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# taz.de -- Berlinale Wettbewerb: „Utøya 22. juli“: 72 Minuten Terror
> Erik Poppe bringt den Terrorakt eines Rechtsextremen auf der norwegischen
> Insel Utøya auf die Leinwand – und zeigt die Banalität des Tötens.
Bild: Der Schauplatz: die norwegische Insel Utøya
Der automatisierte Blick der Überwachungskameras zeigt etwas, das
unwirklich erscheint. Erst einen einzelnen Mann. Dann eine Explosion aus
verschiedenen Perspektiven. Bevor er damit begann, BesucherInnen eines
Jugend-Zeltlagers der norwegischen Sozialdemokraten auf der Insel Utøya zu
erschießen, hatte der Mörder vor Regierungsgebäuden in Oslo eine Autobombe
gezündet.
Sprung auf die Insel, die Spielfilmhandlung beginnt. Die Kamera blickt auf
Bäume und Zelte. Dann tritt Kaja (Andrea Berntzen) telefonierend ins Bild,
ab jetzt wird die Kamera ihr folgen. Kaja regt sich über ihre Schwester
Emilie (Elli Rhiannon Müller Osbourne) auf, die sich amüsiert, obwohl die
Nachrichten des Osloer Anschlags bereits bekannt sind. Der erste Schuss
fällt.
Nun beginnt eine einzige, ungeschnittene Einstellung, die 72 Minuten
dauert. Genauso lange jagte der Attentäter die Jugendlichen mit seinem
Gewehr. Erik Poppes Spielfilm „Utøya 22. juli“ folgt einigen Dogma-Regeln,
eine bricht er notgedrungen: Keine Waffengewalt oder Morde zu zeigen.
Poppe zeigt nie das Töten als solches, legt aber seine Banalität offen. Der
Attentäter, der sich auf einem Kreuzzug gegen Kulturmarxismus, Feminismus
und Globalismus wähnte, ist nur als Schatten in der Ferne zu sehen. Poppe,
der früher als Pressefotograf tätig war, widmet sich dem Erleben der Opfer.
Keine Narration versucht das brutale und sinnlose Geschehen nachträglich
verdaubar zu machen.
Die jungen Leute wissen nicht, wie ihnen geschieht. Ist es eine Übung?
Warum schießen Polizisten auf sie? (Der Mörder hatte sich als Polizist
verkleidet.) Kaja verlässt die Gruppe, der sie sich erst angeschlossen hat,
sie sucht ihre Schwester. Die Kamera folgt ihr. Manchmal wendet sie sich
von Kaja ab und schwenkt in die Umgebung.
## Der Terror schert sich nicht um Indidvualität
So nachvollziehbar die dramaturgische Entscheidung ist, einen Realismus der
Nähe zu inszenieren, um nicht in die Falle des nachträglichen Erklärens zu
tappen, so sehr nervt bald das Kameragewackel. Man sieht nur noch die
Absicht, nah dran zu sein.
Die Entscheidung, bei den Gejagten zu bleiben, heißt nicht, dass Poppe das
Heft des Erzählens aus der Hand gegeben hat. Seine Protagonistin ist
umsichtig, vernünftig, ernsthaft und will Politikerin werden. Poppe lässt
sie auf Magnus (Aleksander Holmen) treffen, der auf die Insel gekommen ist,
um Mädchen aufzureißen.
Der Terror schert sich nicht um die Individualität seiner Opfer. Vor seiner
Bombe, vor seinem Gewehr sind alle gleich. Nach dem Abspann Beifall, aber
keine große Begeisterung. Auch einige Buhrufe sind zu hören.
20 Feb 2018
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
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