| # taz.de -- Zukunft von Unterhaltungselektronik: Zockende Politiker | |
| > Die „Washington Post“ bietet ein Format an, in dem Politiker Videospiele | |
| > spielen und über Politik reden. Wäre das auch in Deutschland denkbar? | |
| Bild: Merkel auf der Gamescom 2017 | |
| Angela Merkel sitzt vor der Kamera, sie hält einen Controller in der Hand, | |
| blickt auf einen Fernseher, spielt Landwirtschaftssimulator – und spricht | |
| dabei über Politik. Das ist fiktiv – noch. Denn zumindest in den USA gibt | |
| es so ein Format seit Kurzem. Die Washington Post wagt diesen Versuch auf | |
| der Streaming-Plattform Twitch. [1][„Playing Games With Politicians“] heißt | |
| das Format, mit dem die Zeitung zwei vermeintlich unvereinbare Dinge | |
| zusammenbringen möchte: Videospiele und Politik. | |
| Twitch – das ist [2][die Streaming-Plattform für Gamer]. Hier setzen sich | |
| Spieler vor die Kamera und spielen Videospiele. Bekannte Streamer wie etwa | |
| „Ninja“ oder „Dr. Disrespect“ machen über die Plattform viel Geld, da | |
| Zuschauer ihren liebsten Kanälen etwas zukommen lassen können. Und | |
| Zuschauer gibt es viele: Im letzten Monat etwa waren es täglich | |
| durchschnittlich eine Million Menschen, die insgesamt über 700 Millionen | |
| Stunden an Livestreams geschaut haben. | |
| Nun also möchte die Washington Post in diesen Markt eindringen. Videospiele | |
| und Politik – das scheint in den Augen einiger Gamer nicht | |
| zusammenzugehören. So kommt es etwa immer wieder zu einem Aufschrei eines | |
| kleinen aber lauten Teils der Spielerschaft, wenn mehr auf Diversität | |
| geachtet wird. Wenn etwa eine Frau das Cover eines Shooters ziert, der im | |
| Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist – die habe es doch damals gar nicht | |
| gegeben. Oder wenn in einem Trailer zu einem kommenden Actionspiel ein | |
| lesbisches Paar im Mittelpunkt steht. | |
| „Das Format klingt spannend und ist vielleicht eine Brücke zwischen zwei | |
| Welten, die erst einmal nichts miteinander zu tun haben“, meint Carola, die | |
| wie alle hier befragten Gamer anonym bleiben will. Die 31-Jährige ist seit | |
| 2014 aktiv auf Twitch, zunächst als Zuschauerin. Doch 2015 ging sie dann | |
| selbst unter die Streamerinnen. Jetzt arbeitet sie halbtags im | |
| Lebensmitteleinzelhandel und verdient sich als Twitch-Streamerin etwas | |
| dazu. Über 14.000 Follower hat sie schon. Der erfolgreichste | |
| Twitch-Streamer, „Ninja“, jedoch hat 9,9 Millionen – der erfolgreichste | |
| Deutsche immerhin gut eine Million. | |
| ## In Deutschland könnte die Scheu zu groß sein | |
| Carola könne sich schon vorstellen, so ein politisches Format auf Twitch zu | |
| schauen. Jedoch eher nicht, wenn es sich um amerikanische Politiker | |
| handelt. Aber in Deutschland? „Ich denke, dass viele, die sich nicht mit | |
| Politik beschäftigen, so einen ersten Anlaufpunkt finden könnten. Andersrum | |
| könnten die Politiker eine ganz neue Wählergruppe kennenlernen.“ | |
| „Ich finde es gar nicht schlecht, wenn Politiker sich mit dem Thema | |
| auseinandersetzen“, findet auch Michael. Er habe sich auch schon einen | |
| Stream der Washington Post angeschaut. In diesem hat der Republikaner Matt | |
| Gaetz „Madden NFL 2018“ gespielt – also ein „American Football“-Spiel… | |
| was findet Michael aber eher uninteressant. „Was ich mir wünschen würde, | |
| ist, dass Politiker mit solchen Spielen konfrontiert werden, die | |
| vermeintlich problematisch sind“, meint er. „Counter Strike“ etwa oder | |
| „Call of Duty“. Spiele also, die lange Zeit als „Killerspiele“ bezeichn… | |
| wurden und so den Diskurs um Videospiele bestimmten. Zudem könne man dann | |
| auch über Politik sprechen, die Videospiele direkt betrifft. | |
| Michael schaut abends etwa zwei Stunden Twitch. Zwei Kanälen lässt er | |
| regelmäßig Geld zukommen – jeweils 5 Euro im Monat. Er bezweifelt | |
| allerdings, dass es so ein Format jemals in Deutschland geben wird. Die | |
| Scheu sei viel zu groß. | |
| Das Spielemagazin spieletipps hat vor der Bundestagswahl im vergangenen | |
| September [3][einige Politiker gefragt], welche Spiele sie ihren Wählern | |
| empfehlen würden. Sie haben tatsächlich Antworten bekommen. Der | |
| Grünen-Politiker Konstantin von Notz spiele demnach gern die | |
| Fußballspielreihe „Fifa“. Der SPD-Politiker Sören Bartol das Strategiespi… | |
| „Civilization 6“. Und Dr. Peter Tauber von der CDU verbringe gern viel Zeit | |
| in dem Rollenspiel „The Elder Scrolls 5 – Skyrim“. | |
| Ein Interesse an Videospielen in der Politik scheint also durchaus da zu | |
| sein. Was fehlt, ist wohl eher der unaufgeregte Diskurs – fern von | |
| „Killerspielen“ und Sucht –, der Videospiele als ein valides Medium wie | |
| Film oder Literatur behandelt. Und dann, wer weiß, findet das nächste | |
| Sommerinterview mit Angela Merkel ja vielleicht doch vor einem Fernseher | |
| statt. Mit dem Controller in der Hand. | |
| 29 Aug 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.twitch.tv/washingtonpost/videos/all | |
| [2] /Computerspielegucken-mit-Twitch/!5034545 | |
| [3] https://www.spieletipps.de/artikel/7606/1/ | |
| ## AUTOREN | |
| Matthias Kreienbrink | |
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