| # taz.de -- Edeka boykottiert Nestlé: Wir können aufhören, Edeka zu feiern | |
| > Wenn der Supermarktkonzern die Preise von Nestlé drücken will, dann hat | |
| > das nichts mit globaler Gerechtigkeit zu tun. | |
| Bild: Edeka ist kein Unschuldslamm. Beispiele gefällig? | |
| Yes! Jetzt geht es diesem gewissenlosen Dreckskonzern Nestlé endlich an den | |
| Kragen! Unsere Edeka boykottiert den Multi aus der Steueroase Schweiz. Das | |
| hat Nestlé auch verdient. Hat dieses Unternehmen nicht mit seinen | |
| Milchersatzprodukten Mütter in Entwicklungsländern vom Stillen abgehalten? | |
| [1][Ist es nicht für Kinderarbeit in Afrika verantwortlich]? [2][Und reißt | |
| Nestlé sich nicht Wasser unter den Nagel], füllt es in umweltschädliche | |
| Plastikflaschen und verkauft es dann mit großem Gewinn an Leute, die sonst | |
| verdursten würden? Genau. Also: Solidarität mit Edeka! | |
| So oder so ähnlich scheinen gerade viele Menschen in Deutschland zu denken. | |
| Nachdem vor kurzem Edekas Bestellstopp von Nestlé-Waren bekannt geworden | |
| ist, [3][schneidet die Supermarktkette in Umfragen zum Unternehmensimage | |
| besser ab] – Nestlé dagegen schlechter. Fast könnte man denken, die | |
| Konzerne sorgten untereinander für globale Gerechtigkeit. | |
| Stimmt aber nicht. Edekas Nestlé-Boykott taugt rein gar nichts. Jedenfalls | |
| nicht für Arbeiter und Bauern, Kinder in Afrika, oder die Umwelt. Und um | |
| die geht es Edeka auch nicht. | |
| Der Handelskonzern will einfach nur weniger für Nestlé-Produkte zahlen. | |
| Produkte wie Nescafé, San Pellegrino-Wasser, Buitoni-Nudeln, Maggi-Suppen, | |
| Thomy-Mayonnaise, Wagner-Pizza, Smarties oder Choco Crossies. „Dieser | |
| Preisdruck landet letztendlich bei den Produzenten, zum Beispiel bei den | |
| Kakaobauern oder den Arbeitern in den Lebensmittelwerken“, warnt Franziska | |
| Humbert, Referentin für Soziale Unternehmensverantwortung bei Oxfam. | |
| Das heißt, wenn Edeka Nestlé durch den Boykott zwingt, weitere Rabatte | |
| einzuräumen, werden Supermarktkunden in Deutschland vielleicht weniger | |
| zahlen – aber Nestlé wird die Gewinneinbußen an seine Produzenten | |
| weiterreichen. Sprich: Die Armen in den Entwicklungsländern werden noch | |
| ärmer. | |
| Und im Übrigen ist Edeka kein Unschuldslamm. Die Gruppe, 1898 gegründet als | |
| Zusammenschluss Berliner Kaufleute zur [4][„Einkaufsgenossenschaft der | |
| Kolonialwarenhändler“ („E.d.K.“),] ist mittlerweile der größte | |
| Lebensmittelhändler Deutschlands: mit [5][ungefähr 11.000 Filialen | |
| (inklusive Netto-Markendiscount),] rund [6][55 Milliarden Euro Umsatz] pro | |
| Jahr und 23 Prozent Marktanteil. Die Gruppe gehört zu den gerade mal vier | |
| Konzernen, die [7][85 bis 90 Prozent des Lebensmittelhandels] | |
| kontrollieren. Deshalb – und nur deshalb – kann Edeka sogar einen Global | |
| Player wie Nestlé in die Knie zwingen. | |
| ## Wer sollte sonst liefern? | |
| Diesen Einfluss missbraucht Edeka zuweilen. 2008 übernahm die Gruppe die | |
| Discounterkette Plus – und versuchte umgehend, die bisherigen Lieferanten | |
| zu erpressen, ihre Sonderkonditionen auch für Edeka beizubehalten – | |
| sogenannte „Hochzeitsrabatte“. Edeka verlangte zudem, dass die Lieferanten | |
| sich an den Kosten für den Umbau der Plus- in Netto-Filialen beteiligen. | |
| All das verbot schließlich das Bundeskartellamt. | |
| Auch die Arbeitnehmer haben bei Edeka nicht viel zu lachen. Die | |
| Gewerkschaft Ver.di hat dem Konzern vorgeworfen, immer mehr Mitarbeiter | |
| unter Tarif zu bezahlen und Gewerkschafter zu behindern. | |
| Edeka ist zwar eine Genossenschaft. Aber die Mitglieder sind keinesfalls | |
| die Mitarbeiter oder die Kunden, sondern selbständige Einzelhändler, die | |
| Eigentümer der Filialen. Und selbst sie haben in dem verschachtelten | |
| Konzern nur noch begrenzt Einfluss. | |
| Klar: Nestlé ist auch übel. Doch selbst wenn der Konzern bei Edeka | |
| rausfliegen sollte – seine größten Konkurrenten sind nicht viel besser. | |
| Süßigkeiten könnte auch Ferrero liefern, ein Unternehmen, dem ebenfalls | |
| Kinderarbeit und der Einsatz gesundheitsschädlicher Pestizide vorgeworfen | |
| werden. Pasta-Saucen könnte Edeka künftig von Unilever kaufen, aber der | |
| bezahlt Bauern – wenn überhaupt – nicht viel besser. | |
| Wahrscheinlich wird Edeka allerdings gar nicht auf andere Hersteller | |
| ausweichen. Dass Supermarktkonzerne Lieferanten mit Bestellstopps | |
| drangsalieren, kam schon häufig vor – und über kurz oder lang haben sich | |
| beide Seiten dann doch wieder geeinigt. | |
| 27 Feb 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/kinderarbeit-in… | |
| [2] /Umweltzerstoerung-in-den-USA/!5483694 | |
| [3] https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/brandindex-was-der-streit-zwischen-e… | |
| [4] http://www.edeka-verbund.de/Unternehmen/de/edeka_verbund/verbundsprofil/wei… | |
| [5] http://www.edeka-verbund.de/Unternehmen/de/geschaeftsbericht/edeka_im_profi… | |
| [6] http://www.nielsen.com/de/de/press-room/2017/food-trade-in-germany.html | |
| [7] http://www.freshplaza.de/artikel/15327/Rewe-Edeka-Aldi-und-Schwarzgruppe-te… | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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