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# taz.de -- Berlinale Wettbewerb: „Las Herederas“: Zwei Damen aus guter Ges…
> Marcelo Martinessi porträtiert die kolonial geprägte Bourgeoisie
> Paraguays aus der Perspektive der Frauen – ein überzeugendes Debut.
Bild: Szene aus „Las herederas“, dem Spielfimdebut von Marcelo Martinessi
Alles wird verkauft, das Silberbesteck, die 48 Kristallgläser. Auch der
neoklassizistische Esstisch aus England soll 6.500 US-Dollar einbringen.
Chela und Chiquita, die beiden älteren Damen, sind pleite. Obwohl es längst
durch die Decke des herrschaftlichen Hauses regnet und die Tapeten sich von
den Wänden rollen, halten sie an ihrem großbürgerlichen Lebensstil fest.
Etwas anderes haben Sie auch nicht gelernt.
In „Las Herederas“ („Die Erbinnen“) portraitiert der paraguayische
Regisseur Marcelo Martinessi den Niedergang der kolonial geprägten
herrschenden Klasse seines Heimatlandes aus der Perspektive der Ehefrauen
und Witwen, Töchter und Enkelinnen. Im Zentrum seines behutsam inszenierten
Spielfilmdebüts steht die Lebensgemeinschaft der beiden Frauen Chela und
Chiquita, die schon durch ihre Liebesbeziehung unkonventioneller als ihr
versteinertes soziales Umfeld wirken – und trotzdem in ihrem Bewusstsein
gesellschaftlich fest in der Oberschicht verankert sind.
Noch garantiert das Leben in der Villa in der Hauptstadt Asunción die
Zugehörigkeit zur Klasse und verstellt dabei gleichzeitig die Perspektive
auf die Realität jenseits ihres Alltags. Die beiden Frauen bewegen sich in
dieser heute längst überkommen scheinenden Welt. Der Kameramann Luis
Arteaga findet dafür geschlossene, hermetische Bilder, in denen das Außen
höchstens unscharf durch die Scheiben der alten Mercedes Limousine dringt.
## Ab in den Knast
Das ändert sich schlagartig, als die lebenstüchtigere Chiquita wegen
Überschuldung des Betrugs angeklagt wird und dann ins Gefängnis wandert.
Dort wird sie mit einer komplett anderen Wirklichkeit des Landes
konfrontiert. Doch zuvor werden von ihr noch tatkräftig Vorbereitungen für
ihre anstehende Abwesenheit getroffen. So wird trotz finanzieller Engpässe
das analphabetische Dienstmädchen Pita eingestellt, um die melancholische
Chela in der Zwischenzeit zu versorgen.
Zweimal schon war der Regisseur Marcelo Martinessi zuvor mit Kurzfilmen
über die Geschichte und Gegenwart Paraguays auf der Berlinale zu Gast. 2011
wurde „Calle Ultima“ in der Sektion „Generation“ gezeigt. Der Kurzspiel…
entstand gemeinsam mit Straßenkindern aus Asunción und erzählt von ihren
Erfahrungen. Sein letzter Kurzfilm „La Voz Perdida“ (Die verlorene Stimme)
lief 2016 auf den Filmfestspielen in Venedig. Darin thematisiert er das
Massaker von Curugutuaty, bei dem 11 Landlose sowie 6 Polizisten 2012 ums
Leben kamen.
In seinem Wettbewerbsbeitrag „Las Herederas“ entwickelt der Regisseur vor
dem Hintergrund einer ganz anderen, bürgerlichen Realität Paraguays den
verhaltenen Ausbruch Chelas aus den festgefahrenen Verhaltensmustern und
Abhängigkeiten, die sie mit ihrer Partnerin Chiquita verbindet. Das bleibt
nicht ohne Widerstand. Überzeugend gelingt es dem Film, die individuelle
Entwicklung seiner Figuren mit dem Verfall einer längst überholten
gesellschaftlichen Ordnung in Südamerika zu verbinden.
19 Feb 2018
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
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