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# taz.de -- Kolumne Wirtschaftsweisen: Respekt, jetzt auch für Tiere
> Heute wird allerorten wieder mehr „Respekt“ eingefordert, beobachtet
> unser Autor. Allerdings bleibe oft unklar, was genau damit gemeint sei.
Bild: Kann auf jeden Fall nicht schaden!
Kürzlich postete einer auf Facebook: „Ich stamme aus der Generation
‚Respekt vorm Alter‘ und nicht ‚Ey Alter, Respekt‘.“ Er ging offenbar…
auf die Polytechnische Oberschule „Werner Seelenbinder“ in Potsdam. Wann
genau, weiß ich nicht, aber da er in der DDR lebte, wird ihn die
antiautoritäre Bewegung samt Amerikanismus kaum tangiert haben.
Ich, Jahrgang 1947, habe dagegen die „Respekt vorm Alter“ und vor deren
Autorität Einfordernden in meiner Schulzeit gehasst. In meiner Abneigung
gegenüber aus dem Krieg zurückgekehrten „Respektspersonen“ kamen mir ab
1967 glücklicherweise die Studentenbewegung und die chinesische
Kulturrevolution entgegen. Respekt wurde zu einem Ekelwort, was den „68ern“
nun vorgeworfen wird.
Der Einwurf des Potsdamers beleuchtet einen Paradigmenwechsel: Die Tage der
Respektspersonen, zu der einst auch der Polizist an der Ecke gehörte – im
Gegensatz zu den gepanzerten Bullen von heute –, sind gezählt. An ihrer
Stelle fordert eine neue Generation Respekt ein, wobei der Begriff nicht
mehr denselben Inhalt hat. So eröffneten etwa bei mir um die Ecke einige
mit Afrikanern liierte Frauen eine „Respect-Bar“, was auf respektvollen
Umgang mit Menschen aus der früher so genannten Dritten Welt zielte.
Respekt kommt aus dem Lateinischen und bedeutete so viel wie „Zurücksehen,
Berücksichtigen“. Von da ist es nicht weit bis zur „Rücksicht“. Im
konkreten Fall geht der Blick zurück auf die rücksichtslose Kolonisierung
Afrikas, woraus sich der Anspruch einer nunmehrigen Berücksichtigung
ergibt. So weit scheint alles klar. Aber der Begriff oszilliert noch immer,
auch in der sich um „politische Korrektheit“ bemühenden
Bachelor-Generation.
## Fast ausgestorbene Respektspersonen
„Was ist eigentlich Respekt?“, fragte sich eine Bloggerin exemplarisch.
„Einerseits klingt das Wort cool, nach gerapptem Ehrenkodex. Andererseits
aber auch nach hochgezogenen Augenbrauen und verärgertem Kopfschütteln.“
Bei Letzterem denkt man nicht mehr an die weitgehend ausgestorbenen
Respektspersonen, eher an arme Bittsteller oder despektierlich behandelte
Kunden beziehungsweise Klienten. Goethes Diktum „Sich im Respekt zu
erhalten, muss man recht widerborstig sein“, gilt heute für Randgruppen und
Minderheiten.
„Jobcentern fehlt der Respekt!“ titelte die Berliner Zeitung, und das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales nannte ein „Pilotprogramm“, mit
dem „junge Menschen in einer schwierigen Lebenslage (zurück) auf den Weg in
Bildungsprozesse, Ausbildung oder Arbeit“ geholt werden sollten, „Respekt�…
In dem Buch „Was heißt hier Respekt?!“ (2015) der Journalistin Elke
Reichart erinnert sich eine Interviewte an Debatten ihrer Jugend: „Zum
Beispiel las ich ‚Das Kapital‘ von Marx und vertrat dessen Thesen lauthals
gegenüber meinem Vater, der den Kommunismus strikt ablehnte. Aber dennoch
diskutierte er alle Theorien geduldig mit mir durch. Er nahm sogar
bösartige Bemerkungen wie ‚Ihr wart ja alle Nazis‘ zur Kenntnis, zollte mir
damit Respekt, aber er akzeptierte sie natürlich nicht.“
## Berghirten und Schneeleoparden
Gilt das auch gegenüber den Minderheiten, denen die Mehrheit heute
respektvoller gegenübertritt – ohne sie zu akzeptieren? Das ist jedenfalls
immer der Verdacht bei der „Political Correctness“: dass sie den „Anderen…
bloß kalten Respekt zollt.
Die zitierte Interviewte hat aus ihren Gesprächen mit dem Vater gelernt:
„Man darf alles sagen, im richtigen Rahmen und mit Respekt …“ Andererseits
hat sie später erfahren: „Man wird nicht respektiert, wenn man selbst
zurückweicht.“ Dies gilt auch für Belegschaften. Am Anfang von
Arbeitskämpfen heißt es oft: „Kollegen, wir müssen uns mehr Respekt
verschaffen!“
Mit der Abwendung von der Ökonomie und der Hinwendung zur Ökologie soll
sich der „Respekt“ auch auf Tiere, in der Schweiz sogar auf Pflanzen
erstrecken. Aus dem indischen Ladakh berichten Biologen, dass dort die
Berghirten und die Schneeleoparden „Respekt füreinander entwickelt haben“.
22 Oct 2017
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Kolumne Wirtschaftsweisen
Tiere
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Tiere
Urban Gardening
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