nicht | |
das Problem und das weißt du!“, belehrt der seinen Ältesten und | |
möglicherweise auch sich selbst. Alle Gewissheiten sind hier vermeintliche. | |
## Die Zweifel wachsen | |
Die (in Jericho gedrehte) Syrien-Episode fällt ein bisschen kurz aus. | |
Wichtiger war den Macherinnen die Frage nach der Reintegration des | |
IS-Rückkehrers – und potentiellen Schläfers – in der zweiten Filmhälfte. | |
Die Nachbarn gucken und eine Lehrerkonferenz hat beschlossen, „dass es | |
vielleicht besser wäre, auch für Marie, wenn Ihr Sohn Jakob sie nicht mehr | |
abholt. Einige Eltern haben uns gegenüber ihre Ängste formuliert.“ Der | |
Vater kann es nicht fassen: „Verbieten Sie gerade unserem Sohn den Umgang | |
mit seiner Schwester?“ | |
Die hilflosen Polizisten können Jakob nichts Handfestes beweisen. Sie geben | |
sogar noch gut gemeinte Tipps: „Ich sag Ihnen was, ganz ehrlich. Vor dem | |
anstehenden Prozess sollte Ihr Sohn nicht soviel googlen!“ Der Vater liebt | |
seinen Sohn. Bedingungslos. Natürlich. Aber die Zweifel wachsen, so sehr, | |
dass er ihn sogar auf dem Fahrrad verfolgt. Und Jörg Schüttauf sieht dabei | |
kein bisschen lächerlich aus. | |
Allzu leicht kann ein Film über Terrorismus spekulativ und reißerisch | |
geraten, wie man das früher einmal genannt hat. Unaufgeregter als Emily | |
Atef kann man sich des Themas wirklich nicht annehmen. | |
11 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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