# taz.de -- Antisemitismus aus Kindersicht: „Ich weigere mich zu hassen“ | |
> Fred Heyman überlebte als Teenager in Berlin die Judenverfolgung der | |
> Nazis. Ein Bericht über ein Leben als gebrandmarkter Außenseiter. | |
Bild: „Warum bin ich am Leben geblieben? Es ist, glaube ich, ein Geschenk Got… | |
BERLIN taz | Ein sonniger Samstagvormittag am Kurfürstendamm in Berlin. In | |
der Lobby eines großen Hotels wartet Fred Heyman, 88 Jahre alt, schlank und | |
mit wachen Augen. Kräftiger Händedruck. Heyman ist aus New Jersey nach | |
Berlin gekommen, in seine alte Heimat. Als Manfred Heymann ist er hier | |
aufgewachsen; nur ein paar Meter entfernt, Bayreuther Straße Ecke | |
Kleiststraße, lag die Erdgeschosswohnung seiner Kindheit. Er hat als | |
jüdischer Jugendlicher die Nazi-Verfolgung in Berlin überlebt. Darüber | |
möchte er berichten. | |
„Meine früheste Erinnerung geht zurück bis ins Jahr 1932. Da war ich drei | |
Jahre alt. Ich kann mich an riesige Bilder von Adolf Hitler an den | |
Litfaßsäulen erinnern. Das war sehr beeindruckend für mich. Es gab damals | |
eine Menge Paraden. Es kamen Autos vorbei, bei denen auf dem Dach ein | |
Lautsprecher installiert war. Sie spielten Marschmusik. Ich wusste nicht, | |
was da los war. Aber es war sehr aufregend. Später habe ich versucht | |
herauszufinden, was damals passiert ist. Nun, das muss der Wahlkampf | |
zwischen Adolf Hitler und Paul von Hindenburg um das Amt des | |
Reichspräsidenten gewesen sein.“ | |
Den ersten Wahlgang am 13. März 1932 gewann Hindenburg mit 49,5 Prozent der | |
Stimmen, Hitler erhielt als Zweitplatzierter 30,1 Prozent. Die SPD hatte | |
darauf verzichtet, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, und unterstützte | |
den konservativen Weltkriegshelden Hindenburg. Ernst Thälmann von der KPD | |
erzielte 13,2 Prozent. Im zweiten Wahlgang am 10. April 1932 setzte sich | |
Hindenburg mit 53,1 Prozent gegen Hitler (36,8 Prozent) durch. Viele | |
Nazigegner glaubten damals, damit habe sich der Machtanspruch der NSDAP | |
erledigt. Doch nur neun Monate später wurde Hitler Reichskanzler und die | |
NS-Herrschaft begann. | |
„Ich kann mich an die Aufregung in der Stadt erinnern, als Hitler zum | |
Reichskanzler ernannt wurde. Einmal, da spielte ich im Hof unseres Hauses, | |
hielt Hitler eine Rede. Nachbarn hatten ihr Radio auf das Fensterbrett | |
gestellt, damit jeder mitbekam, dass sie stolze Besitzer eines solchen | |
Geräts waren. Also hörte ich Hitlers Rede. Ich verstand kein Wort von dem, | |
was er sagte. Wir hatten auch ein Radio, aber da liefen keine Hitler-Reden. | |
Mein Vater war Jude. | |
Im Ersten Weltkrieg wurde er als deutscher Soldat eingezogen und erhielt | |
als Kriegsauszeichnung das Eiserne Kreuz. Später lernte er meine Mutter | |
kennen und beide heirateten. Ich wurde am 25. April 1929 in Berlin geboren. | |
Mein Vater war von Beruf Innenarchitekt, meine Mutter Hausfrau. Sie war | |
evangelisch. Sie konvertierte auf Wunsch meines Vaters zum Judentum. So | |
konnte ich als Jude aufgezogen werden. Dass meine Mutter ursprünglich keine | |
Jüdin gewesen ist, hat uns später beim Überleben geholfen. Ich wusste, dass | |
ich ein Jude bin. Aber den Antisemitismus habe ich nicht verstanden.“ | |
## Zum Auswandern fehlte das Geld | |
Aufgrund seiner ursprünglich christlichen Mutter und der Tatsache, dass er | |
in einem jüdisch geprägten Elternhaus aufwuchs, galt Manfred Heymann nach | |
den rassistischen Kategorien der Nazis als „Geltungsjude“. Er unterlag | |
damit vollständig den antisemitischen Gesetzen und Verordnungen und musste | |
zum Beispiel ab September 1941 den „Judenstern“ tragen. Etwas besser | |
gestellt waren Kinder aus „privilegierten Mischehen“, bei denen die Eltern | |
nicht der jüdischen Gemeinde angehörten. | |
„Als Kind fühlte ich mich in Berlin bald als Außenseiter. Die | |
nichtjüdischen Kinder hörten auf, mit mir zu spielen. 1935, da war ich | |
sechs Jahre alt, wurde ich in der Joachimstaler Straße eingeschult. Ich | |
bekam auch eine Schultüte. Schon am ersten Tag begannen die Kinder mich zu | |
necken: ‚Du bist Jude, du bist Jude …‘ Der Lehrer hatte ihnen gesagt: ‚… | |
haben einen Juden in unserer Klasse, aber der wird nicht lange in der | |
Klasse bleiben dürfen, weil er in eine Judenschule wechseln muss.‘ Schon | |
nach kurzer Zeit musste ich dort weggehen und hatte fortan eine jüdische | |
Schule in der Fasanenstraße zu besuchen. | |
Ich erinnere mich an die Kristallnacht. Das Gemeindehaus in der | |
Fasanenstraße wurde vollkommen zerstört. Ich sah meine Schule brennen. Ich | |
kam vom Wittenbergplatz. Ich lief über das zerbrochene Glas der zerstörten | |
Schaufenster auf den Bürgersteigen. Danach wurden wir in einem anderen | |
Gebäude unterrichtet. Ich weiß nicht mehr genau, wann der Unterricht | |
endete, vielleicht nach ein- oder eineinhalb Jahren. Danach durften wir | |
nicht mehr in die Schule gehen. Ich habe später keine Freunde mehr gehabt.“ | |
Seit August 1938 musste Manfred Heymann den Zwangsnamen „Israel“ tragen. Ab | |
November war jüdischen Kindern der Besuch von allgemeinen Schulen verboten, | |
in vielen Fällen, wie bei Heymann, wurden sie aber schon zuvor zum Wechsel | |
an eine jüdische Schule gezwungen. Am 30. Juni 1942 mussten sämtliche | |
jüdische Schulen im Deutschen Reich geschlossen werden. Juden unterlagen | |
fortan einem Bildungsverbot. | |
„Wir konnten nicht auswandern. Uns fehlte das nötige Geld. Wir hätten | |
Verwandte in den USA benötigt, um Papiere zu erhalten. Wir hatten keine. Es | |
gab damals noch die Möglichkeit, mit einem Kindertransport nach Palästina | |
zu kommen. Meine Eltern haben wohl darüber gesprochen. Und sie diskutierten | |
über eine Auswanderung nach Schanghai. Aber wer wollte schon nach China? | |
Wir wussten auch nicht, was noch passieren würde. Nein, wir blieben die | |
ganze Zeit über in Berlin.“ | |
## Trauma und Deporatation | |
Anfang 1933 lebten rund 175.000 Juden in Berlin. Bis zum | |
Auswanderungsverbot im Jahr 1941 gelang mehr als der Hälfte die | |
rechtzeitige Emigration, obwohl fast alle Staaten der Erde ihre Hilfe | |
verweigerten und strenge Einreisebestimmungen erließen. Mit | |
Kindertransporten konnten mehr als 10.000 Mädchen und Jungen ohne | |
Begleitung ihrer Eltern nach Großbritannien, in die Niederlande und nach | |
Palästina flüchten. Schanghai war nach dem Kriegsbeginn eine der letzten | |
Zufluchtsstätten für deutsche Juden, denn dort verlangten die Behörden kein | |
Visum. | |
„Mein Vater wurde an einem Samstagmorgen verhaftet und in der Rosenstraße | |
inhaftiert, wohin man alle Angehörigen von ‚Mischehen‘ gebracht hatte. | |
Meine Mutter sagte: ‚Der Vater kommt nicht von der Zwangsarbeit nach | |
Hause.‘ Sie schmierte einige Brote, weil sie richtig vermutete, dass er | |
dort, wo er gefangen gehalten wurde, nichts zu essen bekam. Wir verließen | |
unsere Wohnung und gingen zur Rosenstraße. Ich muss dort traumatisiert | |
worden sein, denn ich habe keinerlei Erinnerung mehr an das, was dort | |
passierte. Ich weiß nur, dass ich dort gewesen bin.“ | |
Im Herbst 1941 hatten die Deportationen in den besetzten Osten begonnen. | |
Ende 1942 lebten nur noch etwa 33.000 Juden in Berlin. Am 27. Februar 1943 | |
begann die „Fabrikaktion“, bei der SS und Gestapo alle verbliebenen | |
jüdischen Zwangsarbeiter schlagartig an ihren Arbeitsplätzen festsetzten, | |
um sie wenig später nach Auschwitz zu deportieren. Unter den etwa 8.000 | |
Verhafteten befanden sich auch rund 2.000 jüdische Partner von „Mischehen“ | |
und „Geltungsjuden“, die man in ein Gebäude in der Rosenstraße brachte. | |
Bald darauf sammelten sich mehr und mehr Ehepartner in der Rosenstraße, um | |
die Freilassung ihrer Angehörigen zu verlangen. Die Proteste waren | |
erfolgreich. Wohl um Aufsehen zu vermeiden, entließ die Gestapo nach und | |
nach alle Inhaftierten. Wahrscheinlich aber hatten die Nazis ihre | |
Deportation nicht geplant, da der verhaftete Personenkreis nicht zur | |
Ermordung vorgesehen war. Doch das konnte 1943 niemand wissen. | |
„Wir kamen nach Hause und dort sagte man meiner Mutter, dass die Gestapo | |
dort gewesen sei, um ihren Sohn mitzunehmen. Meine Mutter schickte mich zu | |
Bett. 20 Minuten später, ich lag im Bett, klingelte es und die Gestapo kam | |
in die Wohnung. Meine Mutter sprach mit ihnen und sagte, dass ich Fieber | |
hätte und krank sei. Zwei Männer kamen in mein Zimmer, sie hatten | |
Zivilkleidung an, und einer fühlte nach meiner Temperatur und sagte: | |
‚Dieser Jude ist krank, wir werden ihn mitnehmen, wenn er wieder gesund | |
ist.‘ | |
Alle meine Freunde durften nur Juden sein. Ich hatte ja viele | |
Klassenkameraden. Sie verschwanden einfach. Ich erinnere mich nur an einen | |
einzigen Freund. Sein Name war Rudi Seidel. Rudi lebte in der Nachbarschaft | |
und er kam regelmäßig in unsere Wohnung. Wir haben mit meiner elektrischen | |
Eisenbahn gespielt. Eines Tages kam meine Mutter ins Zimmer und sagte Rudi, | |
er müsse jetzt nach Hause gehen. Rudi verabschiedete sich und ich sagte | |
ihm: ‚Bis demnächst.‘ Er muss etwas gewusst haben, denn seine | |
Verabschiedung war sehr ernsthaft. Nun, er ist nach Hause gekommen und dort | |
wartete die Gestapo. Die Familie kam nach Auschwitz. Ich habe Rudi nie | |
wieder gesehen.“ | |
## Sechs Millionen Büroklammern | |
Rudi Heinz Seidel, geboren am 17. Januar 1929 in Breslau, wurde am 12. März | |
1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Er zählt zu | |
den etwa 55.000 Berliner Juden, die zwischen 1933 und 1945 getötet wurden. | |
Aus dem „Großdeutschen Reich“ deportierten die Nationalsozialisten | |
mindestens 265.000 Menschen in die Vernichtung. | |
„Viele, viele Jahre später, in einer Schule in Tennessee, wurde ich für | |
diesen letzten Augenblick mit Rudi entschädigt. Dort haben Kinder versucht | |
nachzuvollziehen, was die Zahl von sechs Millionen Ermordeten bedeutet. Sie | |
kamen auf die Idee, Büroklammern zu sammeln – jede Klammer für einen | |
Ermordeten. Ich dachte, dass sie vielleicht zehntausend sammeln. Aber sie | |
sammelten Millionen, mehr als sechs Millionen. Es fand sich einer der | |
Güterwaggons, mit denen die Juden damals in den Tod geschickt wurden. Der | |
Waggon wurde aus Deutschland nach Tennessee gebracht und die Kinder haben | |
daraus ein Denkmal gemacht, mit all den Büroklammern darin. Ich hatte dort | |
die Möglichkeit, eine Karte zu hinterlassen. Ich schrieb den Namen von Rudi | |
darauf und zusammen mit einer Büroklammer ist er in dem Waggon hinterlegt.“ | |
Die öffentliche Kennzeichnung mit dem „Judenstern“ wurde wenige Wochen vor | |
Beginn der Deportationen im September 1941 verfügt. Die Polizeiverordnung | |
bestimmte, dass sich Juden mit der Vollendung des sechsten Lebensjahres in | |
der Öffentlichkeit nicht ohne den Stern zeigen durften. Die Quittungen beim | |
Kauf der Sterne – jeder kostete zehn Pfennige und musste von den | |
Betroffenen bezahlt werden – erlaubten eine exakte Registrierung aller | |
Juden. | |
„Warum bin ich am Leben geblieben? Es ist, glaube ich, ein Geschenk Gottes. | |
Es war Juden nicht erlaubt, Fahrrad zu fahren. Es war nicht erlaubt, ein | |
Fahrrad zu besitzen. Aber ich besaß ein Fahrrad und fuhr damit. Ich | |
erinnere mich, dass ich zum Anhalter Bahnhof gegangen bin. Die Reisenden | |
kamen dort mit ihrem Gepäck heraus, und ich habe geholfen, den Leuten ihre | |
Koffer zu tragen. Und dann bat ich sie, mir doch einen Groschen zu geben. | |
Die Leute wussten natürlich nicht, dass ich jüdisch bin. Andere Kinder | |
haben das auch gemacht. Das war natürlich verboten, auch für Nichtjuden. | |
Manchmal kam die Polizei und wir rannten fort. | |
Mein Vater musste den Judenstern tragen, wenn er zur Arbeit ging. Ich trug | |
den Stern nicht. Ich brach die Gesetze – aber ich bin einfach nie erwischt | |
worden. Ich lebte wie ein normales Kind. Hätte mich ein Polizist | |
angehalten, ich weiß nicht, was passiert wäre. Wir besaßen keine falschen | |
Papiere. Ich besaß nur die Kennkarte mit dem große J. Aber niemand fragte | |
nach der Karte.“ | |
## Fremde Hilfe | |
Um der Deportation zu entgehen, tauchten vermutlich etwa 6.000 Berliner | |
Juden unter. Sie konnten dort nur mithilfe christlicher Unterstützer | |
überleben, mussten häufig ihre unsicheren Quartiere wechseln und wurden von | |
der Gestapo gejagt. Anderen Verfolgten gelang es, eine halblegale Existenz | |
zu führen und so zu überleben. | |
„Zuerst mussten wir die Erdgeschosswohnung in der Bayreuther Straße räumen | |
und in ein oberes Geschoss umziehen. Juden sollten nicht mehr im | |
Erdgeschoss wohnen, hieß es. Bald danach zwang uns die Gestapo zum Umzug in | |
die Wallstraße. Wir mussten alles zurücklassen. Dort gab es noch eine | |
andere jüdische Familie und wir bewohnten zusammen eine Wohnung, die man | |
geteilt hatte. Später wurde diese Familie nach Auschwitz deportiert. Dann | |
wurde das Gebäude bei einem Luftangriff zerstört. | |
Wir lebten danach irgendwo in Friedrichshain. Wir waren nicht mehr bei der | |
Polizei registriert. Das war irgendeine leere Wohnung. Die Russen kamen | |
näher an die Stadt heran. Dann hieß es, alle Frauen und Kinder sollten die | |
Stadt verlassen, weil es nicht genügend Bunker gebe. Wir landeten wieder an | |
der Wallstraße, nahe am Fluss, auf einem Trümmergrundstück. Wir hatten | |
keine Adresse mehr. Essen war sehr schwierig. Wir waren immer hungrig. Ab | |
und zu gab es Kartoffeln. | |
Und dann gab es da diese katholische Familie, die uns half. Sie wussten, | |
dass wir Juden waren. Der Mann hieß Max Manthey, seine Frau Anni. Wir | |
freundeten uns mit der Familie in den 1930er Jahren an, als ich noch ein | |
kleines Kind war. Es waren wundervolle menschliche Wesen. Sie halfen uns in | |
all den Jahren der Naziherrschaft. Sie hatten zum Beispiel ein Häuschen | |
weit draußen in Ahrensfelde. Max besaß einen dreirädrigen Transporter. Also | |
trafen wir uns am Potsdamer Platz, wo es nicht auffiel. Und sie nahmen uns | |
mit nach Ahrensfelde und wir konnten dort einen schönen Sonntag verbringen, | |
wo uns niemand kannte. Das ging auch noch während des Krieges. Sie | |
versorgten uns mit Lebensmitteln. Max arbeitete in einer Käsefabrik und | |
musste nicht in den Krieg ziehen. Er brachte uns regelmäßig einen Karton | |
mit Käse. Den haben wir dann auf dem Schwarzmarkt verkauft. Sie halfen uns | |
zu überleben. Auch damals in der Wallstraße. | |
Am Kriegsende kamen die Russen in den Bunker und wir riefen, hier seien nur | |
Zivilisten. Wir mussten uns in einer Reihe aufstellen. Ich sagte einem | |
Leutnant: ‚Ich bin ein Jude, ich bin ein Jude!‘ Er antwortete mir auf | |
Deutsch, dass das nicht stimme, denn Adolf Hitler habe alle Juden | |
umgebracht. Ich war 16 Jahre alt.“ | |
## Was bleibt, ist die Mission | |
Etwa 8.000 Berliner Juden überlebten die Nazizeit. 4.700 von ihnen waren | |
durch die Ehe mit einem „arischen“ Partner vor der Deportation geschützt, | |
so wie die Heymanns. 1.900 kehrten aus den Lagern zurück, vielleicht 1.700 | |
überlebten im Untergrund. Nur die wenigsten von ihnen wollten danach in | |
Deutschland bleiben. Auch Familie Heymann entschied sich 1947 zur | |
Auswanderung – in die Vereinigten Staaten. Aus dem verfolgten Teenager | |
Manfred Heymann wurde dort der erfolgreiche Elektroingenieur Fred Heyman. | |
„Nein, ich habe die Deutschen nicht gehasst. Wie hätte ich sie hassen | |
sollen? Die Mantheys waren Deutsche und die Nazis waren Deutsche. Es gab | |
gute Menschen und es gab schlechte Menschen. Ich kann nicht einmal die | |
Nazis wirklich hassen. Hass ist etwas Schlimmes, daraus erwachsen nur | |
schlechte Dinge. Ich weigere mich zu hassen. | |
Als es geschehen ist, waren die Juden allein. Die meisten Menschen halfen | |
nicht. Das Gegenteil eines Bystanders (Zuschauers; d. Red.) ist ein | |
Upstander. Den Begriff finden Sie nicht im Wörterbuch. Ich möchte ein | |
Upstander sein. Ich möchte, dass die Menschen zu Upstandern werden. Deshalb | |
besuche ich Schulen und sage den Kindern: ‚Ihr müsst aufpassen. Es gibt | |
Menschen, die andere Menschen angreifen.‘ Das ist meine Mission. | |
Seit dem Tod meiner Frau vor zwölf Jahren bin ich in den Staaten über 400 | |
Mal aufgetreten. Ich hatte zuvor niemals über den Holocaust gesprochen. | |
Dann erhielt ich einen Telefonanruf. Ich sollte als Überlebender sprechen. | |
Es gibt eine Chance, dass ich mit meinen Auftritten die Jugendlichen ein | |
bisschen beeinflusst habe. Ich bin 42.000 Schülern begegnet. Es gibt eine | |
Chance, dass meine Geschichte ein wenig das Leben von einigen verändert | |
hat. Ich fühle mich belohnt. Und dazu zählt auch meine Geschichte.“ | |
26 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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