Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Miniserie „Bad Banks“: Unter dir die Stadt
> Die Thriller-Miniserie „Bad Banks“ aus der Welt der Hochfinanz startet
> auf Arte. Sie ist zeitgemäßes Writers-Room-Fernsehen.
Bild: Will sich mit allen Mitteln hocharbeiten: Jana Liekam (Paula Beer), die e…
Echte italienische Camorristi haben Brian De Palmas „Scarface“ gesehen und
sich anschließend Toni Montanas Protzvilla mit dem größten Whirlpool aller
Zeiten nachgebaut. Könnte sein, vielleicht üben dann auch echte
Investmentbanker Gordon Gekkos berüchtigte „Greed“-Ansprache aus „Wall
Street“ zuhause vor dem Spiegel: „Greed is good. Greed is right. Greed
works …“
Den Finanzarbeitern aus der mit „Berlinale 2018“ gelabelten sechsteiligen
Miniserie „Bad Banks“ wäre das zuzutrauen. Sie kommen ausnahmslos aus der
Klischeekiste und bedienen das durch die Finanzkrise gefestigte Feindbild:
Die Chefs (Jean-Marc Barr, Tobias Moretti) erweisen sich als zynische,
manipulative Arschlöcher; das Fußvolk rekrutiert sich aus neurotischen,
soziopathischen Arschlöchern – die schon mal, es nennt sich
„Katastrophenanleihe“, über ein Erdbeben in Kalifornien (Breaking News: �…
KILLED IN CA“) in Jubel ausbrechen.
Was die drei engsten Kollegen der im Mittelpunkt stehenden Jungbankerin –
„Heldin“ möchte man sie nicht nennen – in ihrer knapp bemessenen Freizeit
so tun: Eine ist eine notorische Stalkerin, einer spielt „Fight Club“, und
einer schenkt seiner Freundin – kein Wunder, dass sie ihn bald danach
bittet, ihre Nummer zu löschen – einen Thermomix, Symbol seiner sozialen
Verwahrlosung.
Das Personal dieser merkwürdigen Parallelwelt spricht auch ständig in
Metaphern, Gleichnissen, Parabeln: „Wie eine Krankheit ist jeder Crash
schmerzhaft, stärkt aber sogleich das Immunsystem des Kapitalismus.“ Oder
es spricht eher unakademisch Klartext. Ein – erfolgreiches –
Verkaufsgespräch des Thermomix-Bankers hört sich so an: „I don’t need your
fucking small money! I need big money! From guys with big balls! Do you
know how we call you here? Mr. Tiny Testicles!“
Das übrigens gilt es unbedingt auf der Haben-Seite der Serie zu verbuchen:
Bis zuletzt waren deutsche Produktionen darauf bedacht, noch das kleinste
Fitzelchen Fremdsprachenauthentizität entweder zu vermeiden oder
totzusynchronisieren. In „Bad Banks“ wird neben Deutsch auch fleißig
Englisch, Französisch und, im Ernst, Luxemburgisch gesprochen. Die
Finanzwelt ist ein internationales Pflaster, das hier so hochglänzend
fotografiert ist (Kamera: Frank Lamm), dass dieses Frankfurt ohne weiteres
für Midtown Manhattan durchgehen könnte: unter dir die Stadt. Die Bilder
von den verzweifelt vor den nichts mehr ausspucken wollenden Geldautomaten
Schlange stehenden Menschen kennt man hingegen aus Griechenland.
## Finanzwelt als Kulisse
Wie konnte es nur soweit kommen? Eine ehrgeizige Jungbankerin (die bereits
von François Ozon und Christian Petzold besetzte Paula Beer) wird
willkürlich gefeuert, aber sofort von einer der – zynischen, manipulativen
– Chefinnen (Désirée Nosbusch) in einen neuen Top-Job bei der Deutschen
Bank (die hier Deutsche Global Invest heißt) protegiert.
Nichts ist umsonst. Sie soll heimlich Belege beschaffen für eine unsaubere
Praxis: „Sie verkaufen ihren eigenen Schrott an sich selbst. Um die Bilanz
zu stärken.“ Wer nun meint, in immerhin über fünf Stunden auch nur ein
bisschen mehr als das in diesen zwei Sätzen kolportierte
„Tagesschau“-Basiswissen zu erfahren, wird enttäuscht. Die Finanzwelt dient
vor allem als Kulisse für die üblichen, Thriller-konformen Straftaten wie
Nötigung, Körperverletzung, (versuchter) Mord. Und Bestechung (nicht eben
originell: ein Maserati und eine Prostituierte für den Finanzbeamten). Oder
anders gesagt: Die Aufdeckung der bösen Tricks der Finanzbranche bleibt –
wie schon in Dieter Wedels Zweiteiler „Gier“ (2010) – Behauptung. Und am
Ende gewinnen – natürlich, als hätte man es nicht geahnt – diejenigen unt…
den Bankern, die, ohne Rücksicht auf Sparer und Phrasen dreschende
Politiker, auf den großen Crash wetten.
Apropos Dieter Wedel. Eine ganz neue Kritiker-Disziplin sieht vor, alle
neuen Filme unter das „#MeToo“-Mikroskop zu legen. „Du wirst noch früh
genug begreifen, wie dieses System von Männern dominiert wird,“ klärt die
Chefin die Jungbankerin auf. Da hat die schon längst einem Studenten, der
sie auf ein Praktikum in der Bank angesprochen hat, ihre Bedingungen
genannt: „Klar. Wenn du mir die Muschi leckst.“
PS: Am 30.8.2016 hatte ich in dieser Zeitung angekündigt, künftig keine
Filme des Regisseurs Christian Schwochow mehr zu besprechen. Nun ist es
doch wieder passiert. Ich habe es – den Regisseur und (s)eine persönliche
Handschrift – nämlich glatt übersehen. So sehr erscheint „Bad Banks“ als
zeitgemäßes „Writers' Room“-Produkt („Headautor“: Oliver Kienle). Die…
hat „Babylon Berlin“ – so nah wie mit „Bad Banks“ war das ZDF noch ni…
am internationalen Seriengeschehen.
1 Mar 2018
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Arte
ZDF
Fernsehserie
Öffentlich-Rechtliche
SWR
Fernsehen
Spielfilmdebüt
taz.gazete
ZDF
Bankenaufsicht
Donald Trump
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zweite Staffel „Bad Banks“: Vom Main an die Spree
Die Miniserie spielt nicht mehr unter Anzugträgern in Frankfurt, sondern in
Berliner Start-ups. Sie bleibt eine gute Seifenoper im härteren Look.
Miniserie „Labaule & Erben“ im SWR: Verleger wider Willen
In der von Harald Schmidt erdachten Miniserie „Labaule & Erben“ muss der
Sohn die Zeitungsdynastie retten. Die Serie hätte ein großes Publikum
verdient.
TV-Zweiteiler aus der Schweiz: Wie Uhren und Schokolade
Arte zeigt einen Banken-Zweiteiler des Schweizer Fernsehens. „Private
Banking“ erinnert an eine Ü60-Version von „Bad Banks“.
Arte-Spielfilm „Jonathan“: Soviel zum Pflegenotstand
„Jonathan“ ist der Debütfilm von Autorenfilmer Piotr J. Lewandowski. Er
zeigt deutschen Wald und das Sterben eines Mannes.
Alexander Schimmelbuschs neuer Roman: Büchner im Businessanzug
Wenn die Mitte austickt. Alexander Schimmelbusch wirft mit
„Hochdeutschland“ ein grelles Licht auf die seelische Verfassung der
Nation.
ZDF-Serie über Finanzwirtschaft: „Bad Banks“ nervt
Die neue Serie bei Arte und ZDF bekommt gerade viel Lob. So ein Quatsch.
„Bad Banks“ zeigt, was das Problem mit dem deutschen Fernsehen ist.
Europäischer Schutz vor Bankenkrise: Bankenaufsicht nur mittelmäßig
Der Europäische Rechnungshof deckt Mängel bei der EZB auf. Die gibt nicht
alle Dokumente heraus. Ein Crash wie 2008 könnte sich wiederholen.
Kommentar Trumps Finanzpolitik: Nur die Wall Street kann jubeln
Trump will die Regeln für Banken lockern. Dadurch würden deren
Gewinnaussichten größer – ebenso wie das Risiko einer neuen Finanzkrise.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.