| # taz.de -- Arte-Film über Cybermobbing: Ein bisschen zu viel guter Wille | |
| > In „LenaLove“ geht es um die Folgen des Cybermobbings. Doch der Film im | |
| > Stil einer „Bravo“-Fotolovestory scheitert an seinem Anspruch. | |
| Bild: Lena (Emilia Schüle) wird Opfer von Cybermobbing | |
| Vielleicht wird man das Internet irgendwann in der näheren Zukunft | |
| abschalten müssen. Wenn wirklich endgültig feststeht, dass Menschen die | |
| nötige Reife für den Umgang mit den (sogenannten) sozialen Netzwerken nicht | |
| mehr erlangen werden. Einiges deutet derzeit darauf hin. | |
| Zum Beispiel der Mann im Weißen Haus, der die amerikanischen | |
| Regierungsgeschäfte möglicherweise nur deshalb per Twitter besorgen darf, | |
| weil eine Firma namens Cambridge Analytica seine Wahlkampfmaschine mit den | |
| [1][Daten von 87 Millionen] arglosen Facebook-Exhibitionisten füttern | |
| konnte. Jüngster Aufreger ist gerade die [2][Dating-App Grindr], die auch | |
| Daten weitergegeben haben. Unter anderem den HIV-Status ihrer vorwiegend | |
| schwulen Nutzer. Welche Folgen das etwa für Nutzer aus den 78 von 193 | |
| Mitgliedstaaten der UNO haben kann, in denen Homosexualität unter Strafe | |
| steht – nun ja. | |
| Wenn also gestandene Erwachsene über Facebook, WhatsApp oder Instagram ihr | |
| Intimstes preisgeben, wie sollen ihre Kinder es dann besser wissen? Bleiben | |
| also die Schule und der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem rührigen | |
| Programmauftrag. Letzterer hat zu den Themen Cybermobbing und Cybergrooming | |
| immerhin die völlig zu Recht mehrfach Grimme-bepreisten Fernsehfilme | |
| „Homevideo“ (2011) und [3][„Das weiße Kaninchen“] (2016) produziert. | |
| „Homevideo“ endet hoffnungslos realistisch mit dem Suizid eines | |
| traumatisierten Jugendlichen, dessen selbst gefilmtes Masturbationsvideo | |
| von Mitschülern gepostet worden war. Anders als bei der Netflix-Serie „13 | |
| Reasons Why“ haben Gesundheitsorganisationen keine Bedenken geäußert, dass | |
| das suizidale Ende Nachahmer motivieren könnte. Bestimmt haben sich | |
| inzwischen zahllose Schulklassen „Homevideo“ mit ihren Lehrern angeguckt. | |
| Lange Vorrede, kurzer Sinn: Dem Film „LenaLove“ – der vor zwei Jahren im | |
| Kino lief und jetzt bei Arte gezeigt wird, dringt der gute Wille aus jeder | |
| Pore. Und es macht überhaupt keinen Spaß, den (nach „Wholetrain“) zweiten | |
| Langfilm des Regisseurs Florian Gaag nicht in den höchsten Tönen zu loben. | |
| Lena ist 16 und fühlt sich unverstanden. Mit Skalpell und Klebestift | |
| fertigt sie so beängstigende wie künstlerisch wertvolle Collagen. Sie | |
| verguckt sich in Tim, der so beängstigende wie künstlerisch wertvolle | |
| Monster-Graffiti sprüht. Dass die beiden Außenseiter von zwei der | |
| attraktivsten Jungschauspieler des Landes – Emilia Schüle („Ku’damm 56/5… | |
| und Jannik Schümann – gegeben werden, entspricht zwar nicht der Erfahrung. | |
| Aber es steigert ihr Identifikationspotenzial. Und dann erweisen sich die | |
| Außenseiter ja auch bald als die einzigen Normalen in diesem Film. | |
| Die Nachbarsfamilie ist nämlich komplett verkorkst: vom Vater über die | |
| Mutter bis zur Tochter. Der Vater (Felix Schmidt-Knopp) schläft mit Lenas | |
| Mutter (Anna Bederke), verspricht ihr, seine Frau zu verlassen, was das | |
| armselige Würstchen natürlich nie tun wird. Die betrogene Nachbarin (Sandra | |
| Borgmann) – so eine Ironie – schreibt erfolgreich Bücher mit Titeln wie | |
| „Die Kunst der Zweisamkeit“, hat aber gerade nichts Besseres zu tun als | |
| Lena mit einem Fake-Profil über die sozialen Netzwerke auszuspionieren. | |
| Die Tochter (Kyra Sophia Kahre) ist weniger klug und außerdem eine | |
| schlechtere Tänzerin als Lena, ihre „ex bff“, weshalb sie kurzerhand das | |
| Fake-Profil von ihrer Mutter übernimmt und Lena damit und mit Drogen in | |
| eine böse, böse Falle lockt. Ach so, der Film mit dem dramaturgischen | |
| Raffinement einer Bravo-Fotolovestory hatte damit angefangen, dass jemand | |
| einen Kleintransporter mit voller Absicht in das Esszimmer der verkorksten | |
| Familie fährt. Der Rest ist die Erzählung, wie es dazu kam und warum sie es | |
| nicht besser verdient haben. | |
| Das dürfte man so natürlich nicht schreiben, nachdem der | |
| „Coming-of-age-Cyber-Thriller“ von der Deutschen Film- und Medienbewertung | |
| (mit 4:1 Stimmen) das Prädikat „besonders wertvoll“ bekommen hat und | |
| Unterrichtsmaterialien den pädagogischen Einsatz im Schulunterricht | |
| ermöglichen: „ab 9. Klasse“ – vielleicht weil auf das vorweggenommene b�… | |
| Ende dann doch noch ein hoffnungsvolles Ende folgt. Anders als bei | |
| „Homevideo“. | |
| Liebe Lehrer, bitte klärt die Heranwachsenden weiter über die Gefahren des | |
| Internets auf. Bitte bleibt dafür aber bei „Homevideo“! | |
| 6 Apr 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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