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# taz.de -- Nazisymbole in Videospielen: Nazis als Nazis zeigen
> Familienministerin Giffey legt Einspruch ein gegen die Verwendung von
> Nazisymbolen in Computerspielen. Ihre Argumente überzeugen nicht.
Bild: Szene aus “Through the Darkest of Times“
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ist aus der Sommerpause
zurück und hat in ihrer Rolle als oberste Jugendschützerin gleich eine
Ermahnung auszusprechen: „Mit Hakenkreuzen spielt man nicht“, [1][sagte sie
am Donnerstag der Funke Mediengruppe] und reagierte damit – über drei
Wochen später – auf eine Regeländerung der Prüfstelle Unterhaltungssoftware
Selbstkontrolle (USK).
Die USK ist für die Jugendfreigabe von Videospielen zuständig und hat
bereits Ende Juli festgelegt, dass verfassungsfeindliche Symbole wie
Hakenkreuze in Zukunft in Games auftauchen dürfen: Unter der Bedingung,
dass sie „der Kunst oder der Wissenschaft, der Darstellung von Vorgängen
des Zeitgeschehens oder der Geschichte“ dienen. Die Branche freut sich,
denn ihr Medium wird damit als Kunst anerkannt: In Filmen oder
Theaterstücken sind derartige Symbole bereits erlaubt.
Das erste Spiel, das Hakenkreuze zeigt, nennt sich “Through the Darkest of
Times“ und wurde Mittwoch auf der weltgrößten Spielemesse [2][Gamescom
vorgestellt (die taz berichtete)]. Und erregte ausreichend mediale
Aufmerksamkeit, um die Politik zu erreichen.
Der israelische Botschafter in Deutschland twitterte, er sei geschockt über
die Hakenkreuze, eine Sprecherin der Unionsfraktion nannte Videospiele als
nicht angemessen, um sich mit Nationalsozialismus zu beschäftigen und
Giffey reagierte mit einem moralischen Appell: “Gerade in Deutschland
müssen wir uns auch heute unserer besonderen historischen Verantwortung
immer bewusst sein.“
## Fortgesetzte Ignoranz
So weit, so selbstverständlich – jedoch lassen die Aussagen Giffeys und
ihrer Unionskollegin den Schluss zu, dass sie sich mit “Through the Darkest
of Times“ und der erzählerischen Tauglichkeit von Videospielen bisher nicht
besonders eingehend auseinandergesetzt haben.
Das Indie-Game eines kleinen Berliner Entwicklerstudios befasst sich mit
dem zivilen Widerstand im Zweiten Weltkrieg. Die ProtagonistInnen sind
angelehnt an eine Gruppe mit etwa 100 Mitgliedern, die von der Gestapo zum
Netzwerk “Rote Kapelle“ gezählt wurde.
Ziel des Spiels ist es, die Moral der Gruppe aufrechtzuerhalten und das
Netzwerk nicht auffliegen zu lassen. Die Handlung setzt ein nach Hitlers
Machtergreifung, zu jeder Etappe gibt es vorab eine geschichtliche
Einführung. Mit dem Spiel wollen die Entwickler ein Bewusstsein schaffen
für die Unterdrückung Oppositioneller in Nazideutschland und für die
Dynamiken, die sich in einer Widerstandsgruppe entfalten können.
Dafür braucht man nicht zwangsläufig Hakenkreuze. Jedoch fielen unter die
verbotenen Symbole bisher auch der Hitlergruß, SS-Uniformen und Abbildungen
Adolf Hitlers. Entwickler wie die von “Through the Darkest of Times“ waren
dadurch gezwungen, Nazis zu verharmlosen: Als unscharfe graue Männer ohne
Symbole, die ihre Ideologie widerspiegeln.
## Herr Heiler?
Die NS-Zeit nachspielen – das an sich kann man geschmacklos finden;
unbedingt geschmacklos ist aber, was die bisherige USK-Regelung mit
Computerspielen machte, die längst auf dem Markt sind und sich ernsthaft
mit der Geschichte auseinandersetzen: In der deutschen Version des
antifaschistischen “Wolfenstein II“ hat Hitler vorsichtshalber keinen
Schnurrbart und heißt “Herr Heiler“, das Hakenkreuz ist ein Dreieck und
jüdische Figuren sind nicht mehr jüdisch. Alles, was auf den Holocaust
hindeutet, wurde entfernt. Die lächerliche Karikatur “Herr Heiler“, die ein
Regime anführt, das nichts mit Massenmord zu tun hat? In Kritiken wurde das
deutsche Wolfenstein II immer wieder als geschichtsrevisionistisch
bezeichnet.
Nicht erst seit gestern generieren Jugendliche ihr Wissen über historische
Ereignisse auch über Videospiele. Die neue USK-Regelung ermöglicht es
Entwicklern, diese in einer Art und Weise darzustellen, die nichts
ausblendet.
Reine Kriegsspiele, die die Schrecken des NS-Regimes nicht thematisieren,
weil sie den Spielfluss stören könnten oder “nicht unterhaltsam“ sind,
sollten nach wie vor keine verfassungsfeindlichen Symbole verwenden dürfen.
Die von der USK vorgesehenen Einzelfallprüfungen müssen das gewährleisten,
denn, wie die Familienministerin es sagte, “gerade in Deutschland müssen
wir uns auch heute unserer besonderen historischen Verantwortung immer
bewusst sein.“
23 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/neue-regelung-giffey-kritisiert-ns-symbole-i…
[2] /NS-Symbole-in-Videospielen/!5525850
## AUTOREN
Leonie Gubela
## TAGS
Zensur
Hakenkreuz
Videospiele
Games
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Computerspiel
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Benjamin Netanjahu
Digitale Medien
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