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# taz.de -- Videospiel-Industrie in Deutschland: Berlin will doch nur spielen
> Berlin hat ein großes Games-Studio hinzugewonnen und auch eine neue
> Games-Messe. Mehr und mehr wird Berlin auch zur Hauptstadt der Spiele.
Bild: „Oh wow“, sagen viele, die in die virtuelle Welt abtauchen
Als Ubisoft, eine der größten Videospielfirmen weltweit, vor wenigen Tagen
ihr Studio an der Hardenbergstraße in Berlin eröffnete, wurden Presse und
Gäste durch die Räumlichkeiten geführt: Dort werden Charaktere gezeichnet,
drüben Level zusammengebaut. Games-Entwicklung zum Anfassen. Aktuell sind
es 60 Menschen, die hier an internationalen Blockbuster-Games arbeiten, bis
2020 sollen es 150 werden.
In der Games-Szene in Berlin ist das neu: ein milliardenschweres,
internationales Studio. Ubisoft aber hat Niederlassungen in 20 Ländern,
zählt knapp 14.000 Mitarbeiter, entwickelt einige der bekanntesten
Spielreihen. „Far Cry“, „[1][Assassin’s Creed]“ oder „The Division�…
verkaufen sich millionenfach. Dabei waren es bisher die kleinen Studios,
die die Szene in Berlin bestimmten. Was macht das mit dem Standort?
Kottbusser Tor, Adalbertstraße. Hier befindet sich ein Brennpunkt der
Games-Entwicklung in Berlin – der Saftladen. Ein Kollektiv von kleineren
Games-Studios, die sogenannten Indie-Entwickler. Ein Großraumbüro mit
Spielautomat, großem Regal mit Mate, Cola, Bier. In der Nähe der Mate sitzt
Riad Djemili. 2014 hat er mit einem Freund das Studio Maschinen-Mensch
gegründet. Im September 2016 haben sie ihr erstes Spiel veröffentlicht,
„The Curious Expedition“.
Da können Spieler bisher unbekannte Zivilisationen entdecken. Sie lernen,
mit ihnen zu interagieren, können aber genauso ihre Reichtümer plündern.
Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt soll es sich um eine spielerische
Kritik am Kolonialismus handeln. Es läuft gut: Das Spiel hat sich bisher
schon über 130.000 Mal verkauft, zehn Prozent davon innerhalb Deutschlands.
## Förderung vom Staat
„Wir machen jetzt die Firma größer, haben bereits eine weitere Person
eingestellt, suchen noch zwei andere“, sagt Djemili. Dabei schaue man vor
allem auf die Entwickler, die gerade von Universitäten und Gaming-Schulen
wie der Games Academy in der Rungestraße abgegangen sind.
Dass auch der Staat dabei hilft, den Standort Berlin für die
Games-Industrie interessanter zu machen, sieht man ein paar Tische weiter.
Da wird „Through the Darkest of Times“ entwickelt, von Jörg Friedrich und
Sebastian Schulz. In diesem Strategiespiel sind die Spieler Teil des
Widerstands zur Zeit des Nationalsozialismus. Zunächst entwickelten die
beiden das Spiel nebenbei, doch Ende März haben sie sich hauptberuflich dem
Spiel verschrieben.
Das ist auch möglich, weil sie vom Medienboard Berlin-Brandenburg, einem
staatlichen Unternehmen für Filmförderung und Standortentwicklung,
gefördert werden. Eine Million Euro stehen diesem jährlich für die
Förderung von Games zur Verfügung. Davon haben Friedrich und Schulz 70.000
Euro bekommen.
Doch dafür haben sie auch viel machen müssen. Kalkulationen aufstellen: wie
viel plant man denn zu verkaufen? Wann soll es fertig werden? Jörg
Friedrich betont, dass es sich bei der Förderung vom Medienboard um ein
Darlehen handelt. „Sobald wir dann mehr Einnahmen haben, als wir Ausgaben
hatten, müssen wir zurückzahlen.“
## Nicht nur für Games
Stina Flodström arbeitet als freie Entwicklerin. Auch sie hat einen
Schreibtisch im Saftladen. Sie entwickelt vor allem für VR – also Virtuelle
Realität. „Ich mag es immer, wenn Leute in die Virtuelle Realität
abtauchen, mit dieser digitalen Umwelt interagieren. „Wow“ ist das
häufigste Wort, das ich dann höre“, erzählt Flodström.
Die Technologie wird aber längst nicht nur zum Spielen genutzt, sondern
auch in der Ausbildung, wenn zum Beispiel Mitarbeiter der Bahn die
Reparatur von Zügen in der Virtuellen Realität lernen. Oder in der Medizin,
wenn Operationen zunächst mit einem VR-Headset getestet werden.
3,35 Milliarden Euro Umsatz wurde 2017 mit der Games-Branche in Deutschland
gemacht – 15 Prozent mehr als 2016. Damit liegt das Land weltweit auf Platz
drei. Jedoch nur 119 Millionen Euro mit Games-Entwicklungen aus Deutschland
– ein Prozent weniger als 2016. Die Deutschen kaufen Games, produzieren sie
aber nicht selbst. Im Koalitionsvertrag steht, dass man „Games-Förderung
auf international wettbewerbsfähigem Niveau“ einführen wolle. So ganz ist
noch immer nicht klar, wie das nun ablaufen soll.
Doch es gibt eine bestechende Rechnung, die die Games-Industrie aufgestellt
hat: In Frankreich investiert der Staat einen Förder-Euro in die
Games-Branche und bekommt 1,80 Euro an Steuereinnahmen und 8 Euro an
Investitionen zurück. Der Staat kann also profitieren von dieser Branche,
die noch immer im Wachsen begriffen ist. Und Berlin kann dabei ein
wichtiger Standort sein.
## Wettbewerbsnachteil
„Die Hauptstadt hat eine große Anziehungskraft für internationale
Mitarbeiter und wir sehen hier viel Potential, gerade an kreativen Leuten.
Für die Produktion von Games ist das essenziell, denn bei uns arbeiten sehr
viele verschiedene, zukunftsorientiere Berufsgruppen zusammen, egal ob
Programmierer, Grafiker, Tester oder Projektmanager“, verrät Benedikt
Grindel im Gespräch. Er ist Managing Director bei Blue Byte, einem
deutschen Entwicklerstudio, das zu Ubisoft gehört.
Auch er sieht großen Nachholbedarf bei der Förderung von Games in
Deutschland: „Wir haben gegenüber internationalen Hotspots für Games einen
Wettbewerbsnachteil, da unsere Branche noch keine Förderung kennt, die auch
Großproduktionen unterstützt, wie das etwa in Frankreich oder Kanada der
Fall ist. Das Potential an jungen Talenten ist zwar da, aber wir müssen die
Anreize schaffen, damit internationales Knowhow auch nach Deutschland
kommt.“
Sowohl bei den kleinen Entwicklern als auch den Vertretern der Industrie
und den großen Unternehmen ist immer wieder die Rede vom Ökosystem. Wenn
sich große, zugkräftige Studios in Deutschland angesiedelt hätten, würde
auch der Indiemarkt gestärkt werden. Denn dann gäbe es eine größere
Fluktuation zwischen Groß und Klein.
Erst dann würde sich auch das nötige Wissen, die so wichtige Expertise in
Deutschland ansiedeln und verbreiten. Berlin war schon immer eine Stadt der
Verbindung vermeintlicher Gegensätze. Des Miteinanders von groß und klein,
alt und neu, mächtig und schwach – es könnte auch jetzt ein wichtiger
Antriebsmotor dieser Games-Synergie sein.
## Eine erwachsene Messe
Station Berlin, direkt am Gleisdreieck. Für drei Tage, vom vergangenen
Freitag bis Sonntag, konnten Interessierte hier einige der größten neuen
Games anspielen. In drei Hallen – noch recht überschaubar – fand die erste
EGX in Deutschland statt. Eine Messe, die bisher nur in England stattfand,
dort die größte Games-Messe ist. In Deutschland [2][ist das die gamescom]
in Köln. 370.000 Besucher zählte diese im August 2018, 15.000 mehr als noch
im Jahr davor.
Die EGX jedoch hat einen etwas anderen Ansatz: Hier werden Tickets nur an
Personen verkauft, die über 18 sind. Es soll eine erwachsenere Messe sein,
auf der die Leute nicht bis zu fünf Stunden anstehen müssen, um ein Spiel
auszuprobieren. In diesem Jahr waren es vor allem Menschen aus Berlin, die
zur Messe kamen. Doch die Messe könnte in den kommenden Jahren auch
überregional Menschen anlocken, ein weiterer Teil eines Games-Ökosystems
werden.
Jessica ist 28 und Besucherin der Messe. Sie schlendert gerade am Stand mit
den Indiespielen vorbei, macht dann eine Kurve, um sich „Days Gone“
anzuschauen, ein Zombiespiel von Sony, das kommendes Jahr erscheinen soll.
Ihr gefällt das auf der EGX: dass die Indiespiele hier in der selben Halle
anspielbar sind wie die Blockbuster. Direkt nebeneinander, keine
Ausgrenzung. Ein schöner Eindruck und ein Sinnbild dafür, wie sich
hoffentlich auch der Games-Markt in Berlin entwickeln wird. Direkt
nebeneinander, keine Ausgrenzung.
3 Oct 2018
## LINKS
[1] /Neuer-Teil-der-Reihe-Assassins-Creed/!5456869
[2] /Beginn-der-Gamescom/!5435748
## AUTOREN
Matthias Kreienbrink
## TAGS
Videospiele
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Computerspiel
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