# taz.de -- Literaturverfilmung „Wunder“: Sehnsucht nach Chewbacca | |
> Der Regisseur Stephen Chbosky hat den Roman „Wunder“ über ein Kind mit | |
> Gendefekt verfilmt. Julia Roberts und Owen Wilson spielen die Eltern. | |
Bild: Auggie Pullman (Jacob Tremblay) erträumt sich ein großes Hallo bei sein… | |
„Da bleibt kein Auge trocken“ – postet die Filmvertriebsfirma Studiocanal | |
zum Kinostart von „Wunder“ auf Instagram. Der Spielfilm basiert auf dem | |
gleichnamigen, tatsächlich sehr berührenden Bestseller der US-Autorin R. J. | |
Palacio. „Ich werde nicht beschreiben, wie ich aussehe. Was immer ihr euch | |
vorstellt, es ist schlimmer.“ | |
Mit diesen Worten umreißt der zehnjährige Auggie Pullman vielsagend auf den | |
ersten Seiten des Jugendromans und auch im Film sein durch einen Gendefekt | |
deformiertes Gesicht. Nun soll der aufgeweckte Junge die geschützte Welt | |
seiner New Yorker Kleinfamilie verlassen, um zum ersten Mal gemeinsam mit | |
Gleichaltrigen eine Klasse zu besuchen. | |
„Wunder“ handelt von diesem ersten Jahr auf der Beecher School – einer | |
enormen Herausforderung für ein Kind, das sein Gesicht bisher in der | |
Öffentlichkeit lieber hinter einem Astronautenhelm versteckt hielt. Die | |
literarische Erzählung schildert die Ereignisse mit Empathie und Humor, | |
abwechselnd aus der Sicht von Auggie, seiner Schwester Via, ihrer Freundin | |
Miranda oder Auggies neuem Freund Jack Will. | |
Palacios Dramaturgie der verschiedenen Perspektiven folgt auch Regisseur | |
Stephen Chbosky in der gleichnamigen Filmadaption. Auggie mit dem | |
Astronautenhelm, überzeugend gespielt von Jacob Tremblay, begeistert sich | |
für die „Star Wars“-Filme. So sehnt er sich Chewbacca, den loyalen, | |
haarigen Freund aus der berühmten Space Opera herbei, während er sich | |
erstmalig durch die Blicke der neuen Mitschüler quält. | |
Willkommen greift Regisseur Chbosky das filmische Zitat spielerisch auf. | |
Allerdings bleiben solche visuell überraschenden Momente die Ausnahme in | |
dem ansonsten recht bodenständig erzählten Gefühlskino. Besonders die | |
Besetzung mit der perfekten Julia Roberts und dem stets sonnigen Owen | |
Wilson in der Rolle der Parade-Eltern erzeugen eine allzu glatte | |
Oberfläche, die statt irritierender Zwischentöne nur | |
Mittelklasse-Stereotypen aufruft. | |
Zu einem modernen Märchen mit Happy End wird die Verfilmung schließlich | |
durch die Figur des weisen Schulleiters Mister Pomann und die Inszenierung | |
seiner hervorragend ausgestatteten, privaten Beecher Prep – einer Insel | |
großer Bildungsideale und eines gelebten Humanismus. Das ist interessant, | |
fragt man sich, wie es jemand wie Auggie Pullman in einer x-beliebigen | |
Berliner Grundschule ergangen wäre. | |
25 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
## TAGS | |
Romanverfilmung | |
Schwerpunkt Berlinale | |
Kinderbücher | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
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