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# taz.de -- Radikalität der Jugend auf der Berlinale: „Eine lustvolle Angele…
> Die Aktualität des Feminismus: Die österreichische Regisseurin Katharina
> Mückstein über ihren Spielfilm „L’Animale“ – Techno, Goethe, Motocr…
Bild: Die österreichische Regisseurin Katharina Mückstein ist mit dem Film �…
taz: Frau Mückstein, „L ’Animale“ ist Ihr zweiter Spielfilm. Auf der
Berlinale wird er in den Sektionen von Panorama Special und Generation
gezeigt. Ist Ihr Beitrag ein Jugendfilm?
Katharina Mückstein: In „L’Animale“ ist die Hauptfigur ein Mädchen kurz…
dem Abitur. Es geht darin auch um die Frage, wie man als junge Frau heute
in der Gesellschaft erwachsen werden kann. Aber es ist nicht nur ein
Coming-of-Age-Film, sondern er befasst sich zugleich mit einem
universelleren Thema, nämlich mit der Suche nach Identität und
Authentizität: Wie können wir aufrichtige Menschen sein? Ich glaube, das
ist eine Frage, die man sich immer wieder stellt, unabhängig von Alter oder
Geschlecht.
Mati ist das einzige Mädchen in der Motocross-Clique – eine Art Tomboy
unter halbstarken Jungs, die auf ihrer Geländemaschine durch die Kiesgrube
und die Gegend düst. Hinter der oberflächlichen Abgeklärtheit und dem
burschikosen Auftreten aber wirkt sie kindlich, zu Hause sogar angepasst.
Diese Hauptrolle haben sie nach „Talea“, Ihrem ersten Spielfilm, wieder mit
der Schauspielerin Sophie Stockinger besetzt. War sie der Ausgangspunkt für
das Drehbuch?
Ich habe mit ihr meinen ersten Film gemacht, als sie 14 Jahre alt war.
Danach hatte ich den dringenden Wunsch, noch einmal mit ihr zu arbeiten,
bevor sie erwachsen wird. Irgendwie habe ich mit diesem Film auch gegen die
Zeit gearbeitet. Ich wollte das unbedingt hinbekommen, bevor sie vielleicht
auf eine Schauspielschule geht oder Österreich verlässt. Was ich an Sophie
so schätze, ist, dass sie als Schauspielerin eine so disziplinierte,
intelligente Arbeiterin ist. Deshalb war es für mich auch eine schöne
Herausforderung, für sie eine Rolle zu schreiben, die relativ weit weg ist
von ihr als Privatperson, und mit einer jungen Schauspielerin eine so große
Verwandlung zu erarbeiten.
Die Jugendlichen Ihres Films wachsen auf dem Land auf. Doch der Lebensstil
und die Arbeitswelt ihrer Eltern sind modern. Trotzdem sind die
Geschlechterverhältnisse unter den Heranwachsenden alles andere als
aufgeklärt. Mit Geringschätzung und sogar Verachtung begegnet Matis
Jungsclique den jungen Frauen in ihrer Umgebung. Ist dieser scheinbare
Widerspruch Ausdruck eines aktuellen Zeitgeistes?
Ich denke, dass wir heute in den urbanen Räumen zwar eine sehr große
Freiheit erleben und sich in bestimmten Blasen die alten
Geschlechterverhältnisse auflösen. Genauso wie der theoretische
queerfeministische Diskurs unglaublich vorangeschritten ist. Doch
außerhalb davon kommt es zu dieser Kollision mit der Lebenswelt der meisten
anderen Menschen. Dabei existieren große Unterschiede zwischen Stadt und
Land – aber auch innerhalb der westlichen Kulturen. Was ich in „L’Animale…
erzählen wollte, ist, dass wir an einem Scheideweg stehen, wo wir uns
entscheiden können, tatsächlich freie, fortschrittliche Menschen zu werden.
Aber dafür müssen wir auch mit unseren Ängsten umgehen. Eigentlich möchte
ich mit diesem Film Mut zusprechen, diesen Schritt zu tun.
Sebi, Matis Freund seit Kindertagen und Kopf der Moped-Gang, erscheint in
seiner roten Bomberjacke wie der halbstarke James Dean im Wiener Wald.
Haben Sie bewusst die Parallele zu dieser Darstellung der Jugendkultur der
Fünfzigerjahre gezogen?
Ja, auf jeden Fall. Auch das Motiv der Motorradfahrenden ist nichts
Modernes. Es ist für mich eher die Referenz an einen Moment des
gesellschaftlichen Aufbruchs, eines neuen Wohlstands und der Beschreibung
von Identität.
Auch wenn Mati und ihre Mitschüler im Unterricht der Deutschlehrerin nur
gelangweilt folgen, wird Goethes „Stirb und werde“ aus dem Gedicht „Selige
Sehnsucht“ doch zu einer Art Leitmotiv für den Film. Was hat Sie zu dieser
kulturellen Verschränkung von Goethe, Techno und Motocross bewegt?
Die Gleichzeitigkeit kultureller Bewegungen und die Reibungen, die sich
daraus ergeben, interessieren mich sehr. Auch wenn heute so getan wird, als
ob alles, was in der Vergangenheit läge, nicht mehr relevant wäre und
keinen Einfluss mehr hätte, weil wir uns jeden Tag neu erfinden können,
stimmt das natürlich nicht. Mir haben klassische Bildung und klassische
Literatur in der Jugend sehr viel gegeben.
Der Gegenentwurf zu Matis Leben ist das ihrer neuen Freundin Carla. Die
arbeitet im Supermarkt, scheint selbstbewusst und unabhängig. Doch lieber
würde auch sie Abitur machen. Welche Rolle spielt der gesellschaftliche
Hintergrund für die Entwicklung der dargestellten Charaktere?
Beim Schreiben ist mir das Milieu nicht so wichtig, aber die Klasse. Ich
wollte auf keinen Fall einen Film über Luxusprobleme von „rich kids“
machen. Das habe ich gebraucht, um zu zeigen, dass viel Unfreiheit auch im
Wohlstand liegt. Je mehr man hat, desto mehr hat man zu verlieren. Und so
erziehen wir auch unsere Kinder. Wenig zu haben kann durchaus gewisse
Freiheit geben – ohne das romantisieren zu wollen.
Variantenreich, in fließenden Übergängen inszenieren Sie elektronische
Musik zu den Bildern. Was für eine Funktion hat für Sie der Sound?
Ich habe ja bei Michael Haneke studiert, wo man einen sehr strengen Umgang
mit Musik pflegt. Davon mitgenommen habe ich, Musik nicht untermalend und
manipulativ einzusetzen. Gleichzeitig bin ich in einer Jugendkultur
aufgewachsen, in der Musik als Ausdruck eines Lebensgefühls unheimlich
wichtig war. Für mich bedeutet es eine lustvolle Angelegenheit, im Film
Musik präsent und rhythmusgebend einzusetzen. Es ist ein Gestaltungsmittel,
um eine zusätzliche, vielleicht unerklärliche Ebene hinzuzufügen.
Eine Schlüsselstelle und titelgebend für den Film ist das Anstimmen von
Franco Battiatos italienischem Chanson „L ’Animale“ durch die Figuren der
Geschichte. Was hat Sie zu diesem stilistischen Bruch bewogen?
Ich finde, dass, auch wenn die Zuschauer den Text vielleicht nicht
verstehen, die Musik doch ermöglicht zu erfühlen was hier passiert. Als ich
das Lied von Franco Battiato beim Schreiben des Drehbuchs nach langer Zeit
wieder hörte, habe ich gemerkt, dass dies die Stimme aller meiner Figuren
sein könnte. Ein Lied so einzusetzen war für mich eine künstlerische
Freiheit, die ich mir genommen habe – und ein Risiko, das ich eingehen
wollte.
Obwohl in dieser Szene alle das gleiche Lied von der Leidenschaft singen,
entscheiden sich Matis Eltern danach anders als ihre Tochter – gegen die
Aufrichtigkeit und für die Lüge.
Ich finde, die Falle von Coming-of-Age-Geschichten ist oft die jugendliche
Überheblichkeit, zu denken, es wäre so leicht, sich zu emanzipieren und
sich treu zu bleiben. Es war mir wichtig, jemanden zu zeigen, dem das nicht
gelingt. Denn je länger wir die Rollen leben, so wie sie von uns verlangt
werden, umso größer ist die Herausforderung, das alles infrage zu stellen
und mit dem Alten zu brechen.
24 Feb 2018
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
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