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# taz.de -- Probleme mit Virtual-Reality-Spielen: Die versprochene Revolution
> Virtuelle Realität wird seit Jahren als das nächste große Ding auf dem
> Computerspielemarkt angepriesen. Doch dafür gibt es zu viele Probleme.
Bild: Virtual Reality-Spiele: Doch nicht die Zukunft?
Sie setzen sich eine Brille auf und sind plötzlich nicht mehr auf Ihrem
Sofa. Sondern in einer Höllenlandschaft. Lava, Qualm, überall Gestein. Kaum
haben Sie sich orientiert, kommt ein dreiäugiges Monster auf sie
zugerannt. Wenn Sie jetzt schnell genug sind, erinnern Sie sich an Ihre
Waffe. Sie ziehen, zielen und …
So ungefähr können sich Unerfahrene die virtuelle Realität (VR)
vorstellen. Mit der massigen VR-Brille auf dem Kopf sollen Videospiele noch
stärker immersiv werden – also die Spieler*innen noch mehr einnehmen.
Bisher hat diese gewollte Revolution jedoch Startschwierigkeiten. Dabei
wird diese neue Art des Spielens [1][auf jeder Gamingmesse] inszeniert.
Schon seit Jahren verspricht VR das Spielen zu revolutionieren. Facebook
hat deshalb vor vier Jahren das Unternehmen Oculus VR, den Hersteller der
Oculus-Rift-Brille, für 2 Milliarden Dollar gekauft. Microsoft gibt viel
Geld für die HoloLens aus, ein Headset, dass eine künstliche Realität
erreichen soll – also noch einen Schritt mehr als virtuelle Realität.
Die bekanntesten Modelle – PlayStation VR, Oculus Rift, HTC Vive – kosten
350 bis circa 1.000 Euro. Zusätzlich brauchen Nutzer*innen auch noch
eine PlayStation 4 beziehungsweise einen PC. Das ist teuer. Offenbar zu
teuer für viele.
Doch der Preis ist nicht das einzige Problem. Denn wer nie eine VR-Brille
vor den Augen hatte, dem kann kaum begreiflich gemacht werden, welche
Auswirkungen sie hat. Wie also ein Produkt bewerben, das man ausschließlich
durch eigenes Erleben wirklich beurteilen kann?
## Wer geht schon gerne in einen Laden?
Dieses Problems war sich auch Sony bewusst. Der Hersteller der PlayStation
VR gibt zu, dass man lange über das Marketing nachgedacht habe.
Schlussendlich habe man sich dafür entschieden, die VR-Brillen vor allem in
Elektrokaufhäusern zu bewerben. Dort können Kund*innen oftmals direkt
ausprobieren, wie sich VR anfühlt.
Doch wer geht schon gern in einen Fachmarkt, um ein Produkt auf bloßen
Verdacht hin auszuprobieren? Ein Massenmarkt wird damit nicht angesprochen.
Zuletzt gab das Unternehmen bekannt, dass es weltweit zwei Millionen seiner
PlayStation VR verkauft habe. Im Vergleich zu den 70 Millionen verkauften
PlayStation 4 recht wenig.
Wäre also VR das nächste große Ding, wenn es nur richtig beworben werden
könnte? Es bleiben Zweifel. Ich habe mit einer Freundin einen kleinen Test
der VR durchgeführt.
Sie will sich an dem Horrorspiel „Resident Evil 7“ ausprobieren. Sie will
testen, wie sich solch ein Spiel in VR anfühlt. Ich habe es schon ein
paarmal durchgespielt, zwar ohne VR-Brille, aber so richtig überraschen
wird mich wohl nichts mehr. Ich verspreche ihr deshalb, sie verbal durch
das Spiel zu führen, sie an die Hand zu nehmen.
## Schnell läuft der Schweiß
Sie setzt sich die klobige Brille auf, nimmt den Controller in die Hand,
steckt sich die Kopfhörer ins Ohr – vollkommen abgeschottet begibt sie sich
nun in das Spiel. Wenn sie nach oben blickt, sieht sie die Decke des
Raumes, durch den sie gerade im Videospiel geht. Wenn sie den
Bewegungsstick auf dem Controller benutzt, bewegt sie sich durch das Haus,
kann sich Möbel oder andere Figuren ganz genau anschauen, als stünde sie
wirklich vor ihnen.
Das wirkt. Schon bald läuft ihr der Schweiß über die Stirn. Sie fragt immer
häufiger und unruhiger, was als Nächstes passieren wird. Es gibt keine
Verschnaufpause, kein Wegsehen. Überall um sie herum ist diese virtuelle
Welt.
Nach kurzer Zeit muss sie die Brille absetzen. Sie hat sich so sehr
erschrocken, als sie im Spiel eine Leiter hochkletterte und sich der Arm
ihrer Spielfigur in das Bild schob.
Das Überwältigungsmoment ist beim Spiel in VR groß. Besonders
Gelegenheitsspieler*innen kann es abschrecken, wenn sie komplett von der
Umwelt abgeschottet sind und sich plötzlich in einer anderen Welt befinden.
## Nicht alles geeignet
Doch nicht nur die Immersion ist stark, auch der Aufwand ist groß: Mal
schnell eine Runde spielen? Ist nicht, jedenfalls nicht „mal schnell“. Denn
vorher müssen Kabel verlegt, muss die VR-Brille aufgesetzt und justiert,
der richtige Abstand zum Fernseher eingehalten und alles kalibriert werden.
Diese Hürden kennt auch die Entwicklerin Stina Flodström, die selbst schon
an VR-Titeln gearbeitet hat. So seien Spiele, die auf Schnelligkeit setzen
oder etwa mit flotten Kameraschwenks arbeiten, kaum für VR geeignet. Den
Spielern würde sonst einfach schlecht werden. Und spielen mit dem Eimer
neben dem Sofa will niemand.
Für sie selbst sei die erste Erfahrung mit VR jedoch sehr beeindruckend
gewesen. „Ich hätte mich beinahe an einen Schrank angelehnt, der eigentlich
gar nicht da war“, erzählt sie. Zwar habe sie eigentlich gewusst, dass es
sich um ein Spiel handle, aber ihr Körper habe irgendwann wie automatisch
auf die Umgebung reagiert, wie auch im echten Leben – denn das Hirn glaube
eben das, was es sehe.
Doch auch Flodström meint, dass VR momentan noch ein Nischenprodukt ist.
Sie sieht die interessantesten Entwicklungen aktuell außerhalb des
Spielemarkts. So könnten etwa Menschen auf einen technischen Beruf
vorbereitet werden, wenn sie die Bedienung von Maschinen in einer
VR-Umgebung erlernen. Ebenso könnten die Brillen auch in der Medizin
eingesetzt werden, um Operationen zu trainieren oder Patienten beim
Wiedererlangen motorischer Fähigkeiten zu unterstützen.
## VR eine Chance geben
Wenn VR im Massenmarkt ankommen will, müsse sie sich stark verändern, sagt
Flodström. Günstiger und leichter zu bedienen werden. „Wir gehen ja gerade
die ersten Schritte. Wahrscheinlich wird sich VR zu etwas entwickeln, das
wir uns momentan noch gar nicht ausmalen können.“
Bei den meisten der aktuellen Mainstreamspiele, die für die virtuelle
Realität entwickelt werden, handelt es sich um Zusätze zu Spielen, die
schon vor Jahren erschienen sind, wie etwa zu dem Rollenspiel „Skyrim“. Das
kam erstmals 2011 auf den Markt. Seitdem wurde es auf jede nur erdenkliche
Spieleplattform portiert.
Und jetzt eben auch für VR optimiert. Nun können die Spieler die große,
offene Spielwelt so erkunden, als wären sie selbst dort. Sie sehen die
schneebedeckten Berge, als stünden sie vor ihnen. Doch an den Mechaniken
des Spiels ändert sich sonst nichts. Sie haben noch immer den Controller in
der Hand. Müssen noch immer den Stick nach vorne drücken, um sich zu
bewegen.
„Wir müssen noch viele Möglichkeiten entdecken, die nur mit VR realisierbar
sind“, sagt Flodström dazu. Denn VR werde erst dann wirklich Interesse
wecken können, wenn es nicht nur ein Zusatz zu einem Videospiel ist,
sondern das Medium selbst grundlegend verändert. Doch dazu haben sich die
VR-Brillen bisher nicht oft genug verkauft. Ein Teufelskreis. „Wir haben
Dekaden damit verbracht, herauszufinden, wie man Videospiele macht. VR gibt
es erst seit zwei Jahren“, sagt Flodström: „Gebt ihr eine Chance.“
1 Apr 2018
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## AUTOREN
Matthias Kreienbrink
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