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# taz.de -- Reihe über neues Kino aus Mexiko: Eigenwillig und poetisch
> Das Kino Arsenal zeigt Filme aus Mexiko, die experimentierfreudig die
> Realitäten des Landes und anderswo auf der Leinwand verhandeln.
Bild: Der Kurzfilm „El Palacio“ (2013) folgt Frauen bei der Hausarbeit. Ers…
Eine der großartigsten Kinematheken weltweit befindet sich wohl in
Mexiko-Stadt. Wenige Minuten Fußweg von der Metrostation Coyoacán entfernt
liegt das weitläufige Gelände der seit 2012 neugestalteten Cineteca
Nacional de Mexico. In zehn Sälen laufen hier täglich ab mittags nationale
wie internationale Spiel- oder Dokumentarfilme, Retrospektiven und
Filmreihen.
Das vielfältige Programm, die moderaten Eintrittspreise und der von Grün
umgebene offen angelegte Gebäudekomplex laden zum Verweilen ein. Film
genießt in Mexiko auch offiziell einen hohen kulturellen Stellenwert. Seit
einigen Jahren werden nationale Filmproduktionen per Gesetz staatlich
gefördert.
Als Kostprobe eines jungen mexikanischen Kinos, das neue Bilder und andere
filmische Erzählweisen für die Auseinandersetzung mit der Realität Mexikos
findet, überzeugten im Forum der Berlinale bereits 2016 Joaquín del Paso’s
Spielfilm „Maquinaria Panamericana“ oder Tatiana Huezo’s Dokumentarfilm
„Tempestad“.
## Definition des mexikanischen Films
Mehr davon zeigt nun das Arsenal in der Reihe „Durchlässige Grenzen. Neue
Wege im mexikanischen Film“. James Lattimer, der auch Mitglied im
Auswahlkomitee des Forums ist, hat dafür ein Programm aus 15 kurzen,
mittellangen und langen Filmen kuratiert, welches einerseits immer wieder
klassische Genregrenzen zwischen Experimental-, Spiel- und Dokumentarfilm
überschreitet, andererseits aber auch die Frage nach einer zeitgenössischen
Definition für den „mexikanischen Film“ stellt. So porträtiert
beispielsweise Pedro González Rubio in „Inori“ (2012) einfühlsam ein
abgelegenes japanisches Bergdorf, seine wenigen betagten Bewohner, ihren
Alltag und die sie umgebende Landschaft.
Der Dokumentarfilmer Juan Manuel Sepúlveda begleitet in „The Ballad of
Oppenheimer Park“ (2016) indes eine Gruppe von Randständigen,
Alkoholabhängigen und Obdachlosen – Angehörige der kanadischen First
Nation. Ihnen dient der gleichnamige öffentliche Park in Vancouver als
Rückzugsort und sozialer Treffpunkt im marginalisierten Alltag. Historisch
befand sich an diesem Ort eine indigene Begräbnisstätte. 2008 zeigte das
Forum bereits Sepúlvedas Dokumentarfilm „La Frontera Infinita“ über die
risikoreichen Versuche Hunderttausender Migranten via Mexiko in die USA zu
gelangen.
Migration, Gewalt und der Drogenkrieg prägen das Bild Mexikos, trotzdem
sind die Probleme des Landes komplexer als die mediale Darstellung des
Elends. Die Reihe stellt deshalb mexikanische Filmemacher vor, die wie
Tatiana Huezo dem klischeehaften Abbild und der Trivialisierung eine eigene
Filmsprache entgegensetzen:
„Das Kino besteht für mich aus Bildern, Licht, Tempo und Emotionen. Mit
Bildern konstruiere ich Diskurse. Das ist meine Art, mich den Geschichten
zu nähern. Deshalb ist für mich die visuelle Spur und die ästhetische Form
fundamental. Anders könnte ich sie nicht erzählen. Gleichzeitig werden wir
in Mexiko von den Medien mit einem Spektakel der Gewalt bombardiert.
„Tempestad“ versucht, sich von diesem Auswurf illustrierender,
pornografischer Bilder des Dramas und Elends weit zu entfernen.“ In
überraschend poetischen Bildern erzählt der Dokumentarfilm „Tempestad“
(2016) vom Organisierten Verbrechen und einer durch Gewalt und Korruption
deformierten Gesellschaft.
## Alltagsleben in Mexiko Stadt
Nicolás Pereda, der so Lattimer bekannteste Filmemacher im Programm widmet
sich aus zwei unterschiedlichen gesellschaftlichen Perspektiven dem
Alltagsleben in Mexiko Stadt. Der dokumentarisch anmutende Kurzfilm „El
Palacio“ (2013) folgt 17 Frauen unterschiedlichen Alters bei der häuslichen
Routine in einem traditionellen Altbau mit begrüntem Patio.
Doch allmählich wird deutlich, dass es sich bei dieser harmonischen
Hausgemeinschaft mit Esel um einen Vorbereitungskurs für zukünftige
Hausangestellte handelt. Wie ein surreal anmutendes Kammerstück inszeniert
Pereda in „Minotauro“ (2015) dagegen die schläfrig zwischen Pizza Delivery
und Lektüre verstreichenden Tage im Apartment einer Künstler-WG.
Überhaupt besticht die Auswahl der gezeigten Filme weniger durch Aktion als
durch zurückhaltende Beobachtung, vielfältige Landschaftsbetrachtungen,
poetische Bildkompositionen und eigenwillige Dramaturgien. Das macht die
Rezeption mancher Beiträge zuweilen recht voraussetzungsvoll und gibt dem
Programm den Charakter einer mexikanischen Filmreihe für Fortgeschrittene.
Entsprechend gespannt kann man also auf die zusätzlichen Gespräche mit den
eingeladenen Gästen Tatiana Huezo, Nicolás Pereda, Nelson de los Santos
Arias oder Pablo Chavarría Gutierrez und andere sein.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
1 Jun 2017
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Romanverfilmung
Bundeskanzlerin
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