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# taz.de -- Kolumne Wirtschaftsweisen: Die Stellensuche hat was Hysterisches
> Sigmund Freud ist schuld – beziehungsweise der „A-, U- und G-Punkt“: Ü…
> die wissenschaftlichen Anfänge der #MeToo-Debatte und fortdauernder
> Männermacht.
Bild: Damit setzte Sigmund Freud sicher viele Punkte (Bild aus dem Freud Museum…
Wochenlang diskutierte die taz „#MeToo und kein Ende“ – diese Kolumne
handelt von den „wissenschaftlichen Anfängen“: 1896 hatte Sigmund Freud vor
Kollegen einen Vortrag gehalten, in dem er berichtete, dass etliche seiner
Patientinnen in ihrer Kindheit von männlichen Familienmitgliedern sexuell
missbraucht wurden.
Aus diesem Trauma entwickelten sich bei ihnen hysterische Symptome. Freud
stieß damit auf eine derartige Empörung, dass er seine Befunde widerrief:
Fortan waren diese Missbräuche bloße Mädchenfantasien – bis der
Psychoanalytiker Jeffrey Masson den Vorgang aufklärte und ein Buch darüber
schrieb: „Was hat man Dir, Du armes Kind, angetan. Sigmund Freuds
Unterdrückung der Verführungstheorie“ (1984). Er wurde daraufhin aus der
psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen.
1994 kam der US-Evolutionstheoretiker Stephen Jay Gould auf Freuds
irrealisierte Hysterietheorie zurück. Sie beinhaltet den Gedanken, dass die
„Reifung der Frau“ aus einem geglückten Übergang „vom klitoralen zum
vaginalen Orgasmus“ besteht. „In diesem Wechsel der leitenden erogenen
Zone“ liegen Freud zufolge „die Hauptbedingungen für die Bevorzugung des
Weibes zur Neurose, insbesondere zur Hysterie. Diese Bedingungen hängen
also mit dem Wesen der Weiblichkeit innigst zusammen.“
## Der Orgasmus als Anreiz zur Zeugung
Freuds Theorie wurde von Medizinern und Psychologen dankbar aufgegriffen,
schreibt Gould, der dagegen die großen empirischen Untersuchungen der
US-Sexualforscher – vorneweg den Kinsey-Report – hielt, die ab 1953 beim
Befragen von vielen tausend Frauen eindeutig, wie er sagt, zu dem Ergebnis
kamen, dass sie fast alle einen Orgasmus bei Reizung ihrer Klitoris
bekamen, in der Vagina dagegen keinen. Zeugung und Lust sind getrennt. Man
ging jedoch allgemein davon aus, dass der Geschlechtsverkehr der Zeugung
dient und der Orgasmus quasi der Anreiz dazu ist.
Der Befund der Sexualforscher wurde nicht zur Kenntnis genommen, weil, so
Gould, „der klitorale Orgasmus ein Paradoxon nicht nur für die herkömmliche
darwinistische Biologie ist, sondern auch für das Nützlichkeitsvorurteil,
auf das sich alle funktionsbezogenen Evolutionstheorien gründen, sowie für
die viel ältere Tradition der Naturtheologie“. Dieses Vorurteil machte
Millionen Frauen unglücklich, weil sie nach Gould meinten, „sie müssten
ihre Reife anhand dieses biologisch unmöglichen Übergangs definieren“. Da
konnte man schon hysterisch werden!
Die „Heerscharen von Psychoanalytikern, Eheberatern und Hunderte von
Zeitschriftenartikler“ gaben nicht auf: Sie erfanden den „G-Punkt“ in der
Vagina und fahndeten danach. Der G-Punkt heißt auch „Zone“ und wird nach
dem Gynäkologen Ernst Gräfenberg benannt. Heute gibt es von
[1][gofeminin.de] neben 5 Millionen weiteren Interneteinträgen zum G-Punkt
das Versprechen: „Ekstase pur und ein Plus an Lust“. Während
[2][lovebetter.de] weiß, wie Frauen „den G-Punkt finden“. Wenn nicht, kann
man ihn sich mit Kollagen vergrößern – „aufspritzen“ – und zudem die …
„straffen“ lassen. 2008 meldete Die Welt: „Den G-Punkt gibt’s tatsächl…
Aufatmen bei den Männern: Dann hat die Frau ja doch was vom Penetrieren.
## Eine neu entdeckte Stelle – eine „Zone“
Aber schon fragt sich [3][fem.com]: „U-Punkt: Heißer als der G-Punkt?“:
Diese quasi neu entdeckte Stelle, ebenfalls eine „Zone“, soll sich an der
Harnröhre befinden. Man soll den „U-Punkt fühlen, kann ihn aber auch mit
dem „G-Punkt-Vibrator“ finden. Inzwischen fragt sich schon
[4][erdbeerlounge.de]: Was, „du kennst den U-Punkt nicht? Dann wird es
höchste Zeit.“
Das stimmt! Denn Focus spricht bereits von einem „A-Punkt“ – und verrät
sogleich den Männern (!), wo der sich nun genau befindet, damit sie ihre
Partnerin noch glücklicher machen. Auch diese ganze Stellensuche (A-, U-
und G-Punkt) hat was Hysterisches. Aber diese Bedingungen hängen eben mit
dem Wesen der Frau innigst zusammen, wie Freud meinte. Oder vielleicht doch
eher mit fortdauernder Männermacht?
2 Apr 2018
## LINKS
[1] http://www.gofeminin.de/
[2] http://lovebetter.de/
[3] https://www.fem.com/
[4] https://www.desired.de/games/mahjong/
## AUTOREN
Helmut Höge
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