| # taz.de -- Pädagoge über Sicherheit im Netz: „Das Handy ist Teil ihrer Ide… | |
| > Kinder können sich nicht mehr aussuchen, ob sie Medien nutzen, sagt der | |
| > Pädagoge Stefan Jahrling. Über Cybermobbing und das Smartphone am | |
| > Esstisch. | |
| Bild: „Warum soll ich da zuschauen?“ – Computer sind integraler Teil des … | |
| taz am wochenende: Herr Jahrling, sind Sie mit über dreißig nicht zu alt, | |
| um Kindern und Jugendlichen etwas über die digitale Welt zu erzählen? Die | |
| Medien entwickeln sich ja von Tag zu Tag schneller. | |
| Stefan Jahrling: Man kommt schon irgendwann in ein Alter, in dem die Kinder | |
| einem in manchen Bereichen weit voraus sind. Gerade in der Bedienung von | |
| Geräten, beim Benutzen von Apps und Kommunikationsplattformen sind die Kids | |
| total fit und stecken meistens jeden Erwachsenen in die Tasche. Sie sind | |
| damit aufgewachsen und haben nicht den Respekt oder die Ängste vor der | |
| Technik, die bei manchen Erwachsenen stärker da sind. Aber zum Umgang mit | |
| Medien gehört eben auch das Wissen, welche Strukturen hinter den Medien | |
| stecken, welchem Unternehmen man da seine Daten anvertraut. Zum Beispiel, | |
| dass die Channel vieler Youtube-Stars, die so ganz „real“ rüberkommen, von | |
| Unternehmen professionell und kommerziell produziert werden. | |
| Welchen Risiken begegnen denn Jugendliche im Internet? | |
| Risiken ist ein sehr negatives Wort, obwohl das sicher seine Berechtigung | |
| hat. Natürlich ist es wichtig, dass wir Aufklärung leisten über den Schutz | |
| der Privatsphäre, über Urheberrecht, Informationskompetenz und den Schutz | |
| fremder Personen. Im positiven Sinne sind es aber vor allem | |
| Herausforderungen in der normalen psychischen Entwicklung im Jugendalter. | |
| Dazu gehört die eigene Identitätsentwicklung und der Aufbau eines sozialen | |
| Umfeldes, und Kinder und Jugendliche nutzen heute dafür eben die Medien. | |
| Sie befinden sich sowieso in diesen Medienwelten und können sich kaum noch | |
| aussuchen, ob sie Medien nutzen oder nicht. Entscheidend ist daher das | |
| soziale Miteinander in den Medien, das erst mal gelernt werden muss. | |
| Wenn es etwa zu Cybermobbing kommt, ist etwas schiefgelaufen. | |
| Das ist für die Kids eine ziemliche Katastrophe, weil da etwas passiert ist | |
| in einem Bereich, der ihr Leben unmittelbar bestimmt. Da helfen typisch | |
| erwachsene Reaktionen wie „Dann schalte ich mein Handy eben aus“ gar nicht, | |
| weil das Handy für die Kids ein so starker Teil ihrer Identität ist. Und | |
| wenn bei den Eltern das Verständnis dafür fehlt, fällt es den Kindern sehr | |
| schwer, sich bei solchen Problemen an sie zu wenden. | |
| Was mache ich denn, wenn mir so etwas passiert? | |
| Ich sollte nicht zurückfeuern, denn das schaukelt die Situation weiter | |
| hoch. Es gibt verschiedene rechtliche Wege, mit denen man den Anbieter | |
| verpflichten kann, bestimmte Inhalte nicht weiter zu verbreiten. Die | |
| meisten Plattformen haben zum Beispiel eine Meldefunktion für beleidigende | |
| Inhalte. Das ist vor allem hilfreich, wenn der Täter unbekannt ist. Ich | |
| habe als Jugendlicher auch verschiedene Anlaufstellen, die mich bei meinen | |
| Problemen an die Hand nehmen. Sei es die „Nummer gegen Kummer“ oder die | |
| Seite Juuuport.de, eine Initiative, die Jugendliche als Medienscouts | |
| ausbildet, die dann wieder andere Jugendliche beraten. | |
| Das heißt, es geht um gegenseitige Unterstützung? | |
| Cybermobbing funktioniert ja dadurch, dass etwas in die breite | |
| Öffentlichkeit getragen wird, und die soziale Gruppe bemerkt solche Fälle | |
| natürlich. Da ist es wichtig, dass ich dagegen Zeichen setze und dem Mobber | |
| schreibe, dass das so nicht geht, auch wenn ich nicht betroffen bin. Das | |
| Wichtigste für die Betroffenen ist, dass sie Rückhalt im Freundeskreis | |
| bekommen, sonst ziehen sich Opfer oft sozial zurück. | |
| Insofern ist das nicht sehr anders als Schulhofmobbing? | |
| Mobbing ist natürlich nichts, was erst mit den digitalen Medien aufgekommen | |
| ist. Dass Kinder Konflikte haben und austragen ist auch ein Schritt in | |
| ihrer Entwicklung – Konfliktkompetenz will gelernt sein. Mobbing beginnt | |
| somit auch meistens nicht im Netz, sondern im sozialen Miteinander. | |
| Üblicherweise kennen sich Täter und Opfer. Der große Unterschied ist, dass | |
| der Mobber in den sozialen Medien die Kontrolle aus der Hand gibt und das, | |
| was er gestartet hat, nicht mehr einfangen kann. | |
| Wie bringt man seinen Kindern einen sicheren Umgang mit dem Internet bei? | |
| Spätestens wenn Jugendliche das erste Smartphone bekommen, geben die Eltern | |
| viel Kontrolle aus der Hand. Es ist wichtig, vorher schon eine | |
| Vertrauensbasis in dem Bereich aufgebaut zu haben. Das geht ganz gut, indem | |
| man sich einfach für das interessiert, was das Kind online macht, sich | |
| Sachen erklären lässt – oft kann man als Erwachsener viel dabei lernen. | |
| Manche Eltern fragen mich zum Beispiel: „Warum soll ich da zuschauen, wenn | |
| mich Computerspiele gar nicht interessieren?“ Es geht nicht um die Spiele, | |
| sondern um das Interesse am Kind und seiner Lebenswelt. Wenn Kinder wissen, | |
| dass ihre Eltern verstehen, warum ihnen das so viel bedeutet, kommen sie | |
| viel eher bei Problemen zu ihnen. | |
| Und was sind sinnvolle Regeln für die Mediennutzung? | |
| Man kann sich zum Beispiel über den Umfang des Medienkonsums einigen, etwa: | |
| Am Abendbrottisch haben Handys nichts zu suchen. Das gilt dann für die | |
| Kids, aber auch für die Erwachsenen, denn Kinder werden Regeln nur dann als | |
| sinnvoll empfinden, wenn sie auf Augenhöhe ausgehandelt wurden und von den | |
| Erwachsenen vorgelebt werden. Wenn ich mich beispielsweise als Erwachsener | |
| mit dem Handy ins Bett lege, wird das mein Kind auch tun. | |
| Wie viel Zeit mit digitalen Medien ist denn gesund? | |
| Da gibt es kein Patentrezept. Die Eltern kennen ihr Kind am besten, aber | |
| auch die Kinder haben meist ein gutes Gefühl, wie viel Computerspielen | |
| ihnen guttut. | |
| Viele Kinder würden aber auch ohne Ende Schokolade essen … | |
| Irgendwann ist natürlich der Punkt erreicht, an dem die Eltern ihrem Kind | |
| die Folgen zeigen müssen. Aber wenn das Kind ein gutes soziales Umfeld hat, | |
| Sport macht, einigermaßen regelmäßig die Hausaufgaben macht, warum sollte | |
| ich es dann einschränken? | |
| Wird in den Schulen genug getan, um Kindern Medienkompetenzen zu | |
| vermitteln? | |
| Es gibt zurzeit eine gewisse Aufbruchstimmung, dass man in der Richtung | |
| viel mehr machen will. Eigentlich sollte Medienbildung integraler | |
| Bestandteil jedes Unterrichts sein. | |
| Aber? | |
| Aber wenn wir das ernsthaft wollen, muss da in großem Stil investiert | |
| werden, vor allem auch in die Ausbildung von Lehrern. Denn so schnell, wie | |
| sich die Medien verändern, ist es für die Lehrer kaum zu leisten, dort | |
| neben dem regulären Unterricht auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Es sind | |
| auch politische Entscheidungen gefragt, denn während noch auf politischer | |
| Ebene herumdiskutiert wird, kommen längst die großen Firmen und wollen auf | |
| diesem Markt zuschlagen. Google hat beispielsweise Millionen in | |
| Kleincomputer investiert, mit denen schon Drittklässler arbeiten können. | |
| Und diese Firma hat zwar sicher ein Interesse daran, die Kinder technisch | |
| fit zu machen, aber nicht, sie zum kritischen Nachdenken über die | |
| Strukturen hinter den Informationstools anzuregen. | |
| 5 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Niklas Vogel | |
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