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# taz.de -- Hype um das Videospiel „Fortnite“: Eine dadaistische Spielwiese
> Auf den Schulhöfen dieser Welt wird nur über eins gesprochen: das
> Videospiel „Fortnite“. Was fasziniert Millionen von Spielern daran?
Bild: Fußballer Antoine Griezmann feiert gerne mal ein Tor mit dem „Take the…
Es ist dieses befriedigend satte Grün, das sich über Hügel zieht und in
einem Irrgarten aus Häusern und Gängen endet. Es ist ebenso dieses
Quietschen, das aus der Ferne kommt, der kurze Schockmoment, ob es sich um
Freund oder Freund handelt – ein Freund! –, der in einem Einkaufswagen
angerollt kommt, kurz innehält und dann den grünen Hügel hinunterscheppert.
Für Videospiele interessiere ich mich schon lange. Spiele sie, schreibe
über sie. Das Spiel „Fortnite“ jedoch – das ist auch für mich, ja, Neul…
Gleichzeitig aber ist „Fortnite“ auch das aktuell erfolgreichste Spiel
überhaupt. „Fortnite“ ist ein globales Phänomen, das von Kindern und
Jugendlichen genauso verstanden wird wie von Erwachsenen. Ein Phänomen, das
schon Popkultur geworden ist. Also habe auch ich es nun für einige Stunden
gespielt.
„Fortnite“ ist ein Vertreter des sogenannten „Battle Royale“-Genres. In
diesen Spielen geht es grob ausgedrückt darum, als letzter Spieler auf
einem ausladenden Spielfeld zu überleben. Zu diesem Überleben gehört,
andere Spieler zu besiegen – indem man sie mit einer der zahlreich auf dem
Spielfeld auffindbaren Waffen trifft.
Ja, „Fortnite“ ist ein sogenannter Shooter – da man in diesem Spiel
schießt. Insgesamt finden sich pro Runde 100 Spieler auf dem Spielfeld
wieder. Während eines Matches wird das Spielfeld aber immer kleiner. Ein
Sturm tobt an den Rändern und zieht sich immer weiter zusammen.
Die Spieler müssen diesen meiden und so immer weiter in die Mitte des
Feldes vordringen – es ist also im wahrsten Sinne vorprogrammiert, dass die
Spieler sich nicht aus dem Weg gehen können. Je nach gewähltem Modus kämpft
man alleine, in einer Gruppe aus fünf Menschen, die dann auch möglichst
taktisch zusammenarbeiten müssen. Oder aber es kämpfen 50 gegen 50.
## Wer besser baut, siegt
Der letzte Modus war es, der mich in meinem ersten Match reizte. Die
Überlegung: Wenn ich mit 50 Menschen zusammen kämpfe, falle ich sicher
nicht so auf – bekomme womöglich sogar Hilfe. Die Runde startet damit, dass
ein Bus über dem Spielfeld fliegt. In diesem Bus befinde ich mich mit den
99 anderen Spielern. Auf Knopfdruck verlassen sie alle den Bus, springen
ins Freie und fliegen in wahnwitziger Geschwindigkeit auf den Boden zu.
Bis sie alle schlussendlich einen Fallschirm ziehen und sicher landen. Mich
verschlägt es, völlig ortsunkundig, auf das eingefallene Dach eines allein
auf weiter Flur stehenden Hauses. Hier finde ich zum Glück direkt eine
Waffe. Und ich finde einige andere Spieler*innen, die alle in eine Richtung
laufen – denen schließe ich mich an. Kurz darauf sehe ich direkt das, was
„Fortnite“ so besonders macht.
Ich sehe, wie Spielfiguren vor Bäumen, Steinbrocken und Bauten stehen und
mit einer Spitzhacke auf sie einschlagen. Sie bauen Rohstoffe ab, um gleich
darauf die wahnwitzigsten Bauten zu kreieren.
In „Fortnite“ gewinnen nämlich nicht die Spieler, die am besten virtuell
schießen können, sondern diejenigen, die am besten bauen können. Stege
etwa, um einen höheren Punkt zu erreichen und damit im Vorteil zu sein.
Türme, um die Umgebung zu scannen. Oder Schutzwälle, um sich und das Team
vor gegnerischem Beschuss zu schützen. Diese Bauten entstehen teilweise im
Flug, bauen sich im schnellen Lauf direkt vor den Spielern auf, um sie über
einen tiefen Abgrund zu bringen.
## Nicht ganz gratis
Auf mich wirkt das beinahe wie eine Choreografie. Eine moderne
Kunstinstallation, die immer wieder neu entsteht und dann wieder abgerissen
wird. Genauso aber lässt mich dieses Schauspiel erkennen, wie gut man in
diesem Spiel werden kann. Und wie kreativ. Denn im Laufe meiner ersten
Matches bleibe ich immer wieder stehen, um die anderen Spieler zu
beobachten.
Wie sie auf Trampolinen in die Höhe springen, Holzsteg an Holzsteg reihen
und sich damit zum Himmel emporschrauben. Oder eben wie sie Gegenstände wie
einen Einkaufswagen nutzen, um über Hügel zu brettern. In diesen ersten
Stunden meines Spielens ahne ich schon, was dieses Spiel so erfolgreich
macht.
Ein paar Zahlen: Im Mai hat das Studio hinter „Fortnite“, Epic Games, 318
Millionen Dollar eingenommen – nur mit diesem Spiel. Kürzlich gab das
Unternehmen bekannt, dass 125 Millionen Menschen weltweit „Fortnite“
spielen. Auf ganz unterschiedlichen Plattformen: PC, PlayStation 4, Xbox
One, Nintendo Switch oder iPhone. Die hohe Zahl der Spieler lässt sich auch
dadurch erklären, dass das Spiel zunächst kostenlos ist. Es handelt sich um
das „Free to Play“-Modell, das Spielern ein kostenloses Spielen ermöglicht,
gleichzeitig aber mit kostenpflichtigen Zusatzangeboten lockt.
So bietet der „Battle Pass“ etwa die Möglichkeit, dass Spieler besondere
Kostüme oder Emotes – also Bewegungen wie Siegesposen und Tänze –
freispielen können. Dafür müssen sie dann aber 10 Euro zahlen. Durch diese
niedrige Schwelle ist „Fortnite“ auch gerade für ein jüngeres Publikum se…
reizvoll.
Nach gut vier Stunden des Spielens kann ich erste kleine Erfolge verbuchen.
Ich habe langsam raus, wie ich zumindest einfache Wälle und Stege bauen
kann. Ich habe auch schon die ersten Spieler getroffen, bevor sie mich
treffen konnten. Ein paar Mal habe ich es schon unter die besten 20
geschafft und merke direkt, dass dieses Spiel mich anspornt, besser zu
werden.
## Gewaltgrat: Ducktale-Comics
Und ich merke auch, woher dieser Hype um das Spiel kommt – es macht einfach
Spaß. In seinem absoluten Wahnsinn, in seinen fast schon dadaistischen
Momenten, in denen Spieler hüpfen, schießen, tanzen, bauen und
Einkaufswagen fahren. Dazu kommt diese bunte Grafik, die auf
Gewaltdarstellungen weitestgehend verzichtet: Ein Ducktales-Comic dürfte
einen ähnlichen Gewaltgrat haben.
„Fortnite“ ist inzwischen schon mehr als ein Videospiel, es ist Popkultur.
Rapper wie Drake streamen das Spiel im Internet und Hunderttausende schauen
zu. Profisportler stellen die Tänze und Siegesposen aus dem Spiel nach, wie
zuletzt etwa Fußballer Antoine Griezmann beim WM-Finale. Auf den Schulhöfen
dieser Welt wird momentan über kein Thema ausgiebiger gesprochen. Es ist
ein verbindendes Moment. Genauso lässt es aber auch viele Eltern fragend
zurück, die nicht verstehen, womit ihre Kinder viele Stunden ihres Tages
verbringen.
Auch ich bin nun wohl ein Teil dessen, wenn ich auch niemals einen Turm so
schnell und so hoch bauen werde, dass es mir zum Vorteil gereicht. Aber mit
einem Einkaufswagen über grüne Hügel zu rasen ist auch schön.
17 Jul 2018
## AUTOREN
Matthias Kreienbrink
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